Von: ka
Bozen – Schon seit Wochen sorgt das Thema „Leistbares Wohnen“ im Land für heftige Diskussionen. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, da im Zuge der Raumordnungsreform das derzeitige Südtiroler Wohnbaumodell grundlegend überarbeitet werden soll. Je näher die Vorschläge und Modelle verschiedenster Fachverbände, Organisationen und Parteien reifen und sich immer mehr Gremien mit dem Thema befassen, desto mehr nimmt die Diskussion um „Leistbares Wohnen“ Fahrt auf. Unter den vielen Organisationen, die möchten, dass in die Reform eigene Vorschläge einfließen, befindet sich auch der Katholische Verband der Werktätigen (KVW).
Dank der Arche in KVW, die seit Jahrzehnten mit viel Erfahrung Südtiroler Wohnbaugenossenschaften begleitet und zurzeit über 30 dieser Genossenschaften in ganz Südtirol betreut, konnten viele einheimische Familien den Traum von den eigenen vier Wänden verwirklichen. Südtirol News konnte zum Thema „Leistbares Wohnen“ Leonhard Resch, Referatsleiter der Arche im KVW, für ein Interview gewinnen.
Südtirol News: Im letzten Barometer des Arbeitsförderungsinstituts wird berichtet, dass die Südtiroler mit dem bezahlbaren Wohnen große Not haben. Was sind die Ursachen und wie sollte laut Ihnen leistbares Wohnen wieder näher zum Arbeitnehmer gebracht werden?
Leonhard Resch: Bevor über “leistbares Wohnen” gesprochen wird, sollte man zuerst einmal definieren, was das genau ist. Für mich ist beispielsweise eine Mietwohnung “leistbar”, wenn für die Miete nicht mehr als ein Drittel eines monatlichen Nettoeinkommens ausgegeben werden muss. Nimmt man einen “normalen” Monatsgehalt wie 1.350 Euro her, so würde die Miete in diesem Fall 450 Euro betragen, was bei einem Landesmietzins von 6,5 Euro pro Quadratmeter einer Wohnung mit einer Nettowohnfläche von 50 Quadratmetern plus Garage entsprechen würde.
Bei einem Bau einer Wohnung hingegen sollte eine “leistbare” Finanzierung nicht mehr als 40 Prozent des Nettoeinkommens betragen. Im Beispiel, das mir vorschwebt, müssten für eine ähnlich große Wohnung mit Balkon, Keller und Garage, die im Klimahaus A-Standard errichtet würde, rund 200.000 Euro aufgewendet werden. Bei einem häufigen Beispiel, das 80.000 Euro eigene Mittel und 120.000 Euro als Fremdfinanzierung vorsehen würde, wäre bei einer günstigen Finanzierung für etwas mehr als 20 Jahre eine monatliche Rate von etwas mehr als 500 Euro fällig.
Warum Wohnen in Südtirol teuer ist, hat viele Ursachen. Einmal ist wegen des wirtschaftlichen Erfolgs Südtirols der Baugrund sehr teuer, was sich in hohem Maße in den Gesamtkosten niederschlägt. Aber das ist nicht alles. Bei uns wird bei Weitem hochwertiger gebaut, als in unseren nördlichen und südlichen Nachbarregionen. Die Südtiroler haben speziell bei Neubauten sehr hohe Ansprüche, wobei das Beste gerade noch gut genug ist. Alle Südtiroler Neubauten könnten locker in der Zeitschrift “Schöner Wohnen” veröffentlicht werden. Dieser Umstand treibt zusammen mit den hohen Preisen für Baugrund die Kosten noch weiter in die Höhe. Würde in Südtirol auf dem Niveau der nördlichen Nachbarregionen gebaut, könnten trotz Klimahaus A-Standards zehn bis 15 Prozent an Kosten gespart werden. Um die Kosten zu senken, könnte man an vielen Punkten ansetzen.
Wie sehen Sie das vorgeschlagene Modell des Unternehmerverbandes, – Südtirol News berichtete – der den heimischen Wohnbau mit einem neuen Zugang zum Baugrund revolutionieren will?
