Von: apa
Die Billa-Mutter Rewe hat die jüngst vom Obersten Gerichtshof (OGH) als Kartellobergericht verhängte Rekordkartellstrafe scharf kritisiert. Das “exorbitante Strafmaß” von 70 Mio. EUR für “einen Formalverstoß” sei “massiv unverhältnismäßig”, kritisierte der Lebensmittelhändler nach Prüfung des Entscheids in einer Stellungnahme. “Das vorgeworfene Vergehen – die Nichtmeldung des Standortes – hat zu keinerlei wirtschaftlichen Vorteilen für die Rewe International AG geführt.”
Die Supermarktkette will noch “alle eventuellen rechtlichen Möglichkeiten” prüfen, “um gegen das Urteil vorzugehen”. Der Rewe-Fall liegt bereits mehrere Jahre zurück: Mitte 2018 übernahm die damalige Tochtergesellschaft Merkur Warenhandels AG (nun Billa Plus) Verkaufsflächen für einen Lebensmitteleinzelhandel im WELAS Park Einkaufszentrum in Wels, wo zuvor die Weiß Handels GmbH einen Lebensmitteleinzelhandel betrieben hatte. Dieser Vorgang wurde bei der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) zuerst nicht als Zusammenschluss angemeldet. Zur deutschen Rewe-Gruppe gehören in Österreich Adeg, Billa, Billa Plus, Bipa und Penny.
Kartellexperte: Nicht-Anmeldung von Zusammenschluss “kein Kavaliersdelikt”
Für den Kartellrechtsexperten Peter Stockenhuber von der Universität Wien ist der Kartellobergericht-Entscheid zu Rewe vollkommen nachvollziehbar. “Der OGH korrigiert nur ein krasses Fehlurteil des Kartellgerichts”, sagte Stockenhuber am Donnerstag zur APA. Einen Zusammenschluss nicht bei der BWB anzumelden, sei “kein Kavaliersdelikt.” Das Kartellobergericht sage seit längerem in Richtung des Kartellgerichts, “dass Kartellstrafen auf ein internationales Niveau angehoben werden sollen”, so Stockenhuber. Der Kartellexperte verwies auch auf den Fall Spar im Jahr 2015, bei dem der OGH als Kartellobergericht die ursprünglich vom Kartellgericht verhängte Strafe von 3 Mio. Euro auf 30 Mio. Euro verzehnfacht hatte. Im Zusammenhang mit der Gründung des Coronamasken-Herstellers Hygiene Austria im Frühling 2020 durch Lenzing und Palmers hat das Kartellobergericht im Herbst 2024 die Strafe gegen Palmers von 5.000 Euro auf 100.000 Euro verzwanzigfacht.
Der Zusammenschluss, also die Übernahme des Standorts durch Rewe, wurde 2022 nachträglich noch angemeldet – und auch genehmigt. Es handle sich also eigentlich um einen Formalfehler, sagte BWB-Sprecher Sarah Fürlinger den “Salzburger Nachrichten” (Mittwochsausgabe). Die Professorin für Kartellrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien Viktoria Robertson bezeichnete gegenüber “Ö1” die Rekordstrafe für Rewe als “Paukenschlag”.
Die Festsetzung der Rekordstrafe basiert auf dem Jahresumsatz der deutschen Rewe-Gruppe von über 92 Mrd. Euro im Jahr 2023. Die Kartell-Strafrahmenobergrenze beträgt bis zu 10 Prozent des Umsatzes, also bis zu 9 Mrd. Euro. “Geldbußen nach dem Kartellgesetz verfolgen präventive und repressive Zwecke, was eine angemessene Höhe erfordert, weil sonst keine abschreckende Wirkung erzielt wird”, erklärte der Oberste Gerichtshof am Dienstag. Man habe als OGH “bereits mehrfach klargestellt, dass auch in Österreich zur wirksamen Bekämpfung von Kartellverstößen Geldbußen in einer Größenordnung zu verhängen sind, wie sie auf Unionsebene und in zahlreichen Mitgliedstaaten bereits seit langem üblich” seien.
Rewe kann Höhe der Geldstrafe nicht nachvollziehen
Der OGH als Kartellobergericht erhöhte die vom Kartellgericht ursprünglich festgesetzte Geldstrafe für Rewe in Höhe von 1,5 Mio. Euro nach Rekursen der BWB und des Bundeskartellanwalts von 1,5 Mio. Euro auf 70 Mio. Euro. Rewe verwies im Hinblick auf den OGH-Entscheid, dass man sich “bei der Vorgehensweise zur Eröffnung und zum gegebenen Zeitpunkt auf die vertretbare Rechtsmeinung verlassen” habe, dass die Anmietung des betroffenen Standortes in Wels “nicht anmeldepflichtig” sei. “Eine nachträgliche Anmeldung fand statt – und die Übernahme des Standortes wurde genehmigt”, betonte die Supermarktkette. “Eine derart drakonische Strafhöhe, um Abschreckungseffekte zu erzielen, ist jedoch nachhaltig nachteilig für den Wirtschaftsstandort Österreich.”
Für Rewe ist die Höhe der Geldstrafe für “einen Formalverstoß” nicht nachvollziehbar. “Es ist, als würde jemand wegen eines falsch ausgefüllten Parkscheins zur Zahlung einer Strafe verpflichtet, die dem Gegenwert eines neuen Autos entspricht, um zu demonstrieren, dass Parkscheine richtig ausgefüllt werden müssen”, hieß es in der Stellungnahme. Die “Unverhältnismäßigkeit” der Strafhöhe sei ein “Vorführen stellvertretend für die gesamte Wirtschaft”.
Die zuvor höchsten jemals verhängten Kartellstrafen in Österreich erhielten im Rahmen des Baukartells Porr (62,4 Mio. Euro) und Strabag (45,4 Mio. Euro). “Wir werden eine allfällige Strafe schultern, weder Kundinnen und Kunden noch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden dadurch belastet”, erklärte das Management von Rewe International. Es werde “zu keinen personellen Einsparungen – Stundenkürzungen oder Jobstreichungen – im Unternehmen” kommen. Auch werde die Strafzahlung “nicht auf die Preise für Kundinnen und Kunden umgelegt”.
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