Von: mk
Bozen – Zu Jahresmitte 2017 präsentiert sich für die Südtiroler Wirtschaft ein recht positives Gesamtbild: Die Wirtschaft zieht wieder kräftig an – dies bringen auch die Arbeitsmarktindikatoren zum Ausdruck. Von den sieben Stimmungsindikatoren, die im Rahmen des AFI-Barometers erhoben werden, hat sich kein einziger verschlechtert, im Gegenteil: Zwei haben sich deutlich verbessert, einer leicht, vier sind konstant geblieben. Dazu AFI-Direktor Stefan Perini: „Hält dieser Positivtrend auch im der zweiten Jahreshälfte an, wird das AFI die Wachstumsprognose für 2017 von aktuell 1,4 Prozent nach oben revidieren“. Noch zu wenig würden sich Forschungsinstitute allerdings heute mit der Frage auseinandersetzen, wie es um die Lebenshaltungskosten in den unterschiedlichen Regionen Europas bestellt ist, merkt Perini zudem an. „Dabei müsste einleuchten, dass Statistiken über Pro-Kopf-Nominallöhne wenig aussagen, wenn sie entkoppelt von den Lebenshaltungskosten in der entsprechenden Region gelesen werden“.
Der wirtschaftliche Aufschwung festigt sich weiter: international, in Europa, und nun auch in Italien. Die italienische Nationalbank erwartet im jüngst veröffentlichten Prognosebericht („Bollettino economico“) für die italienische Wirtschaft im Jahr 2017 sogar ein Wachstum von +1,4 Prozent. Auf internationaler Ebene haben die Unsicherheitsfaktoren seit den Wahlen in Holland und Frankreich etwas abgenommen. Viele der Rahmenbedingungen bleiben positiv: geringere Fluktuation auf den Aktienmärkten, niedrige Zinsen, rückläufige Arbeitslosenraten in den meisten EU-Ländern. Allerdings: Die Inflation ist von der EZB-Zielmarke von 2,0 Prozent noch weit entfernt. In Italien ist die Stimmung bei den Unternehmen wesentlich besser als bei den Konsumenten. Die EU-Kommission rechnete noch im Mai für das laufende Jahr mit folgenden Wirtschaftswachstumsraten: USA +2,2 Prozent, Eurozone +1,7 Prozent, Deutschland +1,6 Prozent und Italien +0,9 Prozent.
Die Stimmung bei den Arbeitnehmern hellt sich auf
Keiner der sieben Indikatoren, die im Rahmen des AFI-Barometers erhoben werden, hat sich im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert, im Gegenteil, zwei zeigen eine deutliche Aufhellung und sind auf ihrem Allzeithoch. Konkret geht es um die ´Erwartete Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den nächsten 12 Monaten´ bzw. um die ´Suche nach einem gleichwertigen Arbeitsplatz´. 30,4 Prozent der Südtiroler Arbeitnehmer geben an, nur mit Schwierigkeiten über die Runden zu kommen, weil das Geld nicht bis ans Monatsende reicht. Im Zeitvergleich handelt es sich um einen eher niedrigen Wert. Leicht aufgehellt haben sich zudem die Einschätzungen, was die ´finanzielle Situation der eigenen Familie in den nächsten zwölf Monaten´ anbelangt.
AFI-Wachstumsprognose voraussichtlich nach oben zu revidieren
Zu Jahresmitte lassen sich die Eckdaten die Wirtschaftsentwicklung in Südtirol betreffend durchaus sehen: Der Positiv-Trend am Südtiroler Arbeitsmarkt hat sich im 1. Halbjahr 2017 gefestigt (Unselbständig Beschäftigte: +3,0 Prozent, Erwerbsquote: 71,6 Prozent, Arbeitslosenrate: 3,5 Prozent). Die Erholung ist nun auch im Baugewerbe in aller Deutlichkeit sichtbar. Die Exporte konnten im ersten Quartal 2017 gesteigert werden (+4,6 Prozent), ebenso die Importe (+11,6 Prozent). Die touristische Wintersaison schloss mit einem Nächtigungsplus von +0,8 Prozent – berücksichtigt man nur die ersten vier Jahresmonate, waren es +1,8 Prozent. Die Inflation bleibt mit 2,2 Prozent im Schnitt der ersten sechs Jahresmonate nahe der EU-Zielmarke. Negativ hebt sich die Entwicklung am Kreditmarkt ab: Das Kreditvolumen ist in den ersten vier Jahresmonaten leicht gesunken (-2,1 Prozent), insbesondere was die Kreditvergabe an Unternehmen betrifft. Die AFI-Wachstumsprognose für die Südtiroler Wirtschaft von +1,4 Prozent im Jahr 2017 kann nach heutigem Wissensstand als Untergrenze betrachtet werden.