Ich bin froh, dass das Kollegium der Bauunternehmer mit einem revolutionären und auch provokanten Vorschlag die Diskussion um “leistbares Wohnen” angeheizt hat. Wir können diesem Modell aber trotz einiger guter Ansätze wenig abgewinnen. In letzter Konsequenz würde damit der geförderte Wohnbau abgeschafft. Er ist zudem rechtlich schwer umsetzbar. Die Idee des definierten Preises mag zwar verlockend sein, ist aber eine Augenauswischerei. Der Preis ist nur ein Faktor unter vielen. Die Qualität, Größe, Ausrichtung, Ausstattung und Nebenflächen sind die anderen Faktoren, die wichtig sind. Selbst unter erfahrenen Schätzern ist die Definition des Preises sehr schwierig. Die Gemeinden, die nun über Aufteilung der Flächen, Wohnungsgrößen und über die Zuweisung der Wohnungen zu entscheiden hätten, würden sich mit einer solchen Regelung schwertun. Dadurch, dass im Gegensatz zum heutigen Gesetz das Eigentum beim Grundeigentümer bleibt, würde das Mitspracherecht der Gemeinde stark eingeschränkt und keine Rechtssicherheit garantiert. Weitere Kritikpunkte sind die unterschiedlichen Baudichten (beim Vorschlag der Bauunternehmer sind sie doppelt so hoch, Anmerkung der Redaktion). Nicht nur die finanziell Schwächeren, sondern alle sollten mit dem Baugrund sparsam umgehen müssen. Außerdem birgt der Vorschlag allen, die ihren Wohnsitz nach Südtirol verlegen, Zugang zum geförderten Wohnbau zu ermöglichen, die Gefahr des Ausverkaufs der Heimat. Es sollten nur jene gefördert werden, die wenigstens seit fünf Jahren in Südtirol wohnen und arbeiten.
Setzt man dieses Modell um, würden meiner Ansicht die Qualität der Planung und Ausführung stark darunter leiden. Gewinner wäre die Grundeigentümer, weil deren Einfluss auf den Preis wachsen würde. Der Grund würde an den Meistbietenden verkauft, der Verkaufspreis wäre jedoch gedeckelt. Das Ergebnis wäre, dass der Spielraum für Unternehmen sehr eng würde, wodurch die kleinen heimischen Handwerker, die heute von den Wohnbaugenossenschaften vielfach Aufträge erhalten, das Nachsehen hätten.
Das Südtiroler Wohnbauinstitut (WOBI) plant, einen kleinen Teil der Wohnungen auch für Menschen mit durchschnittlichem Einkommen zugänglich zu machen. Dabei sollen künftig zehn bis 40 Prozent der WOBI-Wohnungen für jene reserviert werden, die bisher keinen Zugang haben. Wie sehen Sie dieses Modell?
Ich finde die Idee positiv. Dies würde helfen, weiteren Druck vom Mietmarkt zu nehmen. Dadurch würde man auch eine “soziale Durchmischung” der dem WOBI gehörenden Gebäude fördern und einer “Ghettoisierung” entgegenwirken.
Trotz hoher Mietpreise ist bekannt, dass viele Wohnungen leer stehen. Wie könnte man diese “in den Markt drücken”?
Die Steuern auf die durch die Miete erzielten Einkommen sind hoch. Viele Vermieter haben zudem Angst vor säumigen Mietern und davor, dass ihre Wohnung in einem schlechten Zustand hinterlassen wird. In einem Modell, das zurzeit in Vorarlberg erprobt wird, wird diesen Bedenken mit einer Garantie begegnet. Dabei garantiert eine Institution – in Südtirol könnte diese Rolle das WOBI übernehmen – dass die Mieten regelmäßig überwiesen werden und die vermieteten Wohnungen in einem guten Zustand erhalten bleiben. Im Falle von Mietrückständen und “zerstörten” Wohnungen würde die Institution die Kosten übernehmen. Bei einem ähnlichen Modell in Südtirol würden weitere Wohnungen auf dem freien Markt verfügbar, wobei zugleich die Preise fallen könnten.
In der Kritik steht auch die EEVE (Einheitliche Einkommens- und Vermögenserklärung), ohne die es seit diesem Jahr keinen Zugang mehr zu Wohnbauförderungen gibt.
