Von: luk
Bozen – Der größte Genossenschaftsverband in Südtirol zog gestern im Rahmen der ordentlichen Vollversammlung Bilanz über das Geschäftsjahr 2023. Verbandsobmann Herbert Von Leon und Generaldirektor Robert Zampieri sprachen von einem intensiven, aber erfolgreichen Jahr.
„Trotz vieler Herausforderungen ist es uns gelungen, das Raiffeisen-Genossenschaftswesen weiter zu stärken“, zog Verbandsobmann Herbert Von Leon Bilanz im Raiffeisenhaus in Bozen. Von Leon konnte neben den Mitgliedsgenossenschaften zahlreiche Ehrengäste aus Genossenschaft, Wirtschaft und Politik zur ordentlichen Vollversammlung begrüßen. Darunter u.a. LH-Stellvertreterin und Landesrätin Rosmarie Pamer, der Kammerabgeordnete Dieter Steger und Landtagspräsident Arnold Schuler.
Nutzen stiften für die Mitglieder
„Das Raiffeisen-Genossenschaftswesen zeigte sich 2023 solide, stabil und leistungsstark“, freute sich Herbert Von Leon. „Es ist uns gelungen, die Interessen der Mitglieder wirksam zu vertreten.“ Allerdings gestalte sich dies immer komplexer, besonders aufgrund der zunehmenden Regulierung wie etwa im Banken- und Energiebereich.
Generaldirektor Robert Zampieri schlug in dieselbe Kerbe und betonte, dass viele kleine genossenschaftliche Strukturen dafür nicht immer gerüstet seien. Zampieri: „Als Verband begleiten und schützen wir unsere Mitglieder, damit diese kapillaren Strukturen im ländlichen Raum überleben und ihr Umfeld weiter gestalten können.“ So wurde 2023 die Verbandsstrategie auf eine verstärkte Mitglieder- und Kundenorientierung ausgerichtet. Derzeit wird an rund 70 strategischen Projekten gearbeitet. „Unser Anliegen ist es, für die Mitglieder den größtmöglichen Nutzen zu stiften. In dieser Hinsicht wollen wir alle ein Leuchtturm sein.“
2023 hat der Raiffeisenverband das Projekt „Raiffeisen Stiftungen“ umgesetzt. Es bietet Raiffeisenkassen die Möglichkeit, das eigene Tätigkeitsgebiet auch außerhalb der Banktätigkeit zu unterstützen und gemeinnützige Projekte zum Wohl der örtlichen Gemeinschaft in die Wege zu leiten.
Attraktiver Arbeitgeber
Als eine der großen Herausforderungen nannte der Generaldirektor den Fachkräftemangel. Um dem entgegenzuwirken, hat der Verband den neuen Fachbereich Recruiting eingerichtet, um auch seine Mitgliedsgenossenschaften in der Personalgewinnung zu unterstützen. Der Raiffeisenverband positioniert sich in Zeiten des Wandels verstärkt als attraktiver Arbeitgeber. So wurde die 4,5-Tage-Arbeitswoche eingeführt und es können bis zu 40 Prozent der Arbeitszeit in Telearbeit geleistet werden. Dass dies attraktiv ist, zeigt sich auch daran, dass die Hälfte der 217 Mitarbeitenden im Raiffeisenverband heute Frauen sind. 2023 erhielt der Raiffeisenverband zwei wichtige Zertifizierungen: das „Audit familieundberuf“ für alle Belange rund um ein familienzentriertes Arbeiten, und die Zertifizierung zur Geschlechtergleichstellung, welche Unterschiede in Arbeitsbelangen ausräumt. „Auch damit möchten wir eine Vorbildfunktion für unsere Mitglieder einnehmen“, sagte Zampieri.
„New Work“ – der Run auf die Talente
„Nur wer sich den neuen Arbeitsanforderungen am Arbeitsmarkt stellt, wird den Run auf die Talente der Zukunft gewinnen“. Das betonte Prof. Dr. Jutta Rump von der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen bei der Vollversammlung. Sie hielt einen Impulsvortrag zum Thema „New Work – die Neue Normalität in der Arbeitswelt“. Dabei gab sie Einblick in die neue Form des Arbeitens. Diese habe zwei grundlegende Ziele im Blick: die Steigerung des Leistungsvermögens eines Unternehmens oder einer Organisation sowie die Erhöhung der Attraktivität als Arbeitgeber zur Mitarbeitergewinnung und -bindung. „In vielen Bereichen entwickelt sich unser Umfeld schneller als wir selbst, daher gilt hier, dass das Fundament für „New Work“ einzig das Wissen, die Kompetenzen und die Erfahrungen der Beschäftigten bilden“, sagte die Professorin für Organisationsentwicklung,
Größter Genossenschaftsverband Südtirols mit 240.000 Einzelmitgliedern
Der Raiffeisenverband ist nicht nur anerkannter Revisionsverband, sondern auch ein maßgeblicher Wirtschafts-, Dienstleistungs- und Interessenverband. Mehr als ein Drittel der eingetragenen Genossenschaften in Südtirol gehören dem Raiffeisenverband an. Ende 2023 waren es genau 328 Genossenschaften und 33 Körperschaften ohne Revisionspflicht. Deren Zahl konnte in den vergangenen zehn Jahren konstant gehalten werden. Die Zahl der Einzelmitglieder hat sich im selben Zeitraum nahezu verdoppelt – von 125.581 auf 240.408. „Etwa jeder dritte Südtiroler bzw. jede dritte Südtirolerin ist Mitglied in einer Raiffeisen-Genossenschaft“, sagte Herbert Von Leon. Dabei sind viele Einzelmitglieder auch Mitglied in mehreren Genossenschaften.
