Von: mk
Bozen – Über Zustand und Schutz der Bienenvölker in Südtirol wurde heute bei einer Pressekonferenz informiert.
Bienen leisten durch ihre Bestäubungsarbeit einen unschätzbar wichtigen Beitrag für unser Ökosystem. Bereits seit Jahren wird jedoch weltweit ein Rückgang der Bienenvölker verzeichnet. Wie steht es um die Situation der Bienenvölker in Südtirol, insbesondere jener Völker, die sich in und um Obstbaulagen befinden? Was wird unternommen, um die Bienen zu schützen? Diese Fragen wurden nun im Rahmen einer Pressekonferenz erörtert.
Bienen – ein Mehrwert für Südtirol
Die Imkerei hat in Südtirol schon immer eine wichtige Rolle gespielt. In Südtirol gibt es rund 37.000 Bienenvölker, darüber hinaus sind hierzulande 460 verschiedene Arten von Wildbienen bekannt. Die Landwirtschaft hat wesentlich zu dieser Artenvielfalt beigetragen, denn erst durch die Kulturlandschaften konnten sich viele Arten – Pflanzen und Tiere – ansiedeln und ausbreiten, betonte Agrarlandesrat Schuler zur Eröffnung der Pressekonferenz. Landwirtschaft und Bienen seien aufeinander angewiesen und profitieren voneinander. Darum seien Obstwirtschaft und Imker Partner mit gemeinsamen Interessen, die in engem Kontakt miteinander gemeinsam Lösungen zum Wohle der Bienen erarbeiten, bekräftigte Schuler.
Der Apfelanbau gehört zur Imkerei und die Imkerei zum Apfelanbau
Die Imkerei hat in den Südtiroler Bauernfamilien eine lange Tradition. Zahlreiche Obstbauern betreiben gleichzeitig auch Imkerei, ob als Hobby oder als Nebenerwerb, erklärte Georg Kössler, Obmann des Südtiroler Apfelkonsortiums. Wenn man zusammenlebt, gebe es jedoch auch immer wieder Anlass für kleinere oder größere Diskussionen. Die Obstwirtschaft freue sich darum in Zusammenarbeit mit dem Versuchszentrum Laimburg und den Imkern neue Maßnahmen erarbeiten zu können, die dem Wohle aller dienen, betonte Kössler.
Forschung zum Thema Bienen und Imkerei am Versuchszentrum Laimburg
Das Versuchszentrum Laimburg ist die Forschungseinrichtung für die Südtiroler Landwirtschaft; für die Arbeit der Laimburg seien die Bienen darum von großer Bedeutung, so Laimburg-Direktor Michael Oberhuber. Im Rahmen des Projekts Apistox standen nun erstmals größere Ressourcen zur Verfügung und das Monitoring konnte gemeinsam mit den involvierten Partnern durchgeführt werden. Finanziell unterstützt wurde das Projekt Apistox vom Amt für Landwirtschaft und vom Südtiroler Apfelkonsortium; wichtige Ressourcen wurden auch vom Südtiroler Imkerbund über dessen Mitglieder eingebracht.
Ergebnisse des Forschungsprojekts Apistox vorgestellt
Welche Auswirkungen kann der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Obstbau auf Bienenvölker haben? Diesen und anderen damit in Verbindung stehenden Fragen ist das Forschungsprojekt Apistox nachgegangen, das nun am Versuchszentrum Laimburg abgeschlossen wurde. 2013 waren hauptsächlich im Imkereibezirk Burggrafenamt erhöhte Flugbienenverluste im Stockbereich, eine schleppende Volksentwicklung und Verfliegen (leere Beuten) beobachtet worden. Es kam die Vermutung auf, dass diese Beobachtungen mit der Intensivierung der Bekämpfungsmaßnahmen zur Eindämmung der Apfeltriebsucht in Zusammenhang stehen könnten. Darum haben die Experten des Versuchszentrums Laimburg im Rahmen eines dreijährigen Bienenmonitorings (2014–2016) untersucht, ob es räumliche und zeitliche Zusammenhänge zwischen dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Obstbau und dem Auftreten von Anomalien an Bienenvölkern um bzw. während der Bienenwanderung gibt. Dazu wurden Volksentwicklung und Sterblichkeit zwischen Völkern im Apfeltriebsuchtgebiet und Gebieten mit geringer Triebsuchtverbreitung verglichen.