Ich kann die Kritik einiger Politiker überhaupt nicht verstehen. Wir von der Arche im KVW führen ungefähr 500 Wohnbauberatungen im Jahr durch und dabei ist der in der Kritik stehende Freibetrag selten ein Problem. Der Freibetrag beträgt 100.000 Euro, der sich bei einem Paar mit einem gemeinsamen Konto auf 200.000 Euro erhöht. 200.000 Euro haben die allerwenigsten auf der hohen Kante. Ich bin zudem der Ansicht, dass “Besserverdienende”, ich würde die Grenze bei 50.000 Euro ansetzen, keine Förderung benötigen. Mich wundert auch, dass manche Politiker und Fachverbände beim Südtiroler Modell von “Planwirtschaft” reden. In einer Studie, in der Wohnbaumodelle in Berlin – eher liberal – und Wien – eher restriktiv und “geplanter” Zugang zu Förderungen – verglichen wurden, wurde festgestellt, dass sich im freien Markt Wohnungs- und Mietmarkt nicht automatisch von alleine regulieren. Der Markt baut nicht für den Bedarf, sondern nur für eine zahlungskräftige Kundschaft. Die sozial Schwächeren und die “normalen” Familien fallen durch den Rost.
Ziehen die großen italienischen Genossenschaften – Confcooperative und Legacoop – mit der Arche im KVW an einem Strang?
Wir stehen mit den italienischen Genossenschaften im regen Kontakt und treffen uns mit ihnen regelmäßig.
Südtirol ist mit dem bisherigen Wohnbauförderungsmodell recht gut gefahren. Warum will man dieses bewährte Modell ändern?
Südtirol hat in den letzten zwei Jahrzehnten eine sehr gute Wohnbaupolitik betrieben. Auch die hohe Eigentumsquote (70 Prozent, Anmerkung der Redaktion) ist ein großer Erfolg des bisherigen Modells. Unser Bestreben ist, ein bewährtes Modell nicht über dem Haufen zu werfen, sondern zu verbessern und punktuell anzupassen. Die Erweiterungszonen sollten wie bisher zu 60 Prozent aus gefördertem Grund bestehen. Den Gemeinden sollte aber die Möglichkeit gegeben werden, bis zur Hälfte des geförderten Grundes an Unternehmen zu vergeben, die dann Mietwohnungen errichten. Diese könnten dann gegen Landesmietzins für 20 Jahre an Personen, die die Voraussetzungen erfüllen, vermietet werden.
Anstatt des Quadratmeterpreises der Wohnungen sollten die Kosten für gefördertes Bauland gedeckelt werden. Den Gemeinden sollte beim “60-40 Modell” mehr Spielraum gewährt werden, wobei sie selbst mehr Verantwortung übernehmen würden. Eine neue Zone ist auch ein Zugewinn für die Gemeinde und seiner Wirtschaft. Es erscheint mir daher auch zumutbar, wenn die Gemeinde einen kleinen, die Deckelung überschreitenden Teil der Kosten des Baulandes übernimmt und diesen auf alle Bürger verteilt. Bezüglich der GIS (Gemeindeimmobiliensteuer, Anmerkung der Redaktion) sollten übrigens für konventionierte Wohnungen dieselben Freibeträge gelten wie für Erstwohnungen.
Ihr Fazit? Kommt es eher zu einer Evolution des bisherigen Modells oder zur Revolution?
Ich hoffe, dass der revolutionäre Vorschlag des Kollegiums der Bauunternehmer nicht zur Anwendung kommt, nicht zuletzt, da der Vorschlag aus meiner Sicht lediglich ein interessantes Modell für Grundeigentümer und Immobilienmakler ist. Alle anderen, auch die Bauunternehmer würden bei einer Umsetzung unter großen Druck geraten. Mit unseren Vorschlägen würde ein bewährtes Modell an die heutige Zeit angepasst und mit mehreren Neuerungen versehen, die die Interessen sowohl der Südtiroler in allen Lebenslagen – vom Single und Paar bis zur Familie – als auch der lokalen, kleinteiligen Wirtschaft berücksichtigen. Wir werden uns noch oft mit Verbänden, Bauwirtschaft und natürlich auch mit politischen Vertretern treffen und hoffen, dass es auch zukünftig sozial gerechtes, sozusagen “leistbares Wohnen” geben wird.
Vielen Dank für das Gespräch!
Wohin die Reise in Südtirols Urbanistik- und Wohnbauförderungspolitik geht, wird die Zukunft weisen. Die verschiedenen Vorschläge und die gleichbleibend hohe Nachfrage nach Wohnraum haben in letzter Zeit die Diskussion gehörig belebt.
Und was meinen unsere Leser? Wie kann „Leistbares Wohnen“ im teuren Südtirol auch für die Zukunft gewährleistet und gestaltet werden?