Erster großer Deal war Übernahme des Kaufhauses Tyrol 2004

René Benko: Der tiefe Fall des Tiroler Immobilientycoons

Freitag, 24. Januar 2025 | 07:50 Uhr

Von: apa

Der Aufstieg des Immobilientycoons René Benko klingt zunächst wie aus dem Bilderbuch: Aus einfachen Verhältnissen und ohne Schulabschluss schaffte es der Tiroler zu einem der reichsten Unternehmer Österreichs. Doch 2023 wurde deutlich, dass er und seine Signa-Gruppe in der Krise steckten. Am Ende standen Insolvenzen sämtlicher Signa-Firmen. Am Donnerstag wurde der 47-jährige Pleitier festgenommen.

Schon als Schüler erregte der Sohn eines Gemeindebediensteten und einer Kindergärtnerin Mitte der 1990er-Jahre Aufsehen. Als 17-Jähriger organisierte er für einen befreundeten Innsbrucker Baumeister den Ausbau von Dachböden in bester Stadtlage. Dass er damit gutes Geld verdiente, stellte er auch zur Schau. Schulkollegen erinnerten sich vor einigen Jahren in der Zeitung “Falter” an Goldkettchen und einen geleasten Ferrari.

Benko galt in seinem Umfeld als “Blitzgneißer” mit gutem Geschäftsinstinkt, als “super Netzwerker” und vor allem als sehr arbeitswillig – nach eigenen Angaben stand er jeden Tag um halb fünf in der Früh auf und arbeitete bis kurz vor Mitternacht.

Nur die Schule hat Benko nicht so ernst genommen. “Das ist wahrlich so, ich war im letzten Schuljahr, im Maturajahr, so wenig in der Schule, dass ich dann aufgrund der vielen Fehlstunden nicht mehr zur Matura zugelassen wurde”, erzählte er vor vielen Jahren in einem ORF-Interview.

Signa wurde eines der größten Immo-Unternehmen Österreichs

Benko gelang es früh, Reiche und Prominente von seinen Geschäftsideen zu überzeugen. Kurz nach der Gründung der Immofina, aus der später die 1999 gegründete Signa-Gruppe hervorging, traf er auf den Stroh-Tankstellenerben Karl Kovarik, der sich 2001 in Benkos Unternehmen einkaufte. Mit Kovariks Geld, einem zweistelligen Millionenbetrag, wuchs die Signa Holding zu einem der größten österreichischen Immobilienunternehmen heran, das seine Fühler längst auch ins Ausland, vor allem nach Deutschland, ausgestreckt hat.

Der erste große Deal, mit dem der Tiroler 2004 auf sich aufmerksam machte, war die Übernahme des Kaufhauses Tyrol in Innsbruck. Später kamen Immobilien in der Wiener Innenstadt wie das “Goldene Quartier” inklusive dem Hotel Park Hyatt (Ex-Länderbank-Zentrale), das Bank Austria Kunstforum Wien und die vom Jugendstil-Architekten Otto Wagner konzipierte Österreichische Postsparkasse ebenso hinzu wie im Ausland etwa das Gebäude der Deutschen Börse in Eschborn, das Hotel Bauer Palazzo in Venedig, eine Hälftebeteiligung am Chrysler Building in New York, am Nobelkaufhaus Selfridges in London und dem Warenhaus Globus in der Schweiz oder der Elbtower in Hamburg. Das sind nur einige Beispiele für das einst milliardenschwere Immobilienimperium um Benko und seine Signa-Gruppe.

Benko umgab sich gern mit Prominenten

Benko ist auf Diskretion bedacht, wenn es um sein Privatleben geht. Der mit einem Ex-Model verheiratete mehrfache Familienvater beschränkte seine öffentlichen Äußerungen und Auftritte auf ein Minimum. Seine Verschwiegenheit galt auch für seine Geschäftsergebnisse – in die Bücher seiner bewusst nicht börsennotierten Beteiligungsgesellschaft Signa Holding ließ er Außenstehende in der Regel nicht blicken, insbesondere Gewinn- und Reservezahlen behielt er lieber für sich.

Benko umgab sich gerne mit Prominenten aus Politik und Wirtschaft, die ihm immer wieder beträchtliche Summen anvertraut hatten. Zu seinem herbstlichen Törggelen, dem Südtiroler Brauch mit Kastanien-Essen und jungem Wein, erschienen alljährlich Menschen von Rang und Namen aus Wirtschaft, Politik, Medien und Kultur.

Der Unternehmer baute sich ein prominentes Netzwerk auf. In den Aufsichtsräten seiner Gesellschaften saßen unter anderem Ex-SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer, die Wüstenrot-Chefin und Ex-FPÖ-Vizekanzlerin Susanne Riess-Hahn, der frühere Bank-Austria-Creditanstalt-Chef Karl Samstag, Ex-RBI-Chef Karl Sevelda sowie der französische Geschäftsmann Robert Peugeot und der Finanzvorstand der deutschen RAG-Stiftung, Jürgen-Johann Rupp.

Benko baut sein Imperium aus

2012 erlitt Benko einen Rückschlag, als er wegen Korruption vor Gericht stand. Nach dem Urteil zog sich Benko zwar operativ aus seiner Signa Holding zurück, verfügte aber über seine Familienstiftungen über die Mehrheit der Stimmrechte und galt weiterhin als zentraler Entscheidungsträger.

Der umtriebige Tiroler beließ es nicht beim Immobiliengeschäft, sondern baute nach und nach auch ein Handelsimperium mit teils recht attraktiven Immobilien in zentraler Lage auf. 2012 übernahm er gemeinsam mit dem israelischen Diamantenhändler Beny Steinmetz das berühmte Kaufhaus des Westens, das KaDeWe, in Berlin.

