Von: luk
Bozen – Über 300.000 Quadratkilometer Berge und Täler nehmen die fünf Sentinel-Satelliten der Europäischen Weltraumorganisation alle drei Tage in einer Auflösung von zehn bis zwanzig Metern auf. Die optischen Bilder und Radaraufnahmen dokumentieren die Alpen bei Tag und Nacht und bei jedem Wetter. Sie zeigen, wie sich die Gletscher verändern, aber auch den Zustand des Bodens und Schäden an der Vegetation. Das Sentinel Alpine Observatory von Eurac Research ist eine ständige Beobachtungsstelle, die die Bilder der Sentinel-Satelliten verarbeitet: Die Forscher erstellen Datenbanken und entwickeln Kartierungen zu den Alpen, die für die internationale wissenschaftliche Gemeinschaft von großem Wert sind wie auch für öffentliche Verwaltungen im Alpenraum. Sie liefern zuverlässige Informationen zur Umweltbeobachtung und machen das Observatorium zu einem Bezugspunkt für die Berggebietsforschung weltweit.
Für die Forscher ist zum Beispiel die obere Schneegrenze ein wichtiger Faktor, um das Schmelzen der Gletscher im Sommer genauer zu berechnen. Genau dann, wenn am meisten Eis geschmolzen ist, ermitteln die Gletscherforscher vor Ort auf den Gletschern einige Punkte per GPS und legen so die Grenzlinien fest. Da der Großteil des Geländes nicht zugänglich ist, sind nur annähernde Messungen möglich. Mithilfe der Sentinel-Satelliten und ihren Daten aus dem All hingegen können die Experten für Erdbeobachtung von Eurac Research die Schneegrenze zu jedem beliebigen Zeitpunkt und für jeden Gletscher im Alpenraum am Computer genau ermitteln.
Derzeit kreisen fünf Sentinel-Satelliten aus dem Umweltprogramm der Europäischen Weltraumorganisation ESA um die Erde. Sie liefern eine immense Fülle an Informationen, die jedoch erst aus den Rohdaten erschlossen werden müssen. Hier setzt das von Eurac Research gegründete Sentinel Alpine Observatory an. Seit Jahren arbeiten die Forscher des Südtiroler Forschungszentrums an Technologien zur Datenerhebung und -überprüfung, zur Datenaufbereitung und an Algorithmen, die die Informationen für die Anwender zugänglich machen. Mit den erarbeiteten Karten zur Bodenfeuchte oder zur Ausdehnung der Gletscher, mit hochwertigen Aufnahmen zur Überwachung von Waldschäden und zur Schneebedeckung beliefern die Forscher von Eurac Research öffentliche Verwaltungen oder andere Experten. „Seit Jahren ist Südtirol unser ‚Labor‘. Mit unserem gesammelten Knowhow haben wir uns nun auf internationaler Ebene zum führenden Zentrum für die Verarbeitung von Satellitendaten zu den Alpen entwickelt. Kein Berggebiet auf der Welt wird permanent so genau überwacht“, erklärt Marc Zebisch, Klimaforscher von Eurac Research und Leiter des Instituts für Erdbeobachtung. Mithilfe von Satellitentechnologie können die Experten Sturmschäden an Wäldern ermitteln, die Produktivität der Vegetation im Verhältnis zur Bodenfeuchte messen und damit die Bewässerung effizient planen, die Wassermenge in den Flüssen während der Schneeschmelze vorhersagen oder die Schneebedeckung in bestimmten Gebieten über mehrere Winter hinweg vergleichen.
Alle drei Tage erhalten und bearbeiten die Forscher von Eurac Research die Aufnahmen der Sentinel-Satelliten. Die Daten veröffentlichen sie für jedermann zugänglich auf der Onlineplattform http://sao.eurac.edu. Fürs Herunterladen ist es notwendig sich auf dem Portal zu registrieren. Das Angebot reicht von Rohdaten über nur zum Teil bearbeitete Materialien – interessant für spezialisierte Bereiche – bis hin zu aufbereiteten Karten oder Zeitreihen, die Verwaltungen sofort nutzen können.
„Was diese Plattform so besonders macht, ist der Faktor Zeit: Die Frequenz der Aufnahmen erlaubt uns, permanent jede Veränderung auf der Erdoberfläche aufzuzeichnen und die Entwicklung bestimmter Phänomene wie etwa Bodenbewegungen in verschiedenen Gebieten im Alpenraum zu vergleichen. Bei Naturkatastrophen können wir Aufnahmen von verschiedenen Zeitpunkten übereinander legen, um Schäden einzuschätzen“, ergänzt Carlo Marin, Fernerkundungsexperte von Eurac Research.
Das Sentinel Alpine Observatory ist eine offene Plattform. Partner sind internationale Netzwerke wie das Earth Observation Data Centre (EODC) und das Virtual Alpine Observatory (VAO). Ziel der Forscher ist es, „die Plattform so bekannt wie möglich zu machen, damit sie die Forschung zum Alpenraum weiter voranbringen kann“ schließt Carlo Marin. Dazu haben die Forscher den Blog http://sao.eurac.edu/blog eingerichtet, auf dem sie laufend über ihre Arbeit berichten.