Preisniveau in Südtirol 20 Prozent über dem gesamtstaatlichen Wert
Immer weniger zufrieden sind Südtirols Arbeitnehmer damit, in welchem Verhältnis ihre Gehälter zu den Lebenshaltungskosten in Südtirol stehen: 16,8 Prozent sind damit ´gar nicht zufrieden´, 38,6 Prozent ´wenig´, während 37,4 Prozent ´eher zufrieden´ und 7,3 Prozent ´sehr zufrieden´ sind. Noch nie in den letzten vier Jahren war die Zufriedenheit jedenfalls so schwach ausgeprägt wie in der diesjährigen Erhebung. Das hat das AFI veranlasst, eine Studie der Banca d’Italia betreffend die regionalen Preisniveaus in Italien zu replizieren, die noch auf Daten 2006 beruhte. Dazu AFI-Direktor Perini: „Selbst unter vorsichtigen Annahmen zeigt sich, dass das allgemeine Preisniveau in Südtirol 20 Prozent über dem gesamtstaatlichen Wert liegt.“ Regressionsmodelle zeigen auf, dass Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und Kaufkraftparitäten sehr stark korrelieren. Rechnet man nach dieser von der italienischen Nationalbank selbst verwendete Methode, wäre das Preisdifferential zwischen der Provinz Bozen und dem gesamtstaatlichen Niveau sogar 24 Prozent.
Ungleichheiten nehmen etwas ab
29,1 Prozent der Arbeitnehmer schätzten die bestehenden Ungleichheiten in Südtirol als ´sehr groß´ ein, 58,8 Prozent als ´eher groß´. In früheren Erhebungen war die „wahrgenommene Schere“ noch etwas weiter geöffnet. Bildung, Netzwerke, harte Arbeit, aber auch Glück werden als Faktoren genannt, um in Südtirol die Nase vorn zu haben.
AFI-Präsidentin Christine Pichler erklärt dazu: „In den Medien sahen wir in letzter Zeit immer wieder abgedruckt, dass die Löhne in Südtirol wesentlich über dem gesamtstaatlichen Durchschnittswert liegen. Die Lohndiskussion kann allerdings nicht losgelöst von den Lebenshaltungskosten erfolgen. Und eine AFI-Analyse belegt: Das Preisniveau liegt in Südtirol 20Prozent über dem gesamtstaatlichen Wert. Wenn Südtirol in der Produktionsleistung pro Kopf in der europäischen Champions League mitspielt, sollte dies auch für die Reallöhne gelten.“
„Bestärkt von den AFI-Daten können wir sagen, dass die Wirtschaft in Südtirol stark angezogen hat. Hervorheben möchte ich, dass sich von den sieben Stimmungsindikatoren im AFI-Barometer keiner verschlechtert hat. Im Gegenteil: zwei haben sich ganz deutlich und einer etwas aufgehellt. Mit Bezug auf den verstärkten Fachkräftemangel müssen wir Strategien entwickeln, um die stillen Reserven am Südtiroler Arbeitsmarkt zu aktivieren, die es auch gibt. Selbstverständlich kann auch in der Vermittlung zwischen Arbeitskräfteangebot und -nachfrage noch das eine oder andere verbessert werden. Doch auch die Arbeitgeber und Wirtschaftsverbände stehen in der Pflicht. Will man die besten Fachkräfte für sich gewinnen, kann dies nur über gute Arbeitsbedingungen gelingen, angefangen von Arbeitsinhalten, vertraglichen Leistungen, angemessener Entlohnung“, erklärt Landesrätin Martha Stocker.
Das AFI-Barometer erscheint viermal im Jahr (Winter, Frühjahr, Sommer, Herbst) und gibt das Stimmungsbild der Südtiroler Arbeitnehmerschaft wieder. Die telefonisch geführte Umfrage betrifft 500 Arbeitnehmer und ist für Südtirol repräsentativ.