Die Ergebnisse:
1. Die Bienenvölker in den beiden Untersuchungsgebieten wiesen keine bemerkenswerten Unterschiede auf.
2. Außerhalb der Bienenschutzzeit, vor allem nach der Blüte, wurde eine erhöhte Sterblichkeitsrate von Bienen im Stockbereich beobachtet, die den Wissenschaftlern zufolge auf die Kombination dreier Faktoren zurückgeführt werden kann: die Nachblütebehandlungen im Obstbau, das Trachtangebot nach der Apfelblüte und das Verhalten der Sammelbienen. Nach der Obstblüte fliegen die Sammelbienen wieder verstärkt zurück in die Obstanlagen, da ihnen außerhalb der Anlagen nur ein reduziertes Angebot zur Nahrungsbeschaffung zur Verfügung steht. Sie suchen verstärkt Blüten im Unterwuchs der Apfelanlagen auf (z. B. Löwenzahn oder Spitzwegerich). Wenn trotz des obligatorischen Mulchens noch bzw. nach dem Mulchen wieder blühender Unterwuchs vorhanden ist und darauf Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden – etwa im Rahmen von Nachblütebehandlungen gegen Blattläuse – können Bienen in Kontakt mit diesen Pflanzenschutzmitteln kommen, was zu einem erhöhten Bienensterben führen kann.
3. Die Regelung des Ausbringungsverbots von Pflanzenschutzmitteln nach Höhenlagen (Landesgesetz Nr. 8 vom 15.04.2016) hat sich für die Bienenvölker in Grenzlagen als kritisch herausgestellt. Im Rahmen der Apistox-Untersuchungen zeigte sich, dass Sammelbienen weit längere Distanzen zurücklegen als bislang angenommen und auf der Suche nach Nahrung von höheren Lagen in tiefere Lagen ausfliegen, wo Spritzungen eventuell noch im Gange sind, und auf diese Weise in Kontakt mit Rückständen von Pflanzenschutzmitteln kommen.
4. Die Entwicklung der Bienenvölker in Obstbaugebieten bleibt im Vergleich zu Völkern außerhalb von Lagen mit Intensivobstbau hinter den Erwartungen zurück. Völker an Standorten außerhalb von Obstbaugebieten setzen die im Frühjahr gezogene Brut besser in Bienen um.
Nach der Präsentation der Projektergebnisse wurden verschiedene Maßnahmen vorgestellt, die vonseiten der Imker, der Obstwirtschaft und der Politik getroffen werden, um die Bienen noch besser zu schützen.
Zahlreiche Maßnahmen in der Landwirtschaft ergriffen
In Südtirol sei das Wissen rund um den sachgemäßen Pflanzenschutz dank Forschungseinrichtungen wie dem Versuchszentrum Laimburg und den Beratungsdiensten auf höchstem Niveau und dementsprechend gezielt erfolge auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, erklärte Harald Weis, Obmann der Arbeitsgruppe für den Integrierten Obstanbau in Südtirol (Agrios). Der Schutz der Bienen stehe dabei schon seit jeher im Fokus der Programmerstellung des integrierten Anbaues und für den Bienenschutz werden umfassende Maßnahmen in verschiedenen Bereichen getroffen:
Im Bereich des Pflanzenschutzes wird, wo es möglich ist und wo Alternativen vorhanden sind, auf bienengefährliche Mittel verzichtet. So wurde 2017 der Wirkstoff Chlorpyrifos-Ethyl aus dem Agrios-Programm gestrichen. Bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln konnten ebenfalls deutliche Verbesserungen erreicht werden: Auf über 80 % der Südtiroler Obstbaufläche kommt die neue, abdriftmindernde und zielgenauere Technik zum Einsatz, die ab 2019 im Agrios-Programm verpflichtend ist. Durch die zielgenauere Ausbringung wird auch verhindert, dass blühende Pflanzen, die an die Anlagen angrenzen, in Berührung mit Pflanzenschutzmitteln kommen. Außerdem dürfen Mittel mit nachgewiesenen negativen Auswirkungen auf Bienen nur außerhalb des Bienenfluges eingesetzt werden. Im Bereich Bodenpflege wurde zum Schutz der Bienen das alternierende Mulchen als ökologische Maßnahme aus dem Agrios-Programm gestrichen. Darüber hinaus bemühe sich die Südtiroler Obstwirtschaft um Information und Weiterbildung der Landwirte im Bereich Pflanzenschutz und Umwelteinflüsse und beteilige sich an der Finanzierung wissenschaftlicher Studien in Bezug auf Pflanzenschutz und Pflanzengesundheit wie z. B. Apistox, unterstrich Weis.