Geballte Wirtschaftskraft
Die Raiffeisen-Genossenschaften bilden eine starke Wirtschaftskraft in Südtirol. „Der enge Zusammenhalt ist ein wichtiger Faktor, der uns stark macht“, sagte Generaldirektor Robert Zampieri. Die Bruttowertschöpfung der gesamten Raiffeisenorganisation lag bei 876 Mio. Euro; statistisch entspricht das 3.751 Euro pro Südtiroler Haushalt. Rechnet man die Auszahlungen an die Mitglieder der landwirtschaftlichen Genossenschaften von Obst, Wein und Milch mit ein, erreicht die Wertschöpfung knapp 1,6 Mrd. Euro. Das gesamte Eigenkapital aller Raiffeisen-Genossenschaften belief sich zum Jahresende auf 3,9 Mrd. Euro und die aggregierte Bilanzsumme auf 26,5 Mrd. Euro. Die Raiffeisen-Genossenschaften bieten rund 8.500 Arbeitsplätze. Von den rund 2.800 gewählten Mandataren und Mandatarinnen der Mitgliedsgenossenschaften sind knapp ein Fünftel Frauen.
Ausgewogene Entwicklung der Sparten
Die Raiffeisen-Genossenschaften sind im ganzen Land präsent und eng mit Wirtschaft, Gesellschaft und Sozialem vernetzt. Fast jeder kommt im Alltag mit Dienstleistungen oder Produkten von Raiffeisen in Berührung, ohne es vielfach zu merken. Beispielsweise stammt jeder zweite in Italien produzierte Joghurt aus Südtirol. Neben Lebensmittelprodukten stehen die Genossenschaften u.a. für Strom, Wärme, Wasser bis hin zu sozialen Betreuungsdiensten und Bank- und Versicherungsleistungen.
So blicken die 39 Raiffeisenkassen und die Raiffeisen Landesbank auf ein gutes Geschäftsjahr zurück. Sie erzielten 2023 einen Überschuss von knapp 219 Mio. Euro. Die Kundeneinlagen beliefen sich auf 14,15 Mrd. Euro und die Ausleihungen auf 11,17 Mrd. Euro. Mit 166 Schalterstellen in 103 Gemeinden sind die Raiffeisenkassen nahe an ihren Mitgliedern und Kunden.
Die Obstgenossenschaften hatten ein schwieriges Geschäftsjahr 2022/23. Die Obsternte 2022 war mit 823.657 Tonnen um 8,4 Prozent geringer als im Jahr davor. Die 5.767 Mitglieder erhielten 375 Mio. Euro ausbezahlt. Pro Kilo Obst und Gemüse waren es mit 0,4556 Euro (ohne MwSt.) um 0,9 Prozent weniger als im Jahr davor.
Die Kellereigenossenschaften verzeichnen ein gutes Geschäftsjahr 2022/23. Die 3.153 Mitglieder lieferten aus der Ernte 2022 31.070 Tonnen Trauben – ein Plus von rund 9,5 Prozent und erhielten mit 98,4 Mio. Euro um 6,7 Prozent mehr ausbezahlt als im Jahr zuvor. Pro Kilogramm waren es im Schnitt 3,17 Euro (ohne MwSt.).
Die Molkereigenossenschaften erhielten im Geschäftsjahr 2023 mit 380,9 Mio. Kilogramm um 5,2 Prozent weniger Milch angeliefert als 2022; darin enthalten sind 17 Mio. Kilogramm Milch aus Nordtirol. Die Molkereien konnten aber höhere Preise am Markt durchsetzen. Sie erwirtschafteten für die 4.358 Mitglieder einen sehr guten Milchauszahlungspreis. Dieser lag pro Kilogramm Milch mit 0,692 Euro (ohne MwSt.) um 18,3 Prozent höher als im Jahr davor. In Summe wurden 263,5 Mio. Euro an die Mitglieder ausgezahlt.
Die Energiegenossenschaften (E-Werke, Biogas- und Fernheizwerke) versorgten über 25.000 Mitglieder mit erneuerbarer Energie und die Trinkwasser- und Beregnungsgenossenschaften über 5.250 Mitglieder mit Wasser. Die Konsum- und Dienstleistungsgenossenschaften sicherten die Nahversorgung in vielen Dörfern. Die Sozial- und Non-Profit-Genossenschaften leisteten unverzichtbare Dienste – von der Kinder- und Seniorenbetreuung bis zu Integration, Bildung und Gesundheitsdiensten.
Dem Raiffeisenverband Südtirol gehören auch Viehwirtschaftsgenossenschaften, verschiedenste landwirtschaftliche Genossenschaften, Wohnbau- und Parkplatzgenossenschaften, Kindergarten- und Kulturheimgenossenschaften und andere Genossenschaften an.
Verwaltungsrat und Überwachungsrat neu gewählt
Im Rahmen der Vollversammlung des Raiffeisenverbandes wurde der Verwaltungsrat- und der Überwachungsrat für die nächsten drei Jahre neu gewählt.
Verwaltungsrat: Herbert Von Leon (Obmann), Alois Karl Alber (1. Obmannstellvertreter), Harald Werth (2. Obmannstellvertreter), Baron Georg Eyrl, Karl Hofer, Nikolaus Kerschbaumer, Andreas Kofler, Georg Kössler, Thomas Oberhofer, Eva Pramstrahler, Joachim Reinalter, Leonhard Resch, Johannes Runggaldier, Andreas Sapelza, Johann Josef Spechtenhauser, Andreas Tappeiner, Ursula Thaler und Peter Winkler.
Überwachungsrat: Josef Auer (Vorsitzender), Andreas Josef Jud und Florian Kiem (effektive Mitglieder), Manuela Hochrainer und David Feichter (Ersatzmitglieder)