Von: apa
Die Unternehmensstrategie der finanziell angeschlagenen Immobiliengruppe Signa rund um den Tiroler Investor René Benko steht zunehmend unter Kritik. So soll Benko die Bewertungen von Immobilien “mit teuren Mietverträgen hochgeschraubt” haben, schreibt das deutsche “Handelsblatt” (Dienstagsausgabe). Aus Expertensicht lägen die Mieten für die Luxuskaufhäuser teils deutlich über dem Marktniveau. Wuchermieten stellt die Signa aber in Abrede – sie “wies sämtliche Vorwürfe zurück”.
Wie andere große Immobilienkonzerne dürfte auch die Signa die vorhandenen Bewertungsspielräume weidlich ausgenutzt und die geplanten Immobilien sehr hoch bewertet haben. Im Rahmen der internationalen Bilanzregeln (IFRS) ist das möglich. “Nach dem IAS 40 (International Accounting Standards, Anm.), das die Bilanzierung von Immobilien an Finanzinvestitionen regelt, ist die Bewertung sehr stark vom Ermessen der Gutachter abhängig”, erklärte der Leiter des Instituts für Unternehmensrechnung und Wirtschaftsprüfung an der Johannes Kepler Universität Linz, Roman Rohatschek, laut “Oberösterreichische Nachrichten” (Dienstagsausgabe). Es komme sehr stark darauf an, wer die Gutachter und wie seriös sie sind. Hinzu stelle sich die Frage, wie hoch die zu erwartenden Mieteinnahmen seien.
Benko habe bei den Bewertungen und Einnahmenerwartungen “massiv übertrieben”, zitiert die “OÖN” den Geschäftsführer des Gläubigerschutzvereins Creditreform, Gerhard Weinhofer. Er sei ein Anhänger des im österreichischen Unternehmensgesetzbuch (UGB) geltenden Niederstwertprinzips, das von kaufmännischer Vorsicht geprägt ist und vom Anschaffungswert von Immobilien ausgeht. Damit könne man aber das Eigenkapital nicht so schön darstellen.
Im Zuge des Insolvenzverfahrens rund um die Signa Holding sei es nicht unwahrscheinlich, dass es zu einer pauschalen Abwertung der Signa-Immobilien um beispielsweise 30 bis 40 Prozent komme, um auch einen realistischen Zerschlagungswert im Falle eines Konkurses zu ermitteln, heißt es in dem Bericht weiters.
Insider werfen Benko laut “Handelsblatt” vor, die Bewertungen seiner Kaufhäuser mit “Knebelverträgen in die Höhe getrieben und das Signa-Portfolio so künstlich aufgeblasen” zu haben. Je höher die Miete und je länger laufend der Vertrag, desto mehr ist ein Objekt wert – zumindest auf dem Papier. Die Vorwürfe entbehrten jeglicher Grundlage, konterte ein Medienanwalt des Unternehmens der Zeitung zufolge auf Nachfrage.
Aus Expertensicht seien die Handelsmieten überhöht: Beim Alsterhaus in Hamburg betrage die Mietbelastung bei einem geschätzten Umsatz von rund 70 Mio. Euro gut 17 Prozent des Umsatzes. Das sei “sehr hoch”, zitiert das “Handelsblatt” den geschäftsführenden Gesellschafter der BBE Handelsberatung, Johannes Berentzen. Die BBE ist Spezialist für die Bewertung, Entwicklung und das Management von Handelsimmobilien. Beim Kaufhaus Oberpollinger in München “liegt die Miethöhe an der absoluten Schmerzgrenze”, so Berentzen. Bei einem geschätzten Umsatz von 130 Mio. Euro erreiche der Mietanteil rund 20 Prozent des Umsatzes. Mit den hohen Mieten könne der Eigentümer die Bewertung seiner Immobilien nach oben treiben, bestätigte der Experte laut der Zeitung. Das Berliner Luxuskaufhaus KaDeWe hingegen könne die sehr hohe Miete von 50 Mio. Euro “wohl eher gut verkraften”, meinte Berentzen weiters. Sie mache gerade mal knapp 13 Prozent des Umsatzes aus. Der Umsatz pro Quadratmeter Verkaufsfläche erreiche dort knapp 6.700 Euro, beim Oberpollinger aber nur 3.800 Euro.
Unternehmenskreise zufolge sollen auch der bei der Schweizer Signa-Tochter Galeria die Mieten für die 18 Häuser, bei denen Signa noch Eigentümerin ist, deutlich über dem Marktpreis liegen, berichtet das “Handelsblatt” und zitiert einen Insider: “Wenn die Signa-Mieten marktkonform wären, läge der Gewinn bei Galeria um 70 Mio. Euro höher.”
Wie beim KaDeWe habe die Signa auch bei Galeria im Gegenzug für die teuren Mietverträge Investitionen zugesagt. Nach der Insolvenz der Signa Holding Ende November sei aber fraglich, ob die zugesagten Zahlungen im Volumen von 200 Mio. Euro überhaupt noch fließen.
Innerhalb der Signa wurden durch die Montagabend kommunizierte fristlose Entlassung des Vorstandschefs der beiden aktuell nicht insolventen Töchter Signa Prime Selection und Signa Development Selection, Timo Herzberg, Ungereimtheiten innerhalb des Immobilienimperiums evident. Die genauen Gründe sind nach wie vor unbekannt. Die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” habe am Montag in der Früh dem Aufsichtsrat der Immobiliengesellschaften einen umfangreichen Fragenkatalog zu Recherchen geschickt, in denen es “um mögliche fragwürdige Geschäfte Herzbergs” ging, berichtet die “F.A.Z.” online. Dabei gehe es unter anderem um eine Gesellschaft namens Havit, an der der Manager die Mehrheit halte. Sie habe Flächen in Signa-Gebäuden gemietet, allerdings offenbar zu marktunüblichen, günstigen Mieten. Eine Anfrage der Zeitung vom Montag ließ Herzberg den Angaben zufolge bisher unbeantwortet.
“Die Gründe für die Entlassungen sind ein dringender Verdacht auf grobe Verletzungen der Pflichten als Vorstandsmitglied”, hatte es in der Unternehmensmitteilung Montagabend kryptisch geheißen. “Die Verdachtslage war eindeutig und ließ den Aufsichtsräten keine andere Wahl”, so der Aufsichtsratsvorsitzende der Gesellschaften und frühere österreichische Kanzler, Alfred Gusenbauer.
Bereits nächste Woche könnte sich entscheiden, ob aus einem von der insolventen Signa Holding angestrebten Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung eines mit Fremdverwaltung wird. Die Gläubiger bekämen dann nur 20 statt 30 Prozent ihrer Forderung. Im Jänner soll feststehen, wer tatsächlich wie viel Geld von Signa will, und am 12. Februar soll ein Szenario vorliegen, wie es mit der Gruppe weitergeht.