Von: mk
Nach dem Seilbahnunglück am Lago Maggiore am Sonntag mit 14 Todesopfern sind in der Nacht auf Mittwoch drei Personen festgenommen worden. Dabei handelt es sich um Luigi Nerini, den Verwalter der Betreibergesellschaft der Seilbahn “Ferrovie del Mottarone”, den Direktor Enrico Perocchio sowie um den Cheftechniker Gabriele Tadini. Italienischen Medienberichten zufolge wurden erste Geständnisse abgelegt. “Sie haben gestanden, dass sie die Notbremse manipuliert haben”, berichtete ein Ermittler im Interview mit RAI 3.
Wie der Corriere della Sera schreibt, ist Enrico Perocchio auch Mitarbeiter der Firma Leitner aus Sterzing. Für die Seilbahn am Lago Maggiore arbeitete der 51-Jährige als technischer Direktor jedoch freiberuflich.
Konkret wird den drei Festgenommenen zur Last gelegt, die Notbremse der Seilbahn außer Betrieb gesetzt zu haben, nachdem es am Samstag – einen Tag vor dem Unglück – zu einer Dienstunterbrechung gekommen war. Laut den Ermittlern wurde der Spreizer der Notbremse, die die Kabinen im Falle eines Seilbruchs blockieren sollte, nicht entfernt, um “eine Störung und Blockierung” der Seilbahnanlage zu vermeiden. Damit funktionierte die Notbremse nicht.
Der Online-Ausgabe des Corriere zufolge sei eine Fahrt mit der Seilbahn jedoch bereits seit 26. April einem „russischen Roulette“ gleichgekommen. Um weitere Betriebsunterbrechungen nach der Pause aufgrund der Corona-Pandemie zu vermeiden, entschied man sich, die Notbremse zu deaktivieren. Nicht ausgeschlossen wird, dass Ermittlungen gegen weitere Personen aufgenommen werden könnten.
Die Festgenommen müssen sich wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung, wegen schwerster fahrlässiger Körperverletzung zulasten des Fünfjährigen, der als einziger das Unglück überlebt hat, sowie wegen mutwilliger Unterlassung von Sicherheitsvorkehrungen verantworten, die letztendlich zur Katastrophe geführt hat.
Perocchio und Nerini sind laut dem Bericht durch die Aussagen von Tadini ins Visier der Ermittler geraten. Perocchio muss noch angehört werden.
Der Staatsanwältin von Verbania, Olimpia Bossi, zufolge seien bereits am 3. Mai erste Wartungsarbeiten durchgeführt worden. Die Probleme seien aber nicht gelöst worden. Um weitere Betriebsunterbrechungen oder gar eine längere Schließung zu vermeiden, habe man sich dazu entschieden, die Notbremse zu manipulieren – „in der Überzeugung, dass es nie zu einem Riss des Stahlseils kommen würde“.
Die Staatsanwältin sprach von einem „erschütternden“ Entschluss, der deshalb getroffen worden sei, weil die Kassen bereits stark unter dem Lockdown gelitten hätten. Dabei habe es sich nicht um die Entscheidung eines einzelnen, sondern um eine gemeinsame gehandelt, die auch nicht begrenzt auf diesen einen Tag gewesen sei.
Am Mittwochvormittag ist auch der zweite Spreizer in der Nähe des Absturzortes entdeckt worden. Warum das Stahlseil gerissen ist, steht derzeit noch nicht fest. Vermutlich haben mehrere Faktoren dazu geführt. Als gesichert gilt, dass die Kabine mit über 100 Stundenkilometern abwärts raste, um dann über 50 Meter in die Tiefe zu stürzen.
Staatsanwältin Olimpia Bossi und Untersuchungsrichterin Laura Carrera haben mehrere Gutachten in Auftrag gegeben, um weitere Details zum Unfall zu ermitteln.