Von: mk
Sexten – Wohl jeder Motorradfahrer in Europa kennt die Dolomitenpässe – zumindest vom Hörensagen. Was in der Vergangenheit dazu beigetragen hat, die Dolomiten weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt zu machen, bedroht nun ihre Schönheit: Eine Million Fahrzeuge befahren jährlich die Passstraßen um den Sella – rund ein Viertel aller Autos und Motorräder, die jedes Jahr nach Südtirol gelangen. Verkehrsbeschränkungen beäugen Tourismusbetreiber skeptisch. Forscher raten jedoch zum Umdenken: In der Mobilität neue Wege zu gehen, sei eine Chance neue Gäste anzusprechen. Die Stiftung Dolomiten Unesco, Eurac Research, der Tourismusverein Sexten und der Tourismusverband „Drei Zinnen“ luden letzten Montag Fachleute aus dem Gastgewerbe und der öffentlichen Verwaltung dazu ein, sich über diese Aspekte auszutauschen.
Auf Initiative der Landesregierungen von Trient und Bozen blieb das Sellajoch diesen Sommer jeden Mittwoch für den Verkehr geschlossen und zeigte sich von einer anderen, bislang unbekannten Seite. Viele Gäste kamen aufgrund der gesperrten Passstraße, meinen die Forscher von Eurac Research. Die Experten sind überzeugt, dass Verkehrsbeschränkungen eine Chance sind, um neue Zielgruppen anzusprechen. Dies sei allerdings nur möglich, wenn man den Gästen einen Mehrwert biete: Neben einem vielfältigen Unterhaltungsangebot, Kulturveranstaltungen und anderen Initiativen, sei ein gut funktionierendes öffentliches Transportsystem grundlegend. „Während ihres Urlaubs in Südtirol benutzen mehr als die Hälfte der Gäste das Fahrzeug. Um dem entgegenzutreten, müssen wir dem Gast die Möglichkeit bieten, alle öffentlichen Verkehrsmittel, von Bus bis Seilbahn, miteinander zu kombinieren. Auch gemeinschaftlich nutzbare Verkehrsmittel wie das Carsharing könnten das bestehende Angebot ergänzen und so völlig neue Zielgruppen ansprechen“, so Anna Scuttari von Eurac Research.
Diese Überlegungen gehen auf umfassende Studien im Unesco-Gebiet zurück, mit denen die Experten von Eurac Research die örtlichen Verwaltungen und die Stiftung Dolomiten UNESCO seit 2013 bei ihrer Arbeit unterstützen. In den letzten Jahren haben die Forscher Verkehrsflüsse und Umweltbeeinträchtigungen untersucht und Interviews mit Gästen und Tourismusbetreibern geführt.
Wie man die Schönheit des Territoriums wahren und die Dolomiten als Kultur- und Naturerbe aufwerten kann – auch darüber diskutierten die Experten beim Forum in Sexten. Die Tourismusbetreiber fordern eine verbesserte Koordinierung der Behörden – eine Herausforderung, wenn man bedenkt, dass sich das Dolomitengebiet auf fünf Provinzen, 127 Gemeinden und 9 Gebirgssysteme erstreckt. Zum Thema Schönheit schlugen sie vor, die öffentlichen Verkehrsmittel optisch ansprechend zu gestalten.
Die Forscher werden die Anregungen des Sextner Forums in ihre Arbeit einfließen lassen, um die touristische Nutzung der Dolomiten und ihren Schutz miteinander in Einklang zu bringen. Das Dolomites Unesco Forum wird in Zukunft jährlich stattfinden. „Für einen erfolgreichen Übergang zu mehr Nachhaltigkeit ist es grundlegend, sich regelmäßig mit den Fachleuten aus der Tourismusbranche zu beraten“, so Harald Pechlaner von Eurac Research.