Neuer EU-Agrarkommissar Hansen bei seinem Antrittsbesuch in Wien

Neuer EU-Kommissar will weniger Papierkram für Bauern

Montag, 20. Januar 2025 | 21:03 Uhr

Von: apa

Der neue EU-Agrarkommissar Christophe Hansen will die Bürokratie-Belastung für Bauern in Europa reduzieren und bis zum Sommer entsprechende Vorschläge vorlegen. “Die Landwirte sollten ihrer eigentlichen Arbeit nachgehen können und sich nicht mit Papierkram herumschlagen müssen”, sagte der seit Anfang Dezember 2024 amtierende EU-Kommissar am Montag bei seinem Antrittsbesuch in Wien. Die Agrarpolitik müsse vereinfacht werden, um die jüngere Bauern-Generation nicht zu verlieren.

Auf Einladung von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) besuchte Hansen am Montag einen Ackerbaubetrieb im Weinviertel. Der EU-Spitzenvertreter verwies auf die vergleichsweise vielen Jung-Landwirte in Österreich. Über 20 Prozent der österreichischen Bauern sind jünger als 40 Jahre, im EU-Schnitt sind es 12 Prozent. “In Österreich wird etwas richtig gemacht”, so der neue Agrarkommissar.

Der aus Luxemburg stammende EU-Kommissar will seine Vision für die künftige europäische Agrar- und Ernährungspolitik am 19. Februar vorstellen. “Ich arbeite an der Vereinfachung und der Sicherung einer wettbewerbsfähigeren und nachhaltigeren Zukunft für den Sektor”, sagte der konservative Politiker bei einer Pressekonferenz mit Totschnig und dem niederösterreichischen Landesvize Stephan Pernkopf (ÖVP) am Montagabend. Das Strategiepapier werde “keine hundert Seiten werden”, kündigte Hansen an.

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union (EU) macht mit rund 55 Mrd. Euro knapp ein Drittel des jährlichen EU-Haushalts aus und ist der größte Budget-Einzelposten. In Österreich wurden im Jahr 2023 auf Grundlage der GAP rund 2,6 Mrd. Euro an EU-, Bundes- und Landesmitteln für die Land- und Forstwirtschaft aufgewendet, geht aus dem “Grünen Bericht” des Landwirtschaftsministeriums hervor. EU-Fördermaßnahmen – sogenannte Direktzahlungen – in Höhe von 702 Mio. Euro erhielten hierzulande im Rahmen der 1. GAP-Säule rund 102.000 landwirtschaftliche Betriebe und Agrargemeinschaften sowie rund 30 Firmen. Im Rahmen des kofinanzierten Förderprogramms ländliche Entwicklung sowie Umwelt- und Klimaschutz (2. Säule) wurden 2023 rund 1,2 Mrd. an 102.600 Betriebe und 2.000 sonstige Förderwerber ausbezahlt. Für sonstige rein national finanzierte Fördermaßnahmen wurden 635 Mio. Euro aufgebracht.

Hansen will die EU-Agrarpolitik nicht komplett umkrempeln und wird voraussichtlich Reformvorschläge für die Förderperiode 2028-2032 heuer im Herbst vorstellen. “Die nächste GAP-Reform wird keine Revolution werden”, sagte der neue EU-Kommissar. Es gebe “viele gute Elemente” in der Gemeinsamen Agrarpolitik, “andere Sachen” würden “weniger gut funktionieren”. Unter anderem will Hansen Vereinfachungen bei den Auflagen und Meldepflichten. Er verwies auf die Bauernproteste im vergangenen Jahr in Europa.

Landwirtschaftsminister Totschnig hofft auf einen Bürokratie-Abbau durch den neuen EU-Agrarkommissar. “Die überbordende Bürokratie ist eine der größten Sorgen in der Landwirtschaft”, sagte der ÖVP-Politiker. “In den kommenden Monaten fallen in Brüssel richtungsweisende Entscheidungen für die Zukunft unserer Landwirtschaft.” Das Budget für die neue Gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP) müsse “der hohen Inflation der vergangenen Jahre Rechnung tragen”. Die aktuelle GAP-Förderperiode läuft von 2023 bis 2027.

Pernkopf wünscht sich von Hansen “einfachere Regelungen und eine Inflationsanpassung der Agrar-Direktzahlungen”. “Ein Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion in Europa, ob durch Kriege, unfaire Handelsabkommen oder überbordende Auflagen, wäre eine Gefahr für die Sicherheit”, so Pernkopf, der auch Präsident des Ökosozialen Forums ist. “Wir müssen uns jederzeit selbst versorgen können.” Der Politiker verwies auch auf die am Dienstag startende 72. Agrar-“Wintertagung” des Ökosozialen Forums, die sich unter anderem mit aktuellen Herausforderungen für die Landwirtschaft und Lebensmittel-Versorgungssicherheit beschäftigt.

Ein großes Aufregerthema bei vielen europäischen Bauern ist auch das Mercosur-Abkommen. Nach 25-jährigen Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen hat die EU-Kommission Anfang Dezember 2024 mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten eine Grundsatzvereinbarung unterzeichnet. Der in Österreich für Handel zuständige Minister ist seit 2019 vom Parlament verpflichtet, in den EU-Gremien dagegen zu stimmen. Auch Länder wie Frankreich, Italien und Polen lehnen das Abkommen ab. Deutschland und Spanien haben hingegen auf einen Abschluss der Gespräche gedrängt. Für den österreichischen Landwirtschaftsminister müssen aufgrund des Mercosur-Abkommens auf europäischer Ebene noch weitere “Abfederungsmaßnahmen” für europäischen Bauern beschlossen werden. Hansen wollte sich beim Mercosur-Abkommen auf Journalisten-Nachfrage nicht in die Karten blicken lassen. “Ich bin nicht hier um ein Plädoyer für oder gegen das Abkommen zu halten.” Er wolle sich auf “weniger Bürokratie” und “Zukunftsperspektiven” für die europäische Landwirtschaft konzentrieren.

Der neue EU-Agrarkommissar spricht sich auch für eine genauere Herkunftskennzeichnung bei verarbeiteten Lebensmitteln aus. “Da ist noch Luft nach oben.” In Österreich stand die verpflichtende Herkunftskennzeichnung von Fleisch, Milchprodukten und Eiern bei verarbeiteten Lebensmitteln bereits im Regierungsprogramm von ÖVP/FPÖ (2017-2019) und ÖVP/Grüne (2020-2024), wurde aber nicht umgesetzt. Es gehe darum, dass Konsumenten “informierte Entscheidungen” treffen, so der Agrarkommissar. Bei manchen verarbeiteten Produkten mit wenigen Zutaten sei die Kennzeichnung einfacher, “bei einer Tiefkühlpizza schwerer”.

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