Nachdem sich Benko 2019 auch den Karstadt-Konkurrenten Kaufhof einverleibt hatte, fusionierte er die beiden Kaufhäuser unter dem Dach der “Galeria Karstadt Kaufhof GmbH”. Was folgte waren Zahlungsschwierigkeiten, zwei Schutzschirmverfahren, Filialschließungen und die Kündigung Tausender Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In Österreich stieg Benko mit Kika/Leiner in den Möbelhandel ein und erwarb Beteiligungen an “Kronen Zeitung” und “Kurier”

Der “Tiroler des Jahres 2011” war nicht unumstritten. Benko stand regelmäßig im Fokus wegen seiner Immobiliengeschäfte, dem Geschäftsgebaren der Signa-Gruppe, seiner offenbaren Nähe zu Politikern und dem Vorwurf der politischen Einflussnahme in Österreich. Im Herbst 2022 hatte es Hausdurchsuchungen bei der Signa-Gruppe durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegeben. Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid warf Benko vor, dieser habe ihm einen Job im Signa-Konzern angeboten, wenn Schmid im Gegenzug millionenschwere Steuerangelegenheiten für ihn “auf Schiene” bringe. Benko bestritt sämtliche Vorwürfe.

Keine guten Jahre für den Immobilientycoon

2023 war kein gutes Jahr für Benko, denn die Probleme häuften sich. Die EU-Bankenaufsicht unterzog die Kredite von Banken an die Signa-Gruppe einer Sonderprüfung. Der Abschwung am Immobilienmarkt traf die Signa Holding hart. Hohe Abwertungen auf das Immobilienportfolio drückten das Ergebnis der Signa Prime Selection AG im vergangenen Jahr tief ins Minus. Ein Treuhand-Sanierungsplan für die SPS scheiterte im Herbst 2024.

Auf wachsenden Druck von Gesellschaftern kündigte Benko im November 2023 an, sich von der Spitze des Beirats der Signa Holding zurückzuziehen. Ende November 2023 war die übergeordnete Beteiligungsgesellschaft Signa Holding zahlungsunfähig. Das Imperium bestehend aus über 1.000 ineinander verschachtelten Gesellschaften, Untergesellschaften und Einzelimmobilien wankte nach einem knappen Vierteljahrhundert des Wachstums, das geprägt war von niedrigen Zinsen und steigenden Immobilienwerten.

Nobler Lebensstil trotz Konkurs

Das Jahr 2024 war für Benko nicht besser. Neben Insolvenzen sämtlicher Firmen aus der Signa-Gruppe musste der Gründer des gefallenen Signa-Konglomerats als Einzelunternehmer Konkurs anmelden. Die Passiva belaufen sich auf 2,43 Mrd. Euro – damit nahm er Rang zwei in der Negativ-Hitparade der sieben größten Pleiten 2024 ein.

Allerdings änderte das offenbar – zum Unmut vieler – wenig an seinem Lebensstil. Nach wie vor wohnte der Privatpleitier laut Medienberichten dank Mamas Geschenken in schlossartigen Villen, fuhr mit dem Motorboot auf dem Gardasee und ging mit Politikern jagen. Damit ist jetzt zumindest vorerst Schluss: Am Donnerstag wurde der 47-jährige Tiroler in Innsbruck wegen Verdunkelungsgefahr und Tatbegehungsgefahr festgenommen.

Signa-Reich zerbröckelt und zieht Festnahmen nach sich – die Chronologie

August 2023: Europäische Zentralbank (EZB) drängt Banken, Kredite an Signa zum Teil abzuschreiben

August 2023: Signa gibt bekannt, in den vergangenen Monaten Assets im Gesamtvolumen von rund 2 Mrd. Euro abgestoßen zu haben

23. August 2023: Creditreform zieht Rating für Signa Prime Selection zurück

16. Oktober 2023: Signa zieht bei Signa Sports Zusage für Eigenkapitalspritze über 150 Mio. Euro zurück

27. Oktober 2023: Signa Sports United stellt Insolvenzantrag

27. Oktober 2023: Baustopp beim Hamburger Elbtower

2. November 2023: Signa-Holding-Gesellschafter fordern sofortigen Rückzug von Benko

7. November 2023: Fitch stuft Signa-Anleihen als “hochriskant” ein

29. November 2023: Insolvenzantrag der Signa Holding beim Handelsgericht Wien

7. Dezember 2023: US-Magazin “Forbes” streicht Benko von der Milliardärsliste

28. Dezember 2023: Signa Prime Selection stellt Insolvenzantrag

29. Dezember 2023: Signa Development Selection beantragt Insolvenz

9. Jänner 2024: Signa-Tochter Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) meldet in Deutschland Insolvenz an

31. Jänner 2024: Republik Österreich stellt Insolvenzantrag gegen Benko persönlich

7. März 2024: Benko stellt Eigenantrag auf Privatinsolvenz

13. März 2024: Staatsanwaltschaft München bestätigt Geldwäsche-Ermittlungen

22. März 2024: WKStA ermittelt wegen schweren Betrugs bei Kapitalbeschaffung

28. März 2024: Familie Benko Privatstiftung beantragt Insolvenzverfahren

16. April 2024: WKStA ermittelt gegen Benko persönlich

4. Juni 2024: Staatsanwaltschaft Berlin nimmt Signa-Firmen ins Visier

25. Juni 2024: Hausdurchsuchung bei Benko-Villa in Innsbruck

3. Dezember 2024: Staatsanwaltschaft Trient erlässt Haftbefehl gegen Benko

14. Dezember 2024: Südtiroler Benko-Vertrauter Hager bleibt in Hausarrest

23. Jänner 2025: Benko in Innsbruck wegen Verdunkelungsgefahr festgenommen

Bezirk: Bozen

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