Vereinbarung zum Bienenschutz unterzeichnet
Im Namen des Südtiroler Imkerbunds zeigte sich dessen Obmann Engelbert Pohl erfreut, dass durch das Apistox-Programm Klarheit bezüglich der Situation der Bienenvölker in Südtirols Obstbaulagen geschaffen worden sei. Ein weiterer wichtiger Schritt zum Wohle der Imkerei stelle die Vereinbarung zum Bienenschutz dar, die am 24.01.2017 von Südtiroler Bauernbund; Südtiroler Imkerbund; Julius-Kühn-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen in Deutschland; Südtiroler Apfelkonsortium, Konsortium Südtiroler Wein, Beratungsring für Obst- und Weinbau, Beratungsring für Berglandwirtschaft (BRING), Versuchszentrum Laimburg und dem Amt für Obst- und Weinbau unterzeichnet wurde. Die Vereinbarung sieht die Errichtung einer permanenten technischen Arbeitsgruppe vor, die die Gesundheit der Südtiroler Bienenvölker monitorieren und Vorschläge für Maßnahmen zur Förderung der Bienengesundheit und der Verbesserung der Bedingungen für die heimische Imkerei erarbeiten soll.
Landesgesetz mit Maßnahmen zum Bienenschutz
Abschließend wies Agrarlandesrat Arnold Schuler darauf hin, dass es bereits zahlreiche gesetzliche Vorgaben zum Bienenschutz gebe. Im Landesgesetz Nr. 8 vom 15.04.2016 („Bestimmungen auf dem Gebiet des Pflanzenschutzes“) wird der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln während der Obstblüte zum Schutz der Bienen geregelt. Darüber hinaus sollen noch weitere Maßnahmen bzgl. der Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln, der Ausbringungszeiträume und der Verbesserung des Bienenhabitats ergriffen werden. Wichtig sei es auch das Monitoring-Programm weiterzuführen, betonte Schuler, und kündigte an, dass das ursprünglich auf drei Jahre angelegte Apistox-Programm nicht nur weitergeführt sondern auch auf weitere Kulturen wie etwa auf Beeren- und Steinobst oder den Bioanbau ausgeweitet werde.
Bienen in Südtirol
Im Frühling befinden sich ca. 300.000.000 Flugbienen in den Apfelanlagen, die 160.000.000.000 Apfelblüten anfliegen und bestäuben können. Südtirol zählt mit 18.500 ha Apfelanbaufläche zu den größten Apfelanbaugebieten Europas. Zudem sind 5.400 ha mit Reben bepflanzt. In Südtirol stehen 14.000–15.000 Bienenvölker im Obst- und Weinbaugebiet; zusätzlich werden jährlich 6.000–7.000 Bienenvölker aus den höheren Gebieten zur Obstblüte gebracht. Im Vergleich zu anderen Ländern weist Südtirol mit fünf Völkern pro km2 eine sehr hohe Bienendichte auf; in den Obstanlagen ist die Bienendichte sogar doppelt so hoch. In den umliegenden Ländern ist dieser Wert in der Regel tiefer: In Österreich liegt die Bienendichte bei 3,8 km², in Deutschland gar nur bei 1,9 Völkern pro km².
(Daten: Südtiroler Apfelkonsortium)