Von: mk
Pfatten/Terlan – Die natürliche, nachhaltige Bekämpfung der Marmorierten Baumwanze ist seit ihrem ersten Aufkommen in Südtirol oberstes Ziel der Obstwirtschaft. Dazu gehört vor allem die Suche nach natürlichen Gegenspielern dieses Schädlings. Mehrjährige Versuche mit verschiedenen Schlupfwespen-Arten zeigten Erfolge und nun treten sie in einem Gemeinschaftsprojekt zwischen dem Versuchszentrum Laimburg und dem Südtiroler Apfelkonsortium in eine neue Phase.
Die Marmorierte Baumwanze stammt ursprünglich aus dem ostasiatischen Raum und ist ein besonders gefährlicher Schädling für eine Vielzahl landwirtschaftlicher Kulturen – darunter auch für den Apfel. 2016 wurde die Marmorierte Baumwanze erstmals in Südtirol festgestellt und fällt übrigens nicht nur in der Landwirtschaft als Schädling auf; sie ist auch bei der nicht-bäuerlichen Bevölkerung nicht sonderlich beliebt: Die Tiere gelangen über trocknende Wäsche gern in die heimischen Kleiderschränke, wo sie ihre unangenehmen Duftnoten und Spuren hinterlassen.
Um den Schädling nachhaltig zu bekämpfen und die Südtiroler Obstwiesen als Lebensraum weniger attraktiv zu machen, suchen Forschende, Behörden und die Apfelwirtschaft seither nach Methoden zur natürlichen Bekämpfung. Am naheliegendsten ist dabei die Frage: Wer könnte ein natürlicher Feind des Schädlings sein? „Solche Gegenspieler von Schadinsekten sind für uns Nützlinge – sie kommen auch in anderen Fällen seit Jahren zum Einsatz und helfen erfolgreich, die Schadpopulationen in Grenzen zu halten. Dies ist auch ganz im Sinne unserer Nachhaltigkeitsstrategie sustainapple“, betont Georg Kössler, Obmann des Apfelkonsortiums.
Auf der Suche nach einem Gegenspieler zur Marmorierten Baumwanze stieß man auf ein Insekt, das die Wanze an ihrer Vermehrung hindert: Diverse Wespenarten legen ihre Eier in die Eiablagen der Baumwanze – mit der Folge, dass die schlüpfenden Wespenlarven sich von den Wanzeneiern ernähren und somit keine neuen Wanzen mehr schlüpfen können. Fachleute nennen diesen Vorgang „Parasitierung“.
Besonders erfolgreich erwiesen sich die Versuche des Versuchszentrums Laimburg mit der Samuraiwespe (Trissolcus japonicus). Sie stammt, so wie die Marmorierte Baumwanze, aus Asien und es bedarf einer eigenen Ermächtigung durch die zuständigen Ministerien, dass man diese nicht-heimische Art einführen und zur Schädlingsbekämpfung freisetzen darf. Diese ministerielle Ermächtigung wurde 2019 erstmals ausgestellt, sodass seit 2020 Versuche laufen. Ein Forschungsteam des Versuchszentrums Laimburg züchtete seither die Samuraiwespe und setzte sie an spezifischen Standorten frei, um ihre Wirkung zu beobachten. „Die Ergebnisse sind sehr ermutigend“, so Silvia Schmidt, Leiterin der Arbeitsgruppe „Biologische Pflanzenschutzmethoden“ am Versuchszentrum Laimburg. Demnach sei die Parasitierungsrate durch die Samuraiwespe in den Freisetzungsstandorten von anfangs rund zehn Prozent durchschnittlich auf rund ein Drittel gestiegen, in einigen Standorten sogar bis zu 70 Prozent. „Damit ist die Samuraiwespe der effizienteste Nützling unter allen in Südtirol präsenten Parasitoiden, welche die Marmorierte Baumwanze befallen“, so Schmidt.
Nun traf auch die für das Jahr 2023 gültige staatliche Ermächtigung zur Freisetzung der Samuraiwespe ein, und so konnte auch ein neues Gemeinschaftsprojekt zwischen dem Versuchszentrum Laimburg und dem Apfelkonsortium starten. Die Freisetzung erfolgte an ausgewählten Standorten im Eisacktal, Burggrafenamt, Unterland und dem unteren Vinschgau. Dabei werden mindestens 300 weibliche und 30 männliche Samuraiwespen freigelassen, die sich in weiterer Folge fortpflanzen und damit, wie beschrieben, die Eigelege der Marmorierten Baumwanze parasitieren. Das Projekt ist zunächst auf ein Jahr ausgelegt.
Ebenfalls drei Jahre lang (2020, 2021, 2022) hatte das Apfelkonsortium mit der heimischen Schlupfwespe experimentiert, welche in einem Gemeinschaftsprojekt mit dem Beratungsring in einem oberitalienischen Labor nachgezüchtet wurde und an fünf Standorten ausgesetzt wurde. Die Maßnahme war zwar erfolgreich, aber weit weniger wirkungsvoll als die Versuche des Versuchszentrums Laimburg mit der Samuraiwespe. Die Samuraiwespe hat übrigens, ähnlich wie die heimische Schlupfwespe, überhaupt nichts mit dem gefürchteten Stechinsekt gemein: Sie haben keinen Stachel und rein äußerlich gleichen sie eher fliegenden Ameisen denn Wespen.