Von: luk
Bozen – Heute (4. Juni) hat der EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Vytenis Andriukaitis, mit Landeshauptmann Arno Kompatscher dessen Konzept für eine nachhaltige EU-Lebensmittelpolitik und die möglichen nächsten Schritte innerhalb der EU weiter vertieft. Andriukaitis hat in Aussicht gestellt, dass dies als ein EU-Pilotprojekt lanciert werden könnte. Südtirol würde sich dann dafür bewerben, an der Pilotstudie teilzunehmen und damit beginnen, beispielsweise in Schulen und Krankenhäusern mehr natürliche, regionalen Lebensmittel zu verwenden. “Es besteht die Notwendigkeit, sofort aktiv zu werden – ein Pilotprojekt ist die Lösung dazu”, sagte Andriukaitis beim heutigen Pressestatement.
“Mein Konzept wendet einen 360-Grad-Ansatz an”, erklärte der Landeshauptmann. Nachhaltige Lebensmittelpolitik umfasse nämlich eine Reihe von Themen, allen voran eine nachhaltige Herstellung, kurze Produktionsketten und Regionalität, die Förderung von kleinbäuerlichen Strukturen, höhere Biodiversität und Tierschutzstandards, aber auch die Erziehung zu gesunder Ernährung und die gesetzliche Möglichkeit für öffentliche Verwaltungen, beim Einkauf regionalen Produkten den Vorzug zu geben. Zudem sollten die bürokratischen Hürden in Zusammenhang mit lokalen Lebensmitteln reduziert werden, die viele Bauern vor einer Eigenvermarktung abhalten. Auch müsse die Fachterminologie und die Etikettierung europaweit auf eine vergleichbare Ebene gebracht werden. Und schließlich sollen die Umweltauswirkungen des Nahrungsmittelsystems vor Ort überwacht werden. Geplant sind lokale Gremien, die Initiativen zu Förderung der regionalen Lebensmittel anstoßen und verfolgen.
Man kann noch mehr tun
“Die EU kann die Voraussetzungen schaffen, damit die Kette der Lebensmittelproduktion kürzer werden und gesunde Nahrung zu einem sozial annehmbaren Preis verfügbar wird”, betonte der Kommissar und gelernte Arzt. Falsche Ernährung hätte schließlich in der westlichen Welt unnötige gesundheitliche Probleme mit sich gebracht. “Südtirol ist in jeder Beziehung eine sehr grüne Region und steht diesbezüglich schon gut da, aber das Konzept von Landeshauptmann Kompatscher ermöglicht es, noch mehr zu tun”, sagte Andriukaitis. Er fordere Wissenschaftler dazu auf, Forschungsprojekte zu nachhaltigen Lebensmittelsystemen in die Hand zu nehmen.
“Die EU, das sind Sie und ich”
Dieses Projekt zeigt letztlich, wie es auch regionale Bedürfnisse bis an die Spitze der EU-Kommission schaffen können. “Die EU, das sind Sie und ich”, betonte Andriukaitis gegenüber den Journalisten. “Diese Region ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Politik über die Gesetzgebung Nachhaltigkeit fördern kann.” Andriukaitis lobte Südtirols darüber hinaus für seinen sorgsamen Umgang mit Ressourcen. Ein Beispiel sei die Initiative gegen die Lebensmittelverschwendung.
Von einem Journalisten auf die Glyphosat-Diskussion angesprochen, betonte der EU-Kommissar, dass sich der Beschluss aller EU-Mitgliedsstaaten, Glyphosat weiterhin zu erlauben, jenseits von Gerüchten, auf unabhängige Studien stütze. Diese würden eine krebserregende Wirkung des Unkrautvernichtungsmittels als unwahrscheinlich bewerten. Darüber hinaus habe jeder Mitgliedsstaat eigenständig die Möglichkeit, nur Mischungen von nachhaltigen Pflanzenschutzmitteln zu erlauben. “Wesentlich ist es letztlich, dass diese Mittel mit Sorgfalt eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang kann das Land Südtirol als ein Vorbild angesehen werden, weil es in der Kontroverse zwischen den unterschiedlichen Instanzen und Standpunkten vermittelt hat”, unterstrich Andriukaitis.
Tagung im NOI Techpark
Für den Landeshauptmann sei Südtirol der ideale Ort, um ein EU-Pilotprojekt im Zusammenhang mit seinem Konzept zu starten, auch weil Südtirols Forschungsinstitutionen Unibz, Eurac und Laimburg sehr aktiv im Bereich der Lebensmitteltechnologien seien. “Gerade hier im NOI Techpark entstehen innovative und nachhaltige Projekte in Zusammenhang mit Lebensmitteln, die für eine gemeinsame EU-Politik nützlich sein können. Diese folgen den Prinzipien der smarten Spezialisierung nach der europäischen RIS3-Strategie”, sagte Kompatscher bei seiner Eröffnungsrede der Tagung im NOI Techpark, die Kompatschers Konzept näher beleuchtet hat und an der auch der EU-Kommissar aktiv teilnahm.
An einer anschließenden Podiumsdiskussion nahmen teil: Eurac-Präsident Roland Psenner, Unibz-Präsidentin Ulrike Tappeiner, der Präsident der Mach-Stiftung in St.-Michael an der Etsch, Andrea Segrè und der Soziologieprofessor der Uni Innsbruck, Markus Schermer.