Von: ka
Terlan/Nals – Sie legt ihre Eier in die Gelege der Marmorierten Baumwanze – und zerstört so die Brut dieses gefährlichen Schädlings: Mit gezielter Freilassung der heimischen Schlupfwespe – Anastatus bifasciatus – einem natürlichen Feind der Marmorierten Baumwanze geht die Südtiroler Obstwirtschaft neue Wege in der Bekämpfung dieses Schadinsekts. Die Schlupfwespe wurde in den vergangenen Monaten eigens gezüchtet und wurde am Mittwoch erstmals an einem Waldrand bei einer Apfelwiese in Nals freigelassen. Weitere Freilassungen erfolgen in den nächsten Tagen und an 5 Standorten.
Es handelt sich um ein Gemeinschaftsprojekt des Südtiroler Apfelkonsortiums mit der Arbeitsgemeinschaft für den integrierten Anbau (AGRIOS), dem Südtiroler Beratungsring für Obst- und Weinbau und dem Versuchszentrum Laimburg. Georg Kössler, Obmann des Apfelkonsortiums, verwies auf die zunehmende Verbreitung der Marmorierten Baumwanze, die aus Asien eingeschleppt wurde und 2016 erstmals in Südtirol auftrat. „Das Schadpotential der Baumwanze ist riesig und ihre Bekämpfung sehr schwierig“, so Kössler. Nun sei man auf der Suche nach einem natürlichen Gegenspieler fündig geworden.
AGRIOS-Obmann Harald Weis berichtete von den vielfältigen Bemühungen, Pflanzenkrankheiten und Schädlingen auf möglichst natürliche Weise zu begegnen – etwa mit der Verwirrungsmethode gegen bestimmte Schädlinge, wie sie im integrierten als auch im biologischen Anbau praktiziert wird. „Die AGRIOS hat schon vor über 30 Jahren begonnen, den Anbau immer naturnaher und nachhaltiger zu gestalten“, so Weis. Mittlerweile habe der integrierte Anbau in Südtirol den konventionellen, nur durch staatliche Gesetze geregelten Anbau, vollständig abgelöst. Seit Aufkommen der Marmorierten Baumwanze habe man fieberhaft gemeinsam mit der Laimburg nach natürlichen Feinden gesucht. „Zu diesen gehört die heimische Schlupfwespe, mit der wir nun erste Versuche starten“, so Weis. Die Laimburg forscht zugleich mit der asiatischen Samurai-Schlupfwespe, deren Einsatz noch behördlich genehmigt werden muss, weil es sich um keine autochtone Art handelt.
Robert Wiedmer, Leiter des Beratungsringes, berichtete von den zunehmenden Schäden in den Apfelwiesen und die schwierige Bekämpfung, bei der in den vergangenen Jahren auch das Insektizid Chlorpyrifos-Methyl zum Einsatz kam. Die Zulassung dieses Mittels lief mit 16. April 2020 aus; aufgrund der großen Bedrohung verlängerte der Staat jedoch im Ausnahmeweg die Erlaubnis zum Gebrauch. „Wir hatten uns jedoch schon im Vorfeld darauf vorbereitet, auch eine natürliche Bekämpfung anzupeilen und haben uns daher in Kooperation mit Südtiroler Apfelkonsortium, AGRIOS und dem Partner Bio Planet für die Züchtung der heimischen Schlupfwespe eingesetzt“, so Wiedmer. Die Schlupfwespen werden in den kommenden 5 bis 6 Wochen an 5 verschiedenen Standorten mit besonders hohem Aufkommen der Marmorierten Baumwanze freigelassen: Neben Nals, wo dies am Mittwoch erfolgte, wird dies in den Gemeinden Kaltern, Leifers, Lana und Naturns der Fall sein. Dies erleichtert nicht nur den Bauern die Arbeit in den Apfelwiesen, sondern auch das Leben der Anwohner – zuletzt war die Marmorierte Baumwanze verstärkt auch in Privathäuser vorgedrungen, wo sie nicht zuletzt in Kleiderschränken ihre unangenehmen Duftnoten hinterlässt.
Gezüchtet wurde die heimische Schlupfwespe in den Labors der Firma Bioplanet aus Cesena. Nach mehreren Monaten Züchtung konnte Bioplanet-Sprecher Stefano Foschi am Mittwoch mehrere Behälter mit den ameisen-ähnlichen Fluginsekten nach Nals bringen. Pro Hektar Kulturgrund braucht es etwa 1.000 Tiere; in kleinen Fläschchen waren jeweils 250 enthalten. Er betonte, dass die Schlupfwespe keinerlei Gefahr für Mensch, Tier und Umwelt darstellt, zumal sie in Südtirol ohnedies vorkommt: „Vielmehr handelt es sich bei ihrer Vermehrung um einen natürlichen Ausgleich des ökologischen Gleichgewichtes.“
Der Beratungsring wird die Entwicklung der freigelassenen Schlupfwespen und ihre Auswirkung auf das Aufkommen der Marmorierten Baumwanze in den nächsten Tagen und Wochen genau im Auge behalten – und prüfen, ob der erhoffte Erfolg eintritt.