Von: mk
Bozen – Derart scharfe Wirtschafts- und Finanzsanktionen wie jetzt hat der Westen noch nie gegen Russland verhängt. Das macht die Handelsbeziehungen zu diesem Markt kompliziert, wenn nicht sogar unrentabel bis unmöglich. Auch Südtiroler Export-Unternehmen sind in Russland tätig. Welche Folgen die derzeitige Situation auf sie hat, analysierte ein Online-Infoevent, das IDM Südtirol für heute organisiert hat. Experten gaben dabei einen Überblick über die aktuellen Maßnahmen und beantworteten die wichtigsten Fragen, die sich für das exportierende Gewerbe dadurch ergeben.
Gerade letzte Woche hat die EU ein weiteres Paket von Sanktionen beschlossen, das sich gegen Einzelpersonen richtet sowie gegen Organisationen, die in den Krieg gegen die Ukraine verwickelt sind. Auch Bereiche der russischen Wirtschaft sind wieder betroffen. Die aktuelle Situation hat auch bereits Auswirkungen auf die Lieferketten, zum einen durch den gestiegenen Preis für viele Waren im Einkauf, zum anderen, weil Unternehmen bestimmte Waren gar nicht mehr geliefert bekommen. Die neue Serie an Sanktionen ergänzt eine Reihe von Maßnahmen, die bereits verhängt wurden. „Vor allem Finanzsanktionen waren aufgrund ihrer unmittelbaren Wirkung das Mittel der Wahl für die westlichen Staaten. Stärker als die spezifischen Maßnahmen sind jedoch die allgemeine Unsicherheit und die damit verbundene strafende Reaktion der Märkte. Viele große Unternehmen haben Russland bereits verlassen bzw. Exporte in diesen Markt eingestellt, und auch das Vertrauen in den russischen Kapitalmarkt ist auf Jahre hinaus zerstört“, erklärte Janis Kluge von der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) beim IDM-Event. Es sei derzeit nicht absehbar, welche Handels- und Finanztransaktionen mit Russland auch in naher Zukunft noch möglich sein werden, und Russland sei als Investitionsstandort verbrannt, selbst wenn die Sanktionen aufgehoben würden.
Weitreichende Auswirkungen der aktuellen Situation sieht auch Vera Leonardelli, Direktorin Business Development von IDM: „Die Folgen dieses Krieges und der verhängten Sanktionen haben dramatische Folgen vor allem für den Export in den russischen und den ukrainischen Markt, könnten sich aber auch auf die Balkanstaaten und deren Kaufkraft auswirken“. Russland und die Ukraine gehören für die Südtiroler Wirtschaft aber nicht zu den strategisch wichtigsten Märkten. „2021 wurden Waren und Dienstleistungen in der Höhe von 38 Millionen Euro nach Russland exportiert, damit belegt das Land den 25. Platz im Ranking der Südtiroler Exportmärkte. Das Exportvolumen Richtung Ukraine beträgt circa 9,8 Millionen Euro, das bedeutet Platz 49 der Statistik“, erklärt Leonardelli. „Es gibt jedoch etwa 100 Südtiroler Unternehmen, die bereits Handelsbeziehungen zum ehemals attraktiven Hoffnungsmarkt Russland aufgebaut haben und vorwiegend landwirtschaftliche Nahrungsmittel und Getränke sowie Maschinen dorthin exportieren. Das sind auch die wichtigsten Warengruppen, die in die Ukraine exportiert werden; hier unterhalten derzeit circa 80 Südtiroler Unternehmen Geschäftsbeziehungen. Betroffen sind auch andere Sektoren, etwa Hersteller von Schuhen, Bekleidung, Textilien oder Möbel, meist kleinere Unternehmen. Unser Infoevent sollte allen Interessierten ein genaues Bild von der aktuellen Situation und Hilfestellung bei wichtigen Entscheidungen geben.“
Neben dem allgemeinen Resümee über die Russlandkrise von Janis Kluge erklärte Massimiliano Manca, Verantwortlicher International Desk der Südtiroler Sparkasse, was der Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungssystem SWIFT in der Praxis für Unternehmen bedeutet, die Geschäfte mit russischen Partnern abwickeln möchten. Welche Auswirkungen die Sanktionen auf Unternehmen haben, erörtere der Berater Zeno Poggi, Managing Partner der ZPC. Eigene Erfahrungsberichte lieferten zum Abschluss Stefan Rainer, Chief Sales Officer der Oberalp Group, und Nemanja Dogo, Export Director der Techno Alpin.