Von: apa
Österreichs Arbeitsmarkt ist gleich mit mehreren strukturellen Herausforderungen konfrontiert: Die Bevölkerung wächst vor allem bei den über 65-Jährigen, während die Erwerbstätigen stagnieren. Gleichzeitig bleibt die Erwerbsbeteiligung Älterer in Österreich unter dem EU-Schnitt, Österreich hat nach Holland die zweithöchste Teilzeitquote in der EU. Laut Statistik Austria arbeitet mehr als die Hälfte der Frauen über 35 in Teilzeit.
Während sich Österreichs Arbeitsmarkt trotz der schwächelnden Wirtschaft kurzfristig relativ stabil entwickelt, steht er längerfristig vor großen strukturellen Problemen. Laut Prognose der Statistik Austria wird Österreichs Bevölkerung bis zum Jahr 2080 auf über 10 Millionen anwachsen – allerdings findet dieses Wachstum vor allem bei den über 65-Jährigen statt, erklärte die stellvertretende Leiterin der Direktion Bevölkerung in der Statistik Austria, Matea Paškvan, am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien.
Die Zahl der Arbeitslosen ist 2023 im Vergleich zum Vorjahr zwar um 19.700 auf 240.900 gestiegen, aber auch die der Erwerbstätigen ist um 40.400 auf gut 4,5 Millionen angewachsen, berichtete Statistik-Generaldirektor Tobias Thomas. Dennoch konnten viele Stellen nicht besetzt werden. Die Zahl der offenen Stellen ist zwar gesunken, sie lag mit 206.400 im Jahresdurchschnitt aber weiter auf hohem Niveau. “Aufgrund des demografischen Wandels wird sich der Arbeitskräftemangel künftig eher noch verschärfen”, sagt Thomas.
Neben der hohen Teilzeitquote stellt die im EU-Vergleich unterdurchschnittliche Erwerbsbeteiligung der über 55-Jährigen eine strukturelle Herausforderung für den Arbeitsmarkt dar. Während 2022 im EU-Schnitt 62,3 Prozent der 55- bis 64-Jährigen erwerbstätig waren, betrug diese Quote in Österreich nur 56,4 Prozent. In Schweden waren es 77,3 Prozent – am anderen Ende des Rankings lag Luxemburg mit 46,6 Prozent.
Dabei ist die Erwerbstätigenquote Älterer in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen: Im Jahr 2004 hat gerade einmal jeder bzw. jede Vierte im Alter von 55 bis 64 Jahren noch gearbeitet (Erwerbstätigenquote: 27,1 Prozent), im Jahr 2023 war es bereits mehr als jeder Zweite (57,3 Prozent). Insgesamt betrug die Erwerbstätigenquote der 15- bis 64-Jährigen 74,1 Prozent.
Ältere Personen werden oft als mögliches Reservoir zur Bewältigung des Arbeitskräfte- bzw. Fachkräftemangels genannt – allerdings würden nur 76.500 der derzeit nicht-erwerbstätigen Personen zwischen 55 und 74 Jahren wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen wollen, das sind nur 5,6 Prozent. Selbst in der Gruppe der 55- bis 59-Jährigen ist es nicht einmal jeder Vierte.
Bei der Teilzeitbeschäftigung fallen die Österreicher und Österreicherinnen noch mehr aus dem EU-Rahmen: Mit 30,5 Prozent ist die Teilzeitquote hier die zweithöchste nach Holland (43,4 Prozent). Das ist vor allem ein weibliches Phänomen: 2023 waren mehr als eine Million Frauen teilzeiterwerbstätig, gut dreimal so viele wie Männer. Ab 35 Jahren arbeitet sogar die Mehrheit der Frauen in Teilzeit. Ein wesentlicher Grund dafür ist Kinderbetreuung: Jedes zweite Kind hat eine Betreuung, die keine Vollzeitarbeit ermöglicht.
Laut Paškvan geben 39 Prozent der Frauen, die in Teilzeit arbeiten, Betreuungspflichten für Kinder und ältere Angehörige als Gründe an. Allerdings sagen auch über 70 Prozent der Frauen, dass sie selbst betreuen möchten.
ÖGB-Vizepräsidentin und Frauenvorsitzende Korinna Schumann sieht das anders: “Mehr als die Hälfte der Frauen arbeitet Teilzeit und das fast ausschließlich, weil sie Betreuungspflichten nachgehen müssen”, meinte sie in einer Reaktion. “Von echter Wahlfreiheit, die in diesem Zusammenhang so oft erwähnt wird, kann hier keine Rede sein.”
Für die geringe Erwerbsbeteiligung der 55- bis 64-Jährigen macht sie vor allem die Unternehmen verantwortlich: “Unternehmen müssen auch dieser älteren Gruppe die Chance auf einen Arbeitsplatz geben.” Die Qualifikationen von Migranten müssten rasch gratis festgestellt und ihnen angerechnet werden, damit sie arbeiten können, so Schumann.