Von: apa
Ein Interview mit dem Chef des Schweizer Zementkonzerns Holcim Jan Jenisch gibt Einblick in industrielle Trends in Europa und auf der ganzen Welt, sogar von einer Zeitenwende ist in der “NZZ am Sonntag” die Rede. Die Rahmenbedingungen in Europa seien für exportorientierte Firmen schwierig. Holcim beispielsweise lagert nun das boomende amerikanische Geschäft in ein eigenständiges Unternehmen aus. Hintergrund sind die billionenschweren Investitionsprogramme der US-Regierung.
“Wir leben in einer multipolaren Welt”, sagte Jenisch in dem Gespräch. “Als Unternehmen müssen Sie Ihre Strategie darauf abstimmen.” Die Firmen könnten nicht länger die weltweiten Märkte aus einer Hand beliefern.
Für exportorientierte Unternehmen seien die Rahmenbedingungen in Europa eine Belastung, sagte Jenisch. “Heute müssen Sie in den jeweiligen Märkten eigene Lieferketten aufbauen.” In Europa wolle sich die alte Holcim angesichts der schärferen Klimaregulierung generell auf nachhaltige Baustoffe konzentrieren.
Die in den USA geplanten Investitionsprogramme “werden in den nächsten acht bis zehn Jahren zu nie dagewesenen Ausgaben für die Bauindustrie führen”, sagte Jenisch im Interview mit der “NZZ am Sonntag”. Mit einer US-Firma könne Holcim, zu der auch die Marke Lafarge gehört, am besten davon profitieren. Mit über 850 Produktionsstätten hat das Nordamerika-Geschäft eine beträchtliche Eigenständigkeit erreicht, und Jenisch betonte, dass diese Trennung den nächsten logischen Schritt darstellt.
Jenisch erklärte außerdem, dass diese Entscheidung nicht auf kurzfristigem Profit basiere, sondern darauf abziele, langfristiges und nachhaltiges Wachstum zu fördern. Die USA werden von ihm als attraktiver Markt identifiziert, der durch einzigartige Infrastrukturprogramme und einen Trend zur Reindustrialisierung geprägt ist.
Die Aufspaltung ermögliche beiden Unternehmen, sich gezielter auf ihre spezifischen Wachstumsstrategien zu konzentrieren. Holcim werde weiterhin in der Schweiz börsennotiert bleiben. Jenisch werde voraussichtlich eine Rolle im Verwaltungsrat der neuen Unternehmen übernehmen.
Die neue Struktur soll 2024 umgesetzt werden. Der Name für das Nordamerika-Geschäft soll noch bekanntgegeben werden.