Von: bba
Bozen – An der traditionellen Europawanderung des Südtiroler Bauernbundes nahmen auch heuer wieder prominente Agrarvertreter aus mehreren Ländern teil. Im Zentrum der Gespräche standen die aktuelle EU-Agrarpolitik und die Frage, wie sich die Landwirtschaft im Alpenraum weiterentwickeln kann.
Die Europawanderung ist ein jährlicher Treffpunkt von hochrangigen Bauernverbands-Funktionären aus Deutschland, Österreich und Südtirol, die vom Südtiroler Bauernbund zusammen mit dem EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann organisiert wird. Mit dabei waren heuer unter anderem der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, der Präsident des Österreichischen Bauernbundes, Georg Strasser, der Präsident des Bayerischen Bauernverbandes, Walter Heidl, der Obmann der Tiroler Bauernbundes, Josef Geisler, sowie Landwirtschafts-Landesrat Arnold Schuler, der Landtagsabgeordnete Franz Locher und Handelskammer-Präsident Michl Ebner. Die Teilnehmer wanderten vom Jochgrimm bis zur Bletterbachschlucht.
Bauernbund-Landesobmann Leo Tiefenthaler unterstrich die Bedeutung solcher Treffen: „Gerade die letzten eineinhalb Jahre der Pandemie haben uns gezeigt, wie wichtig es ist, sich abseits von Videokonferenzen und Online-Besprechungen auch wieder direkt zu treffen und miteinander zu reden.“ Als besonderen Gast begrüßte Tiefenthaler den ehemaligen EU-Agrarkommissar Franz Fischler. Dieser hob in seinen Grußworten den Klimawandel als großes Thema für die Landwirtschaft im Alpenraum hervor: „Die EU-Kommission gibt zurzeit viele Ziele vor, zu deren Umsetzbarkeit ich große Zweifel habe. Wir müssen den Leuten klar und konkret sagen, wie sie mit dem Klimawandel umgehen und wie sie sich daran anpassen können.“
Chancen der Nachhaltigkeit nutzen:
Auch EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann rief die Landwirtschaftsvertreter auf, die aktuellen Entwicklungen zu nutzen. Als Beispiel dafür nannte er die CO2-Zertifikate: „Wenn jene Sektoren, die CO2 binden, Geld von den Sektoren erhalten, die CO2 verursachen, dann ist das nur gerecht und kann ein zusätzliches Einkommen für die Landwirte sein. Die landwirtschaftlichen Flächen binden nämlich CO2 .“ Auch in den diversen Strategien der EU zum Thema Nachhaltigkeit gehe es für die Landwirtschaft darum, die Chancen zu erkennen und sich aktiv einzubringen. „In der EU-Agrarpolitik ist in den vergangenen Jahrzehnten zwar vieles gut, aber längst nicht alles perfekt gelaufen – denken wir nur an die Sojaimporte aus Südamerika, die auf der anderen Seite zu massiven Fleischexporten aus der EU nach China führen“, unterstrich Dorfmann.
Bäuerliche Familien brauchen Planbarkeit:
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, bedankte sich auch im Namen der deutschen Bäuerinnen und Bauern bei Dorfmann dafür, dass „die neue Agrarpolitik auf einen guten Weg gebracht wurde“. Jetzt gehe es darum, diese neuen Regeln in den einzelnen Mitgliedsstaaten gut umzusetzen. „Es geht für uns alle um ähnliche Themen, Pflanzenschutz und Tierwohl sind nur zwei Beispiele dafür. Wir Bäuerinnen und Bauern sagen Ja zu einer Weiterentwicklung unserer Landwirtschaft. Mehrleistungen, die die Gesellschaft fordert, müssen aber auch bezahlt werden. Und die bäuerlichen Familien müssen langfristig Planungssicherheit haben.“
Der Wissenschaft wieder mehr Gewicht verleihen:
Für Georg Strasser brauche die Landwirtschaft gemeinsame Allianzen, um ihre Anliegen weiterzubringen. „Bei der Diskussion um die Biodiversität darf man nicht vergessen, dass die heutige Kulturlandschaft im Alpenraum das Werk jahrhundertelanger bäuerlicher Arbeit ist.“ Strasser rief auch dazu auf, der Wissenschaft bei den großen Themen – wie dem Pflanzenschutz – wieder mehr Gewicht zu verleihen: „Unsere politischen Gegner haben einen etwas zwiespältigen Zugang zur Wissenschaft. Wenn die Erkenntnisse in ihr Konzept passen, dann pochen sie darauf. Tun sie es nicht, dann bezeichnen sie die Wissenschaft gerne als unglaubwürdig. So kann es nicht gehen!“
Großraubwild: Arbeit auf allen Ebenen
Landwirtschafts-Landesrat Arnold Schuler rief die Bauernvertreter dazu auf, aktiv die Leistungen der Landwirtschaft hervorzuheben: „Unsere Bäuerinnen und Bauern können von der Gesellschaft durchaus Respekt verlangen, schließlich produzieren sie wertvolle Lebensmittel in hoher Qualität und pflegen dabei unsere alpine Kulturlandschaft.“ Ein gemeinsames Problem der Landwirtschaft im Alpenraum sei das Großraubwild: „Wir arbeiten auf allen Ebenen daran, eine Lösung zu finden, mit der unsere Almwirtschaft eine Zukunft hat. Es ist aber schwierig, die Entscheidungen in unserem Sinne durchzusetzen“, räumte Schuler ein. In Sachen Agrarpolitik schwor Schuler die Bauernvertreter auf Zusammenhalt und aktive Mitarbeit ein, schließlich stehe gerade auf staatlicher Ebene ein „heißer Herbst“ bevor.