Von: bba
Bozen – Per Mail kündigt die Landesregierung die Öffnung der Grundschulen an – ein Schnellschuss. Die Gesundheit der Lehrerschaft und der im “Notdienst” betreuten Kinder ist ernsthaft bedroht. Bevor überhaupt die Sicherheitsprotokolle geklärt sind, werden die Eltern dazu aufgefordert, ihre Kinder heute für den “Notdienst” an Schulen einzuschreiben. Lehrer sollen zum “Betreuer-Dienst” von 8.00-12.30 Uhr von Montag bis Freitag gezwungen werden und gleichzeitig mit dem digitalen Fernunterricht weitermachen. Es kann zwangsläufig nur damit enden, dass die eigenen Klassen Zuhause im Stich gelassen werden müssen, das Unterrichten zur Farce wird. Angedacht ist sogar ein ganztätiger Notdienst “für die Zukunft”. Der “Notdienst” sieht keinen Unterricht der betreuten Schüler vor, sondern eine Beaufsichtigung derselben.
Die Gewerkschaft SGB CISL teilt ihren Mitgliedern mit, dass mit dem gestrigen Landesregierungsbeschluss Nr. 327/2020 die Zugangskriterien der Schüler zum “Notdienst” beschlossen wurden. Nach wie vor würden jedoch die sanitären Sicherheitsprotokolle, die für einen sicheren “Notdienst” Voraussetzung sind, fehlen. Noch nicht festgelegt wurde, welche Lehrpersonen einer Risikogruppe angehören und folglich vom “Notdienst” zu befreien sind. Welche familiäre Situation eine Befreiung der Lehrerschaft vom “Notdienst” bedeutet, ist auch nicht geklärt.
Die Landesräte haben laut SGB CISL veranlasst, dass Familien mit den entsprechenden Zugangsvoraussetzungen ihre Kinder heute zum “Notdienst” einschreiben können, obwohl die sanitären Sicherheitsprotokolle fehlen. Die Anspruchsberechtigten sollen am Donnerstag erfasst- und am Freitag über eine etwaige Aufnahme in Kenntnis gesetzt werden. Der “Notdienst” beginnt laut Landesgesetz und Beschluss ab dem 18. Mai 2020. Ein späterer Beginn ist möglich, falls die Voraussetzungen für den Start des “Notdienstes” nicht gegeben sind.
Die Gewerkschaft SGB CISL hat bereits ihre Mitglieder, die eingeschriebenen Lehrpersonen, über ihre Rechte im Zusammenhang mit dem “Notdienst” in Kenntnis gesetzt. Demzufolge gilt es, Einiges zu beachten:
- Die Lehrer seien nicht dazu verpflichtet, ihre Bereitschaft zum Notdienst offiziell zu erklären. Die sanitären Protokolle sowie genaue Bestimmungen fehlen nach wie vor.
- Außerdem müssten Lehrpersonen, welche zum Notdienst eingesetzt werden, eine schriftliche Dienstanweisung mit den festgelegten, durchzuführenden Aufgaben erhalten.
- Zum Berufsprofil der Lehrperson gehöre es, zu unterrichten und zu beaufsichtigen: Betreuung könne nur freiwillig erfolgen.
- Der Schutz von Lehrpersonen, welche einer Risikogruppe angehören, müsste garantiert werden. Risikogruppen müssten daher in keinem Fall Notdienst leisten. Wer zu einer Risikogruppe gehört und wer dies attestiert, ist auch nicht geklärt. Lehrpersonen müssten die Zeit bekommen, um ein ärztliches Attest einzuholen.
- Den Lehrpersonen müsse auch die vorgeschriebene Schutzausrüstung von der Schule zur Verfügung gestellt werden. Im Fall, dass diese nicht zur Verfügung gestellt wird, könne der Dienst von den Lehrpersonen nicht geleistet werden.
- Der “Notdienst” müsse im Dreijahresplan der Schule verankert sein, Sicherheitsbericht und Risikobewertung der Schule müssten an die vorgegebenen Bestimmungen beziehungsweise Vorgaben angepasst werden.
Die voreilige Einführung eines “Notdienstes” an Südtirols Schulen durch die Landesregierung kann angesichts der neuesten Informationen nur als Hauruck-Aktion und ein Chaos mit Ansage definiert werden: Die Lehrpersonen sollen aus ihrem Fernunterricht gerissen- und in einen gesundheitsgefährdenden “Notdienst” gedrängt werden.
Der “Notdienst” führt zu einer Doppelbelastung der Lehrerschaft, soll der digitale Fernunterricht doch weiterhin bestehen bleiben.
Die Frage ist auch, ob im “Notdienst” betreute Schüler vom Fernunterricht befreit werden. Es ist zu befürchten, dass die Schüler die weiterhin Zuhause bleiben, nun alleine gelassen werden, befinden sich ihre Lehrer doch im “Notdienst”.
Lehrpersonen sind kein Gesundheitspersonal und sollten den Gesundheitsschutz der ihnen anvertrauten Kinder ohne erfolgte Schulung garantieren. Von FFP2-Masken für Lehrpersonal und Kinder keine Rede. Kinder sollten von Zuhause eine Maske mitbringen, heißt es im Beschluss der Landesregierung. Dass dies in vielen Fällen nicht erfolgen wird, kann man sich jetzt schon ausrechnen. Die Schulen und die Lehrerschaft mit dieser extrem heiklen Aktion zu überfallen, ist wahrlich gefährlich und Fehl am Platz.
Schulen würden Experten benötigen, welche die eingesetzte Lehrerschaft bezüglich der COVID-19-Prävention schulen und für die Sicherheit an der Schule sorgen.
Die Frage ist auch, ob geschultes Raumpfleger-Personal eingesetzt wird, das die Räume und Flächen sowie kontaminierte Toiletten regelmäßig reinigt. Für Sicherheit und Gesundheitsüberwachung muss gesorgt werden, will man nicht neue Infektionsherde züchten.
Es scheint, dass die italienische Schule verantwortungsbewusster an die Sache herangeht und das Unheil mit aller Kraft abwenden will. Die deutsche und ladinische Schule sollte diesem Beispiel von Zivilcourage folgen und geeint für die Lehrerschaft eintreten, die bis dato im Stich gelassen wurde. Die Gewerkschaft UIL SCUOLA – SKG SCHULE hat sich letztens ebenfalls sehr stark für die Lehrerschaft eingesetzt, hält ihre Mitglieder als auch Interessierte stets auf dem Laufenden.
Obwohl die Provinz derweil schon ihre Kinder-Sommerkurse annulliert haben soll, werden Lehrpersonen ins geplante Chaos gejagt, noch schnell vor Schulende zum “Notdienst” gezwungen. Der “Corriere dell’ Alto Adige” hat heute in seinem Beitrag “Scuole riaperte. Rischio caos” treffend darauf hingewiesen, dass die Gesundheitsvorsorge nichts ist, was man kurzerhand improvisiert: COVID-19 kann zum Tod führen. Jedes Opfer ist eines zu viel. Lehrpersonen und Schüler müssen geschützt werden. Serologische Tests und Temperaturmessungen an Lehrpersonal und betreuten Schülern sind schon mal nicht vorgesehen. Ein chaotisches Vorpreschen ist auf jeden Fall zu meiden.