Von: mk
Bozen – Italien gilt nach wie vor als Urlaubsparadies. Während Hotels der Superluxusklasse, Erlebnistourismus, Outdoor-Aktivitäten und Wellness den Tourismus boomen lassen, bleiben die Arbeitnehmer oft auf der Strecke. Südtirol stellt in vielerlei Hinsicht eine Ausnahme dar.
In Italien arbeiten 70 Prozent der Angestellten im Tourismus unregelmäßig, 60 Prozent in Teilzeit, 55 Prozent auf Abruf, 40 Prozent prekär und 20 Prozent saisonal. Gleichzeitig liegen die Löhne deutlich unter dem Durchschnitt anderer Wirtschafts- und Produktionssektoren.
Südtirol ist dagegen ein völlig untypisches Gebiet im nationalen Panorama, und das nicht nur wegen des sprachlichen Aspekts: Mit rund 230.000 Betten – das sind 4,4 Prozent der gesamten italienischen Betten – nimmt es den siebten Platz in der Rangliste der Regionen ein.
63 Prozent der regionalen Beherbergungsbetriebe – rund 7.000 Einrichtungen – und 33 Prozent der Betten (78.000) gehören dem einfachen Beherbergungsgewerbe an, das daher eine viel geringere durchschnittliche Beherbergungskapazität – etwa die Hälfte – aufweist als das Hotelgewerbe.
Hotels der gehobenen Kategorie, also Vier- bis Fünf-Sterne-Häuser, machen 14,4 Prozent der Gesamtzahl der Hotels aus. Das sind zwei Drittel des italienischen Durchschnitts, der bei 21,2 Prozent liegt. Vier- bis Fünf-Sterne-Betreibe stellen in Südtirol 27,6 Prozent der Betten im Vergleich zu 41,1 Prozent im italienischen Durchschnitt.
Familiäre Strukturen
Damit sind die Südtiroler Hotels durchschnittlich weniger „luxuriös“ im Vergleich zum übrigen Staatsgebiet. Gleichzeitig bieten sie einen Service auf hohem oder sogar sehr hohem Niveau, was eine „familiäre“ Dimension mit kleinen und weit verbreiteten Betrieben kennzeichnet. Diese Charakteristik wird jedoch nicht als Einschränkung, sondern vielmehr als eine Besonderheit empfunden, die sowohl von der lokalen Bevölkerung als auch von Touristen aus dem nationalen und internationalen Raum geschätzt wird.
In den letzten zehn Jahren ist die Beherbergungskapazität gewachsen. Nach den 33,6 Millionen Übernachtungen von Touristen in Südtirol im Jahr 2019 wurde im Jahr 2022 bereits ein deutlicher Aufschwung mit über 34,4 Millionen Übernachtungen verzeichnet, wobei rund zwei Drittel davon ausländische Touristen sind – 51 Prozent sind es im italienischen Durchschnitt. Die meisten Übernachtungen finden in Hotels statt. Um genau zu sein, handelt es sich um 77 Prozent im Vergleich zu 64 Prozent im nationalen Durchschnitt.
In Südtirol sind laut Landesgewerkschaft für Handel, Fremdenverkehr und Dienstleistungen (LHFD) im AGB 6,3 Prozent der lokalen Einrichtungen und 20,8 Prozent der Beschäftigten mit dem Tourismus verbunden – dies ist laut der ein absoluter Rekord in Italien, wobei der Anteil der Beschäftigten im Tourismus knapp unter zehn Prozent liegt. Das Aostatal, das Trentino und Sardinien folgen im Ranking, während das Piemont und die Lombardei die Schlusslichter der Liste bilden.
Arbeitnehmer im Tourismus
Im Jahr 2022 waren 39.090 Arbeitnehmer im Südtiroler Tourismus beschäftigt, was 4,1 Prozent der Beschäftigten in diesem Sektor in Italien entspricht.
16 Prozent von diesen wiederum sind fest angestellt, was deutlich über dem italienischen Durchschnitt von zwölf Prozent liegt und von einer solideren und weniger saisonalen Unternehmensstruktur zeugt.
24 Prozent der Angestellten im Tourismus sind Einwanderer. Auch diese Zahl ist höher als der italienische Durchschnitt (17 Prozent), was auf eine hohe Anziehungskraft und auch Integrationsfähigkeit hinweist.
Von den im Jahr 2022 eingestellten Arbeitnehmern fallen laut ANPAL 69 Prozent in die Kategorie „Qualifizierte Berufe in Handel und Dienstleistungen“.
Touristenströme in Einklang bringen
Angesichts des rasanten Anstiegs der weltweiten touristischen Nachfrage, die durch Großereignisse wie die Corona-Pandemie nur vorübergehend eingebremst wurde, besteht laut LHFD die Herausforderung für immer mehr Reiseziele nicht mehr nur in der „Bekanntmachung“ oder im „Anziehen“ von Menschen, sondern vielmehr darin, die Touristenströme mit den Merkmalen der Reiseziele selbst in Einklang zu bringen: mit ihrer Identität und ihrer Lebensweise.
Es gehe also mehr und mehr darum, die Gäste in einem Kontext der alltäglichen Normalität zu empfangen, ohne sie zu stören, damit sie im Laufe der Zeit genau die Eigenschaften bewahren können, die die Orte einzigartig machen – angenehm für diejenigen, die dort leben, und bewundernswert für diejenigen, die sie besuchen.
Im Grunde gelte es, ein Gleichgewicht zwischen dem Risiko der “leeren Wüste” auf der einen Seite und der Gefahr der Überlastung, des „übermäßigen Andrangs“ auf der anderen Seite zu finden.
Reiseziele sind keine Maschinen
Gleichzeitig gehe es zunehmend darum, nicht nur die Schönheit der Ortschaften, sondern vor allem deren Werte mit den Gästen selbst zu teilen. Nicht nur neue Technologien würden neue Entwicklungen im Tourismus ermöglichen. Reiseziele sind keine Maschinen, sondern werden von Menschen gestaltet und geprägt.
Orte, die bei Touristen beliebter sind und wohin viele Menschen ziehen möchten, um dort zu leben, sind zunehmend durch ein „menschenzentriertes“ Paradigma gekennzeichnet, wie die LHFD erklärt. Neben bestimmten Schlüsselelementen wie Sicherheit, Gesundheit, Effizienz der Dienstleistungen und der wichtigsten Infrastrukturen umfasse dies auch die Qualität der Beziehungen zwischen den Menschen.
Den Beschäftigten im Tourismus kommt dabei laut LHFD eine zentrale Bedeutung zu. „Viele Fremdenverkehrsorte denken heute darüber nach, Systeme und Kontexte zu schaffen, in denen die Beziehung zwischen der lokalen Gemeinschaft und den Gästen über das rein kommerzielle Moment hinausgeht und als menschlich intensiv und befriedigend angeboten wird. Dabei werden die Beschäftigten im Tourismus zu Protagonisten und die Qualität ihrer Arbeit wird zur Qualität des touristischen Produkts vor Ort“, erklärt die LHFD.