Der Pomologe ist gekürter Preisträger

Laimburg-Forscher Walter Guerra erhält Auszeichnung

Freitag, 01. Februar 2019 | 22:14 Uhr

Von: bba

Pfatten/Venedig – Am 18. Januar 2019 wurden in Venedig die zehn wichtigsten Personen für den italienischen Obst- und Gemüsebau 2018 ausgezeichnet. Unter den von der Obstbau-Fachzeitschrift „Corriere Frutticolo“ gekürten Preisträgern ist Pomologe Walter Guerra vom Versuchszentrum Laimburg, dem für seine Tätigkeiten in der Sortenzüchtung der Nachhaltigkeitspreis „Green Innovation BPER Banca – Per la sostenibilità“ verliehen wurde.

Mit 20 Jahren Erfahrung in der Sortenselektion, der Apfelzüchtung und intensiver Vernetzung auf internationaler Ebene hat sich Walter Guerra, Pomologe und Leiter des Instituts für Obst- und Weinbau am Versuchszentrum Laimburg, im italienischen Obstsektor etabliert: Kürzlich wurde Guerra von der renommierten Obstbau-Fachzeitschrift „Corriere Ortofrutticolo“ zu einer der zehn wichtigsten Personen für den italienischen Obstbau 2018 gekürt. Für seine Forschung und Tätigkeiten im Bereich der Sortenzüchtung beim Apfel wurde Guerra darüber hinaus der Nachhaltigkeitspreis „Green Innovation BPER Banca – Per la sostenibilità“ verliehen. „Durch die Sorteninnovation können die traditionellen Apfelanbaugebiete wie Südtirol erfolgreich bleiben und unterscheiden sich von aufkommenden neuen Anbaugebieten“, erklärt Guerra. „Ich bin stolz und fühle mich geehrt über diese Auszeichnung. Die Forschung in der Pomologie kann dadurch weitere Synergien mit der Welt des Anbaus und der Vermarktung finden.“

Die Arbeitsgruppe Pomologie am Versuchszentrum Laimburg

Die Anforderungen eines sich ständig wandelnden Marktes führen dazu, dass der Sortenspiegel kontinuierlich angepasst werden muss, um mit der Konkurrenz mithalten zu können. Seit über 30 Jahren prüft die Arbeitsgruppe Pomologie des Versuchszentrums Laimburg – seit etwa 15 Jahren unter der Leitung von Walter Guerra –  neue Apfelsorten, die aus hunderten Sortenzüchtungsprogrammen auf der ganzen Welt stammen. Diese neuen Hybride und Sorten werden in den Versuchsanlagen des Zentrums auf ihre agronomischen Eigenschaften, ihre Lagerfähigkeit sowie ihre Anfälligkeit gegenüber Krankheiten getestet.

Aktuell beschäftigen sich die Forscher um Walter Guerra mit verschiedenen Typen neuer Sorten: Sorten mit rotem Fruchtfleisch; kleinfruchtige Sorten, die sich insbesondere als Snacks oder für Kinder eignen; Sorten, die widerstandsfähig gegenüber dem Klimawandel sind; Sorten mit besonderen, intensiven Aromen oder Sorten, die resistent gegenüber bestimmten Apfelkrankheiten wie dem Schorf sind. Krankheitsresistente Apfelsorten ermöglichen einen nachhaltigeren Anbau, da Pflanzenschutzmittel gezielter und in weit geringerem Ausmaß eingesetzt werden können.

Das Laimburger Apfelsortenzüchtungsprogramm

Die Anfänge der systematischen Selektion beim Apfel reichen bis in das 18. Jahrhundert zurück. Die saftigen und attraktiven Äpfel, die wir heute kennen, sind aus verschiedenen wilden Apfelsorten mit hölzernen, kleinen und ungenießbaren Früchten entstanden.

Am Versuchszentrum Laimburg wurde 1997 ein eigenes Sortenzüchtungsprogramm ins Leben gerufen. Hierbei kommen klassische Züchtungsmethoden wie die kontrollierte Bestäubung, in Kombination mit innovativen Methoden der molekularen Diagnostik zum Einsatz.

Die klassische Methode der kontrollierten Bestäubung ist eine händische und sehr akribische Arbeit. Die Blüten einzelner Zweige werden während der Blüte in Baumwollsäckchen verschlossen, um die Verbreitung der Pollen durch Insekten zu verhindern. Der Pollen wird gesammelt, von Blütenblättern befreit und getrocknet, um ihre Pollen zu sammeln. Mit diesem Pollen werden die einzelnen auf dem Baum verbliebenen Blüten händisch bestäubt. Die Samen der daraus resultierenden Früchte werden ausgesät. Jede neue Pflanze ist ein Hybrid und unterscheidet sich in seinen Charakteristiken von den beiden „ursprünglichen“ Bäumen und von seinen „Geschwistern“. Jede Pflanze stellt damit eine neue Sorte dar. Die ersten Früchte dieser Hybride erhält man nach fünf Jahren, womit dann die tatsächliche Züchtungsarbeit beginnt.

