Von: mk
Pfatten – Seit 2016 wird sie in Südtirol beobachtet; inzwischen ist sie in vielen Gebieten in Südtirol zu finden: die Marmorierte Baumwanze (Halyomorpha halys), ein invasiver Schädling, der sich von Asien ausgehend in vielen Ländern ausgebreitet hat. In Südtirol wird befürchtet, dass die Wanze in der Landwirtschaft große Schäden anrichten könnte.
Biologie und Verhalten des Schädlings studieren
Die Marmorierte Baumwanze hat ein breites Nahrungsspektrum: Unter den über 200 weltweit bekannten Wirtspflanzen befinden sich viele wichtige Kulturpflanzen wie Stein-, Kern- und Beerenobst, aber auch Gemüse, Mais oder Soja. „Wie groß die Gefahr für den Südtiroler Obstbau tatsächlich ist, ist derzeit noch nicht abschätzbar“, erklärt Klaus Marschall, Leiter des Instituts für Pflanzengesundheit am Versuchszentrum Laimburg. Aus diesem Grund ist die Marmorierte Baumwanze aktuell eines der zentralen Forschungsaktivitäten am Institut für Pflanzengesundheit des Versuchszentrums Laimburg. „Damit man einen Schädling gezielt regulieren kann, gilt es zuallererst dessen Biologie und Verhalten in Südtirol zu verstehen. Wir müssen also zuerst einmal untersuchen, wo sich die Baumwanze bevorzugt ansiedelt, welche Kulturen sie befällt und welche Faktoren gegeben sein müssen, damit sie sich fortpflanzt und verbreitet“, betont der Experte.
Hilfreich bei dieser Arbeit ist auch der wissenschaftliche Austausch mit Fachkollegen aus anderen Regionen und Ländern wie etwa dem Pflanzenschutzdienst der Region Friaul-Julisch Venetien, der italienischen Forschungsinstitution CREA (Consiglio per la ricerca in agricoltura e l’analisi dell’economia agraria) oder dem CABI (Centre for Agriculture and Bioscience International) Schweiz, wo die Marmorierte Baumwanze bereits schon länger beobachtet wird als in Südtirol. Anhand der dort gewonnenen Erkenntnisse und Beobachtungen hinsichtlich Biologie und Verhalten sowie erprobter Bekämpfungsstrategien können die Experten am Versuchszentrum Laimburg wichtige Ansätze für Südtirol entwickeln.
Monitoringprogramm in Südtirol
Um Aufschluss über die effektive Ausbreitung der Wanze auf Landesebene zu erhalten, hat das Versuchszentrum Laimburg gemeinsam mit dem Südtiroler Beratungsring für Obst- und Weinbau, dem Pflanzenschutzdienst Bozen und dem Beratungsring für Berglandwirtschaft BRING ein intensives Monitoringprogramm gestartet, in welchem ausgewählte Flächen periodisch mit Hilfe von Lockstofffallen und visuellen Kontrollen beobachtet werden.
„Citizen Science“ – Versuchszentrum Laimburg bedankt sich für Mithilfe der Bevölkerung!
Darüber hinaus hat das Versuchszentrum Laimburg im Mai 2018 die Bevölkerung um Mithilfe gebeten und dazu aufgerufen, Sichtungen von Baumwanzen zu melden. Diesem Aufruf sind auch zahlreiche Bürgerinnen und Bürger gefolgt: Insgesamt sind Meldungen und Funde aus 32 Südtiroler Gemeinden eingegangen, die zu wertvollen Erkenntnissen zum Auftreten des Schädlings im Land geführt haben. „Diese Daten aus der Bevölkerung und die Ergebnisse unseres Monitorings zeigen, dass sich die Besiedlung der Baumwanze im Vergleich zum Vorjahr 2017 deutlich ausgeweitet hat“, berichtet Stefanie Fischnaller von der Arbeitsgruppe „Entomologie“. „Unseren Auswertungen zufolge liegt das Kerngebiet derzeit in der Talsohle des Burggrafenamts, im Überetsch-Unterland und in der Umgebung um Brixen.“ Einzelne Meldungen gingen aber auch von Lagen über 800 m Meereshöhe ein, wie z. B. aus Unterinn, Deutschnofen oder Völs am Schlern. Ein Großteil der Bürger gab an, den invasiven Schädling an Außenwänden von Gebäuden gesichtet zu haben, wie an der Hausmauer, auf Balkonen und Terrassen. Etwa 25 Prozent der Beobachtungen stammen aus landwirtschaftlichen Nutzflächen, wie Apfelanlagen oder Weingärten; zum Herbst hin wurden die Tiere vermehrt im Gebäudeinneren beobachtet.
