Von: mk
Bozen – Im Herbst präsentiert Südtirols Wirtschaft eine Zwischenbilanz 2024, die sich durchaus sehen lassen kann. Nach einem Zuwachs von +0,5v Prozent in diesem Jahr dürfte diese, dank des erwarteten freundlicheren konjunkturellen Umfelds, auch 2025 um +1,0 Prozent wachsen. Hauptschwierigkeiten bleiben die knappen Kassen vieler Arbeitnehmerfamilien sowie die Perspektive für rund die Hälfte der Befragten, kein Geld auf die hohe Kante legen zu können. AFI-Direktor Stefan Perini sieht darin nicht nur ein soziales Problem, sondern auch ein rein wirtschaftliches: „Überzogene Lohnzurückhaltung von Seiten der Arbeitgeber birgt das Risiko, dass der Südtiroler Arbeitsmarkt mittelfristig ausgetrocknet wird“.
Trotz zunehmender militärischer Konflikte und weltpolitischer Spannungen bleibt die Wirtschaft 2024 auf Wachstumskurs. In Europa verläuft das Wachstum jedoch moderat: Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet für Deutschland 2024 mit einem Nullwachstum und für Österreich sogar mit einer Rezession von -0,6 Prozent. Italiens Wirtschaft dürfte real um +0,7 Prozent zulegen. Die Inflation hat sich im Jahresverlauf weiter zurückgebildet, wenn auch teils langsamer als erhofft. Die Risiken für erneute Energiepreisschocks bleiben bestehen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im Juni die Zinswende eingeleitet und bereits zwei Zinssenkungen um jeweils 0,25 Basispunkte vorgenommen; noch innerhalb des Jahres wird ein dritter Zinsschritt erwartet. Die Arbeitsmärkte in allen wichtigen Ländern Europas entwickeln sich positiv, wobei demografische Faktoren den Fachkräftemangel verstärken. Für 2025 wird eine Wiederbelebung der Wirtschaft in den wichtigsten Ländern Europas prognostiziert, mit einem erwarteten Wachstum von +1,2 Prozent im Euroraum, +0,8 Prozent für Deutschland und Italien sowie +1,1 Prozent für Österreich.
Überwiegend positive Entwicklungen
Die vorläufige Bilanz 2024 für Südtirols Wirtschaft ist insgesamt mehr als zufriedenstellend. Der Arbeitsmarkt bleibt solide und aufnahmefähig (lohnabhängige Beschäftigung: +1,6 Prozent; Erwerbstätigenquote: 74,0 Prozent; Arbeitslosenrate: 1,6 Prozent). Diese Werte sind im Kontext der aktuellen Wirtschaftszuwachsraten jedoch auch kritisch zu betrachten – Stichwort gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität. Die Inflationsrate in Bozen hat sich erstaunlich rasch zurückgebildet und liegt aktuell sogar unter dem Zielwert der EZB. Der Tourismus steuert auf einen neuen Nächtigungsrekord hin (Jan – Aug: +2,2 Prozent) und der Außenhandel wächst trotz des schwierigen konjunkturellen Umfelds kräftig (+12,0 Prozent). Problematisch bleibt das schwache Importgeschäft, das auf eine niedrige Nachfrage nach Vorleistungen und ein schleppendes Importgeschäft des Südtiroler Zwischenhandels hinweist (-0,9 Prozent). Die Kreditdynamik bleibt rückläufig, jedoch mit abnehmender Intensität in den letzten Monaten.
Verhaltener Optimistismus
Die Erwartungen der Arbeitnehmenden hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung Südtirols in den kommenden zwölf Monaten bleiben verhalten optimistisch (Indexwert: +6). Die Arbeitslosigkeit dürfte weiter zurückgehen, und das Risiko, den Arbeitsplatz zu verlieren, ist kaum präsent. Die Perspektiven für wechselbereite Personen, eine gleichwertige Anstellung zu finden, bleiben gut, wenn auch nicht mehr auf dem Niveau unmittelbar nach der Corona-Pandemie.
Größtes Problem bleiben die knappen Kassen vieler Arbeitnehmerfamilien: 40 Prozent der Befragten geben an, nur mit Mühe über die Runden zu kommen, da das Geld nicht bis zum Monatsende reicht (für 7,0 Prozent ist dies „sehr schwierig“, für 33 Prozent „schwierig“). Mit einem Indexwert von -14 bewegt sich dieser Indikator in der Nähe seines historischen Tiefs. Besonders prekär Beschäftigte und Personen mit niedriger Qualifikation sind hiervon betroffen. Ähnlich kritisch gestaltet sich die Einschätzung der Sparmöglichkeiten in den nächsten zwölf Monaten: Während 52Prozent davon ausgehen, etwas Geld zurücklegen zu können, befürchten 48 Prozent, dies nicht zu schaffen. Auch hier ein ähnliches Bild wie vorhin beschrieben: Die Leittragenden sind einmal mehr prekär Beschäftigte und Niedrigqualifizierte.
Leichtes Wachstum 2025 erwartet
Für 2025 werden sich die konjunkturellen Rahmenbedingungen im Euroraum voraussichtlich positiver darstellen als 2024. Die wichtigsten Handelspartner Südtirols, Deutschland (BIP-Prognose 2025: +1,2 Prozent) und Österreich (+1,1 Prozent), tragen voraussichtlich zur Stabilität bei. Trotz der Zinswende bleiben die Finanzierungskosten für Kreditnehmer hoch, weshalb ein signifikanter Investitionsschub oder eine dynamische Entwicklung des Wohnungsmarkts unwahrscheinlich sind. „Des Weiteren bleibt das Szenario einer anhaltend schwächelnden Lohndynamik aufrecht, da das Anreiz-System für die IRAP-Reduzierung aktuell nicht an seriöse Lohngegenleistungen im Sinne von Lohnerhöhungen gekoppelt ist“, meint AFI-Direktor Stefan Perini. Andererseits sei ein mit 7,92 Mrd. Euro gut dotierter Landeshalt mit „sozialem Antlitz“ ein wichtiger Stabilität- und Ausgleichsfaktor.
Für 2025 prognostiziert das AFI ein Wirtschaftswachstum von +1,0 Prozent für die Südtiroler Wirtschaft. Auch im kommenden Jahr wird Südtirols Wirtschaft moderat wachsen.
„Auf Grundlage der Ergebnisse des aktuellen AFI-Barometers blicken wir mit verhaltenem Optimismus in die Zukunft. Wir müssen akzeptieren, dass Beschäftigungszuwächse nicht jeden Monat zu erwarten sind – allein schon aufgrund demografischer Entwicklungen. Der Arbeitskräftemangel in Südtirol ist kein vorübergehendes Phänomen, sondern eine Herausforderung, die uns über Jahre begleiten wird. Dieses Bewusstsein muss erst noch in der Öffentlichkeit ankommen”, sagt AFI-Präsident Andreas Dorigoni.
„Als Südtiroler Landesregierung sind wir uns bewusst, dass es Menschen in Südtirol gibt, die derzeit Schwierigkeiten haben, mit ihrem Lohn auszukommen. Der Landeshaushalt 2025 wird daher bewusst sozial gestaltet sein: 450 Millionen Euro sind für die kollektivvertraglichen Verhandlungen im öffentlichen Dienst vorgesehen, dazu kommen finanzielle Aufstockungen für Mindestrenten. Zudem wird die IRAP nur für jene Unternehmen gesenkt, die durch Südtiroler Landeszusatzverträge oder Betriebsabkommen faire Löhne für ihre Mitarbeitenden garantieren“, betont Arbeitslandesrätin Magdalena Amhof.
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