Derzeit stehen über 15.000 verschiedene Hybride im Feld des Versuchszentrums Laimburg. Jede Versuchssorte wird mit bereits auf dem Markt erfolgreich bestehenden Sorten verglichen. Dabei werden das Aussehen der Frucht, der Geschmack (Zucker und Säure), die Saftigkeit, die Knackigkeit und die Lagerfähigkeit bewertet. Darüber hinaus werden die Sorten auch auf Resistenzen gegenüber Krankheiten wie Schorf oder Mehltau getestet.

Markergestützte Selektion

Der Einsatz molekularer Marker während des Selektionsprozesses ist inzwischen ein wichtiger Bestandteil der Sortenzüchtung geworden. Es handelt sich hierbei nicht um eine Genmanipulation, sondern vielmehr um eine Kartierung der Eigenschaften des Apfels auf den einzelnen Genen. Unter der Leitung von Thomas Letschka werden im Labor für Molekularbiologie des Versuchszentrums Laimburg auf molekularen Markern basierende Methoden angewandt, um die genetische Variabilität der einzelnen Pflanzen zu erforschen. Mit dieser Methode können die Forscher verschiedene morphologische und biologische Eigenschaften auf genetischer Ebene hervorheben, die nicht von äußeren Faktoren beeinflusst wurden, und dann spezifisch jene Pflanzen selektieren, die die gewünschten Eigenschaften aufweisen. Die markergestützte Selektion ermöglicht es, die Eigenschaften gerade erst gekeimter Pflanzen zu bestimmen, indem die Gene dieser Pflanzen untersucht werden. So müssen die Wissenschaftler nicht darauf warten, dass sich diese Eigenschaften von selbst zeigen, wenn der Baum gewachsen ist und erste Früchte trägt. Im nächsten Schritt werden die Bäume bzw. Sorten im Feld geprüft. „Dank der markergestützten Selektion muss nur mehr eine reduzierte Anzahl an Hybriden ausgepflanzt werden, wodurch sich die Effizienz der Züchtungsprogramme signifikant erhöht“, erklärt Letschka. Die Aktualisierung des Sortenspiegels in Südtirol ist eines der obersten Ziele der Forscher. Der gesamte Selektionsprozess nimmt Jahrzehnte in Anspruch, bevor man ein vermarktbares Produkt erhält.

Walter Guerra, 20 Jahre Erfahrung mit dem Apfel

Walter Guerra hat sich in seiner Karriere schon immer mit dem Apfel beschäftigt. Nach dem Studium der Agrarwissenschaften an der Universität Padua und einem Auslandsaufenthalt an der University of California in Davis in den USA absolvierte Guerra sein Forschungsdoktorat in Bologna. Seit 2001 ist Guerra am Versuchszentrum Laimburg tätig, wo er sich der Sortenzüchtung widmet und seit 2017 das Institut für Obst- und Weinbau leitet. Er war und ist an zahlreichen internationalen Forschungsprojekten zu molekularen Markern und Sortenprüfungen beteiligt und hat über die Jahre am Versuchszentrum Laimburg ein internationales Netzwerk im Bereich Pomologie aufgebaut. Seit 2003 ist er Mitglied der technischen Kommission des Sortenerneuerungskonsortiums Südtirol. Guerra koordinierte das durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (2007 – 2013) finanzierte Projekt “Pomosano”. Ein Ergebnis des Projekts ist die Apfelsortenwebseite http://pomosano.laimburg.it/, auf der über 70 Sortenbeschreibungen mit Informationen zu Blüte, Ausfärbung, Größe oder Geschmack verfügbar sind.

Das Versuchszentrum Laimburg

Das Versuchszentrum Laimburg ist die Forschungsinstitution für die Landwirtschaft und Lebensmittelqualität in Südtirol. Das Versuchszentrum Laimburg betreibt vor allem angewandte Forschung mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit der Südtiroler Landwirtschaft zu steigern und die Qualität landwirtschaftlicher Produkte zu sichern. Über 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten jährlich an etwa 350 Forschungs- und Versuchsprojekten aus allen Bereichen der Südtiroler Landwirtschaft, vom Obst- und Weinbau bis hin zu Berglandwirtschaft und Lebensmitteltechnologie. Das Versuchszentrum Laimburg wurde 1975 gegründet.

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