Von: mk
Bozen – Gestern fand in der Handelskammer Bozen eine Diskussionsrunde zum Thema „Verlagerung auf die Schiene, wie kann das gelingen?“ statt. Dabei diskutierten namhafte Vertreter/innen aus Politik, Wirtschaft und Umweltschutz darüber, wie der Verkehr bestmöglich von der Straße auf die Schiene verlagert werden kann.
Der Brennerkorridor ist eine der wichtigsten Handelsrouten für den wirtschaftlichen Austausch zwischen Italien und Mitteleuropa. Allerdings kommt es auf der Brennerachse aufgrund von verkehrsbeschränkenden Maßnahmen und Überlastungen immer wieder zu Staus. Politik, Wirtschaft und Umweltverbände sind sich einig, dass in Zukunft ein Teil des Verkehrs von der Straße auf die Schiene verlagert werden muss. Der Brennerbasistunnel (BBT) wird zu dieser Verlagerung einen entscheidenden Beitrag leisten, jedoch braucht es für seine Fertigstellung noch Zeit. Wie eine Verlagerung auf die Schiene gelingen kann und was es braucht, um den Schienenverkehr konkurrenzfähig zu machen, wurde gestern im Rahmen eines runden Tisches in der Handelskammer Bozen diskutiert.
An der Diskussionsrunde nahmen Daniel Alfreider, Landesrat für Infrastruktur und Mobilität, Thomas Baumgartner, Präsident der italienischen Frächtervereinigung ANITA, Klauspeter Dissinger, Vorsitzender des Südtiroler Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz, Angelika Hofer, Vizepräsidentin des Verladeterminals Trient Interbrennero AG, Elmar Morandell, Obmann der Berufsgruppe Transport im lvh.apa, Harald Schmittner, Chief Operating Officer der Rail Traction Company und Bernhard Ebner, Leiter Business Unit der Intermodal Rail Cargo Group der ÖBB, teil. Diese beteiligten sich mit folgenden Statements an der Diskussionsrunde:
Landesrat Alfreider verwies auf die Bedeutung eines ganzheitlichen Ansatzes für den Brennerkorridor: „Wichtig ist, gemeinsame Rahmenbedingungen von München bis Verona zu schaffen. Vor allem die Digitalisierung bietet viel Potenzial, den Verkehr auf der Brennerachse effizienter zu gestalten.“
Thomas Baumgartner von der italienischen Frächtervereinigung ANITA unterstrich: „Die Zukunft des kombinierten Verkehrs liegt im unbegleiteten Warentransport, das heißt der Verladung von Ladeeinheiten wie Containern und Sattelanhängern (ohne Fahrer und Zugmaschine) auf die Schiene über längere Distanzen. Nur dadurch kann die Verlagerung auch wirtschaftlich erfolgreich sein.“
„Der begleitete kombinierte Verkehr, sprich die Rollende Landstraße (ROLA) ist gerade für kleine und mittlere Unternehmen oft die einzige Alternative, Verkehr auf die Schiene zu verlagern“, so Elmar Morandell vom lvh.apa: „Wünschenswert wäre die Verlängerung der ROLA-Verbindung von Trient nach Manching/Regensburg. Derzeit besteht die Verbindung nur bis Wörgl.“
Bernhard Ebner, Vorstand der Rail Cargo Group der ÖBB, ergänzte: „Die ROLA ist ein geeignetes Mittel, um in ökologisch sensiblen Gebieten auch kurzfristig Lkw von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Am umweltfreundlichsten und effizientesten ist der unbegleitete Warentransport über längere Strecken.“
Harald Schmittner von der Rail Traction Company forderte: „Regulatorische Hindernisse im Bahnverkehr müssen beseitigt werden. Es kann nicht sein, dass es auf der Schiene in jedem Land der EU eigene Regeln und Signale gibt. Wir brauchen europäische Rahmenbedingungen, um effizienter und kostengünstiger arbeiten zu können.“
„Im Sinne des Umweltschutzes ist die Verlagerung eines Teils des Schwerverkehrs auf die Schiene höchst begrüßenswert und muss von der Politik konsequent vorangetrieben werden. Gleichzeitig muss Wert auf geräuscharmes Rollmaterial und neue Lärmschutzmaßnahmen gelegt werden“, betonte der Vorsitzende des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz Hanspeter Dissinger.
Dass ohne eine angebrachte Infrastruktur nicht verlagert werden kann, darauf verwies die Vizepräsidentin des Verladeterminals Interbrennero in Trient Angelika Hofer: „Derzeit wird mit dem BBT und den Zulaufstrecken viel in die Schieneninfrastruktur investiert, aber es besteht weiterhin ein Engpass bei den Verladeterminals. Der Terminal „Quadrante Europa“ in Verona stößt schon seit längerem an seine Kapazitätsgrenzen, während der Terminal in Trient noch sehr viele Güter aufnehmen könnte. Diese paradoxe Situation ist auf die europäische Richtlinie 92/106/EWG zurückzuführen, die für den kombinierten Verkehr maximal einen 150 Kilometer Radius für den Vor- und Nachlauf vorsieht. Für Trient wäre es sinnvoll, diesen Radius auf 250 Kilometer auszuweiten, damit der Terminal für Unternehmen aus der Poebene interessant wird.“
Die Teilnehmer/innen am runden Tisch haben gemeinsam errechnet, dass auf der Brennerstrecke derzeit noch ein Potenzial zur Verlagerung von 400.000 Lkw im Jahr auf die Schiene besteht. Politik, Wirtschaft und Umweltverbände müssen sich gemeinsam dafür einsetzen, um die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass dieses Potenzial auch genutzt werden kann.