Von: luk
Bozen – Um die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf den Tourismussektor in Südtirol zu untersuchen, führte Eurac Research in Zusammenarbeit mit dem Hoteliers- und Gastwirteverband (HGV) in der ersten Augustwoche eine Online-Mitgliederbefragung unter sämtlichen HGV-Mitgliedern durch. Die explorative Befragung konzentrierte sich auf verschiedene Aspekte des Tourismus und untersuchte neben den Auswirkungen der Krise auf Bettenauslastung und Umsatz auch die Veränderung der Stammgäste sowie die Veränderungen des Verhaltens der Gäste.
„Gegenwärtig befinden wir uns mitten in der touristischen Hochsaison. Das haben wir zusammen mit Eurac Research zum Anlass genommen, um Zwischenbilanz über den bisherigen, teilweise sehr schwierigen und unsicheren Verlauf der Sommersaison zu ziehen“, betont HGV-Präsident Manfred Pinzger. Er hat heute in Bozen zusammen mit Anna Scuttari und Andreas Dibiasi, Wissenschaftler am Eurac Research, und HGV-Bezirksobmann und Landesausschussmitglied Helmut Tauber die Ergebnisse der Befragung der Öffentlichkeit vorgestellt.
An der Befragung beteiligten sich 659 Gastbetriebe, davon sind 328 Beherbergungsbetriebe, 42 reine Gastronomiebetriebe und 289 Betriebe, welche sowohl Unterkunft als auch Verpflegung anbieten. Die explorative Mitgliederbefragung ist nicht repräsentativ für das Gastgewerbe in Südtirol, bietet jedoch wichtige Einblicke in die gegenwärtige Situation und Wahrnehmung der befragten Unternehmen.
Gemäß den Befragungsergebnissen sind aktuell rund 90 Prozent der Gastbetriebe wieder geöffnet. Die Beherbergungsbetriebe melden eine Bruttobettenauslastung für Juli und August, welche weiterhin unter dem Vorjahresniveau liegt. Im Juli 2020 lag die durchschnittliche Bettenauslastung 27 Prozentpunkte unterhalb der Auslastung des entsprechenden Vorjahresmonats. „Für August 2020 wird eine leicht bessere, im Vergleich zum Vorjahresmonat jedoch weiterhin um 19 Prozentpunkte geringere, Auslastung erwartet“, sagt Andreas Dibiasi. Die Betriebsumsätze im Juli und August weisen eine der Bruttobettenauslastung sehr ähnliche Entwicklung auf. Im Juli 2020 lagen die Umsätze 33 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Dibiasi: „Für August 2020 erwarten die Gastbetriebe ein Minus von rund 25 Prozent. Insgesamt, so ergab die Befragung, wurden Ein- bis Zwei-Sterne-Betriebe vom Nachfragerückgang am stärksten betroffen.“
Die Ergebnisse der Befragung offenbaren zudem eine große Anpassungsfähigkeit der Unternehmen im Gastgewerbe. Die Betriebe setzten während der Krise vermehrt auf Marketing, insbesondere gegenüber Stammgästen, und schafften es, betriebsinterne Prozesse und Abläufe an die neuen Realitäten anzupassen. „Während die Gäste mehr auf Hygiene achten und die erforderlichen Abstände einhalten, verlangen sie nur selten einen Gesundheitsnachweis der Gastgeber“, unterstreicht Anna Scuttari. Gemäß der Befragung wurde die Gast-Gastgeberbeziehung durch die Pandemie kaum beeinflusst. Die Befragung zeigt zudem, dass der Anteil an Stammgästen insgesamt abgenommen hat. Lag der Anteil an Stammgästen im August 2019 noch bei 53 Prozent, melden die Unternehmen im August 2020 einen Anteil an Stammgästen von 41 Prozent. Scuttari: „Trotz intensiver Bemühungen konnten lediglich Fünf-Sterne-Betriebe den Anteil der Stammgäste im Vergleich zum August 2019 erhöhen.“
Die beiden Eurac-Research-Forscher verwiesen zudem darauf hin, dass keine Aufholeffekte der im Frühjahr entgangenen Verluste zu verzeichnen sind und dass die Ein- und Zwei-Sterne-Betriebe am stärksten von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen sind.
Änderungen gab es auch beim Gästeverhalten. Die Befragung ergab, dass die Gäste zur Anreise und im Urlaub verstärkt den eigenen Pkw bzw. Fahrräder genutzt haben und dass vermehrt Aktivitäten im Freien ausgeübt werden.
HGV-Präsident Manfred Pinzger ging in seiner Einschätzung auf die Bereiche Betriebsauslastung, Umsatzentwicklung und Beschäftigung ein. „In allen drei Bereichen ergibt die Befragung einen deutlichen Rückgang. Im Monat August prognostizieren unsere Mitglieder einen Umsatzrückgang von 25 Prozent zum Vergleichszeitraum des Vorjahres“, bemerkt Pinzger. Einen markanten Rückgang gab es auch bei den Beschäftigten. Hier spricht die Befragung von 13 Prozent zum August des letzten Jahres. „Man kann somit sagen, dass der Neustart des Tourismus in Südtirol geglückt ist, aber die Auslastung, der Umsatz und die Mitarbeiterbeschäftigung bei weitem nicht die Werte der Vorjahre erreicht haben“, urteilt der HGV-Präsident.
Deshalb waren und sind die Forderungen des HGV zur Stützung und Förderung des Tourismussektors und seiner Betriebe in Südtirol legitim, zumal der Tourismus einen erheblichen Teil an Wertschöpfung für viele andere Sektoren generiert.
Als große Herausforderung sieht Präsident Pinzger nun die Herbst-Wintersaison, zumal in der kalten Jahreszeit das Leben vorranging in geschlossenen Räumen stattfindet. Dies birgt eine potenziell höhere Infektionsgefahr. „Dabei müssen die Präventions- und Sicherheitsmaßnahmen umso klarer im Vordergrund stehen. Wir werden gemeinsam mit allen touristischen Partnern dazu ein entsprechendes Konzept entwickeln“, kündigt Pinzger an.
HGV-Bezirksobmann Helmut Tauber verwies insbesondere auf die Rolle der Stammgäste. „Die Stammgäste haben uns grundsätzlich die Treue gehalten. Nichtsdestotrotz fehlen laut Umfrage rund 14 Prozent unserer treuesten Kunden“, bemerkt Tauber. Zudem verwies er auf das geänderte Gästeverhalten, speziell bei der Anreise und bei der Mobilität vor Ort. Der Gast fühlt sich im eigenen Auto sicherer. „Das müssen wir zur Kenntnis nehmen und darüber nachdenken, wie die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel trotz Covid-19-Auflagen noch sicherer gestaltet werden kann“, forderte Tauber. Schließlich verwies er auch auf die Einhaltung der Sicherheitsregeln. „Dies wird von den Gästen als Grundvoraussetzung gefordert. Deshalb tragen wir Touristiker in jedem Fall eine wichtige Gesamtverantwortung für die Branche und das Land“, unterstreicht Tauber.