Aufgrund des großen Gebietes, welches es zu überwachen gilt, sind Meldungen und Beobachtungen von Bürgerinnen und Bürgern von immenser Wichtigkeit, um die Verbreitung des invasiven Schädlings in Südtirol zu überwachen, den Populationszuwachs zu beobachten und sein Verhalten in Südtirol zu verstehen. Darum nimmt das Versuchszentrum Laimburg auch weiterhin gerne Hinweise aus der Bevölkerung entgegen.
Die aktive Zusammenarbeit von Bürgerinnen und Bürgern mit wissenschaftlichen Einrichtungen wird als sog. „Citizen Science“ (Bürgerwissenschaften) bezeichnet, ein Format, das zunehmend an Bedeutung gewinnt. Dabei steht das aktive Mitwirken und der eigene Beitrag zu wissenschaftlichen Erkenntnissen im Vordergrund. In diesem Sinne möchte sich das Versuchszentrum Laimburg an dieser Stelle für die wertvolle Mitarbeit der Bevölkerung bedanken!
Zwei Wanzengenerationen pro Jahr möglich
Die Marmorierte Baumwanze wurde unter anderem auf Granatäpfeln, Wilden Reben und Zitrusfrüchten im Garten, an Hausmauern oder an Tomaten- und Paprikapflanzen auf Terrassen gefunden. Mithilfe der Beobachtungen aus der Bevölkerung konnten darüber hinaus auch erste Wirtspflanzen des Schädlings in Südtirol identifiziert werden, wie etwa Ahorn oder Götterbaum, die wichtige Nahrungsressourcen für die Wanzen darstellen und an der starken Populationszunahme beteiligt sein könnten. In den Monaten August und September erhöhte sich die Anzahl an Meldungen deutlich. Mithilfe von Freilandkäfigen haben die Forscher des Versuchszentrums Laimburg die Biologie des Schädlings im Jahr 2018 genauer untersucht. „Unsere Untersuchungen bestätigen die Annahme, dass im Südtiroler Unterland gute Bedingungen für die Wanze herrschen. Hier können sich sogar zwei Generationen pro Jahr entwickeln, die in der späteren Vegetationsperiode zur selben Zeit aktiv sind, was wiederum zu einer raschen Populationszunahme innerhalb eines Jahres führen könnte“, erläuterte Stefanie Fischnaller. „Dies könnte unter Umständen auch zu einem vermehrten Einflug der Wanze in landwirtschaftliche Kulturen führen, wobei innerhalb der Apfelanlagen bisher nur eine geringe Vermehrung des Insektes beobachtet wurde.“
Aufruf: Sichtungen weiterhin an das Versuchszentrum Laimburg melden
Eine wichtige Frage, der die Experten des Versuchszentrums Laimburg nun nachgehen werden, ist, ob sich die Wanze weiter ausbreitet, auch höhere Lagen besiedelt werden und welche ihre bevorzugten Wirtspflanzen sind. Aus diesem Grund bittet das Versuchszentrum Laimburg auch dieses Jahr wiederum alle Bürgerinnen und Bürger, Sichtungen des Schädlings zu melden. Beobachtungen nimmt das Institut für Pflanzengesundheit des Versuchszentrums Laimburg unter der E-Mail-Adresse institut.pflanzengesundheit@laimburg.it entgegen. Wichtig dabei ist, genaue Angaben zum Fundort (z. B. Gebäudeinneres, Hausmauer, Privatgarten, öffentliches Grün, landwirtschaftliche Nutzfläche, Pflanzenart) zu geben und die Adresse des Fundorts oder Koordinaten zu nennen. Da die Marmorierte Baumwanze auch mit heimischen Wanzen leicht zu verwechseln ist, wäre darüber hinaus ein beigelegtes Foto des Fundtiers wünschenswert.
Weitere Informationen, auch zur korrekten Bestimmung der Marmorierten Baumwanze, sind auf der Webseite des Versuchszentrums Laimburg unter https://bit.ly/2IakQdZ verfügbar.