AFI-Frühjahrsanalyse

Nach Trumps Zollschock: Südtirols Wirtschaft zeigt sich robust

Donnerstag, 10. April 2025 | 10:20 Uhr

Von: luk

Bozen – Mit sinkenden Zinsen, rückläufiger Inflation und stabilen Arbeitsmärkten war Europas Wirtschaft vielversprechend ins Jahr 2025 gestartet. Doch dann folgte Donald Trumps Ankündigung neuer Handelszölle – und seit dem 1. April steht die Weltwirtschaft Kopf. Südtirol zeigt sich bislang widerstandsfähig, die Stimmung unter den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bleibt verhalten optimistisch. Und doch ist klar: Auch Südtirols Wirtschaft wird sich auf die veränderten Spielregeln neu einstellen müssen.

„Zum jetzigen Zeitpunkt eine Standortbestimmung der Südtiroler Wirtschaft vorzunehmen und die voraussichtliche Entwicklung in den nächsten zwölf Monaten vorzuzeichnen, ist ein besonders schwieriges Unterfangen“, schickt AFI-Direktor Stefan Perini voraus und ergänzt „Es gibt nämlich ein ‚vor dem 1. April‘ und ein ‚nach dem 1. April‘. Die meisten Frühjahrsgutachten internationaler Forschungsinstitute basieren noch auf der Situation bevor US-Präsident Donald Trump den ‚Tag der Befreiung‘ ausgerufen hat.“

Der OECD-Report von März ging mit Blick auf 2025 noch von einem Wachstum von +3,1 Prozent für die Weltwirtschaft aus, +2,2 Prozent sollten es für die USA werden, +1,0 Prozent für den Euro-Raum, +0,7 Prozent für Italien und +0,4 Prozent für Deutschland. Die Inflation hatte sich weitgehend normalisiert und war auf „Unbedenklichkeitsniveau“ gesunken; die Arbeitsmärkte zeigten sich stabil und in den führenden EU-Ländern sanken die Arbeitslosenraten. Allerdings hatte die EZB nach diversen aufeinanderfolgenden Zinsschritten die Absenkung der Leitzinsen vorerst eingestellt und die Aktienmärkte unterbrachen zeitweilig ihren Höhenflug.

Dann kam Donald Trump und machte alle vorherigen Berechnungen und Prognosen obsolet. Mit 1. April kündigte der US-Präsident die Einführung von reziproken Handelszöllen in Höhe und Umfang an (für die EU sind es 20 Prozent), wie man es im letzten Jahrhundert nicht gesehen hatte. Was folgte waren starke Kurseinbrüche an den internationalen Leitbörsen, vergleichbar mit Zeiten, die an die Lehman-Krise oder an den Ausbruch der Coronapandemie erinnerten. Aktuell verharren die Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft in einem Klima der Verunsicherung. Des Weiteren bestehen, zumindest in der EU, diverse Auffassungen über die Schärfe der Reaktion. Die ersten Wirtschaftsforschungsinstitute haben bereits die Wachstumsraten für 2025 nach unten revidiert, und zwar um ca. einen halben Prozentpunkt.

DIE ECKDATEN FÜR SÜDTIROL: Ausdruck einer weitgehend gesunden Wirtschaft

Die Daten decken nun 2024 vollständig ab – einzelne sind sogar schon für die ersten Jahresmonate 2025 verfügbar. Südtirols Arbeitsmarkt expandierte auch 2024: +1,6 Prozent war der Beschäftigungszuwachs 2024, +1,4 Prozent sind es in den ersten drei Jahresmonaten 2025. Allerdings zeigten sich erste Schwächesignale im vierten Quartal 2024, wie aus der ASTAT-Arbeitskräfteerhebung deutlich wird. Der Außenhandel nahm 2024 zu (+3,2 Prozent bei den Exporten, +5,1 Prozent bei den Importen) – auch hier folgte allerdings auf drei gute Quartale ein schwaches viertes. Die touristischen Nächtigungen erreichten eine neue Rekordmarke (+2,6 Prozent zum Vorjahr). Die Inflation bildete sich in Bozen stark zurück und brachte sich im Jahresschnitt auf 1,7 Prozent. In den ersten beiden Jahresmonaten 2025 zieht sie wieder etwas an, und zwar auf 2,5 Prozent. Im Fahrwasser sinkender Zinsen erholte sich das von Südtiroler Banken eingeräumte Kreditvolumen in der zweiten Jahreshälfte schrittweise – die Jahres-Endbilanz bleibt allerdings noch negativ (-4,4 Prozent).

DIE STIMMUNG: Ungebrochene Zuversicht

Südtirols Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bleiben auch im März 2025 bemerkenswert zuversichtlich. Die Erwartungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung Südtirols in den nächsten zwölf Monaten bleiben positiv (Index: +12), des Weiteren rechnet man kurzfristig nicht mit einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen. Das Risiko, den eigenen Arbeitsplatz zu verlieren, bleibt weiterhin so gut wie nicht existent. Die Fähigkeit, mit dem Lohn über die Runden zu kommen, hat sich weiter etwas aufgehellt – der Indexwert von -1 signalisiert allerdings, dass nach wie vor die Zahl von Arbeitnehmer überwiegt, die „größere“ oder „einige“ Schwierigkeiten angeben. Auch mit Blick auf die Möglichkeit, in den nächsten zwölf Monaten Geld anzusparen, kommt zum zweiten Mal in Folge ein positives Signal. Relativ deutlich eingetrübt haben sich die Perspektiven, einen gleichwertigen Job zu finden. Ob dies als weiteres Signal gewertet werden muss, das auf einen schwächelnden Arbeitsmarkt hindeutet, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.

BIP-PROGNOSE FÜR SÜDTIROL: +0,8 Prozent im Jahr 2025 als obere Referenz

Internationale konjunkturelle Schwankungen treffen Südtirol erfahrungsgemäß abgeschwächt und zeitverzögert. Gründe dafür sind der vergleichsweise geringe Internationalisierungsgrad der Südtiroler Wirtschaft, die Fokussierung auf Nischenprodukte, der Tourismus sowie die stabilisierende Rolle von Selbstverwaltung, Landeshaushalt und öffentlichem Dienst.

Trotz der aktuellen globalen handelspolitischen Spannungen bleibt das Vertrauen der Südtiroler Arbeitnehmer in die wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten zwölf Monaten intakt. Gleichwohl stehen zentrale Indikatoren wie Produktionskosten, Verbraucherpreise und die Inanspruchnahme der Lohnausgleichskasse in naher Zukunft „unter Beobachtung“.

AFI-Direktor Stefan Perini: „Das AFI hält für 2025 an seiner Wachstumsprognose von +0,8 Prozent fest, da derzeit keine datenbasierten Anzeichen für eine international bedingte Konjunkturabschwächung vorliegen – wenngleich wir uns bewusst sind, dass sich unsere Prognose damit am oberen Rand bewegt.“

 

Bezirk: Bozen

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