Von: apa
Im Zuge der milliardenschweren Insolvenz der Immobiliengesellschaft Signa Holding hat heute, Dienstag, die erste Gläubigerversammlung am Handelsgericht Wien stattgefunden. Sanierungsverwalter Christof Stapf legte einen Zwischenbericht vor. Er habe die gesamte Geldgebarung an sich gezogen und mit der Datenanalyse begonnen. Erste Vermögenswerte wie das Chrysler Building in New York, die Medienbeteiligungen und der Privatjet der Firma werden verkauft.
Die Mietverträge des Signa-Sitzes in zwei Wiener Innenstadtpalais sind den Angaben zufolge bereits aufgelöst. “Die Kosten für den Fortbetrieb der Signa Holding GmbH sind vorerst gedeckt. Dies auch mit Unterstützung von Herrn René Benko persönlich”, teilte der Kreditschutzverband KSV1870 im Anschluss an die knapp einstündige Sitzung mit. Das Insolvenzgericht habe die Fortführung des Unternehmens genehmigt, bekräftigte der Gläubigerschutzverband Creditreform. Mehrere Dutzend Gläubigervertreter seien heute anwesend gewesen.
Als fix gilt aber auch, dass für die Finanzierung des komplexen Verfahrens “weitere Sicherstellungen notwendig” sind, so Stapf. Der exakte Liquiditätsbedarf werde “diese oder kommende Woche” feststehen, dürfte aber über den bereits getätigten und zugesagten Zuschüssen des Signa-Gründers Benko von “in Summe bisher 3 Mio. Euro” liegen. Zur Sicherung des Fortbetriebs sei bisher 1 Mio. Euro bezahlt worden, so der KSV1870.
Bis dato hätten 43 Gläubiger Forderungen in Höhe von rund 1,13 Mrd. Euro angemeldet – die Anmeldefrist für Forderungen endet am 15. Jänner 2024.
Es bleibe abzuwarten, ob die im Eigenantrag von der Signa Holding festgehaltenen, potenziellen Verbindlichkeiten in Höhe von 5 Mrd. Euro tatsächlich durch die Gläubiger zur Anmeldung gebracht würden. Anders als bei Kika/Leiner gehört der Staat nach Auskunft von Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur, am Dienstag im Ö1-“Morgenjournal” des ORF nicht zu den größten Gläubigern bei der Signa-Pleite.
Die bisherige Überprüfung habe ergeben, dass “im Bereich des mittleren Managements der Gruppe ein Mangel an Managementkapazitäten mit übergreifendem Wissen” bestehe und “die Holding ihrer Kontrollfunktion zuletzt nur mehr teilweise nachgekommen ist”, gab Insolvenzverwalter Stapf weiters bekannt.
Vorbehaltlich weiterer Recherchen habe die bisherige Überprüfung der Geschäftsvorgänge des vergangenen Jahres mehrere Geschäftsfälle ergeben, die für das weitere Verfahren von Relevanz seien. Erst nach umfassender Prüfung dieser Fälle könne die Angemessenheit des angebotenen Sanierungsplans überprüft werden.
Konkret sind laut Creditreform 53 Geschäftsfälle der vergangenen zwölf Monate hinsichtlich Anfechtungsansprüchen und Rückforderungsansprüchen oder ähnlichen Ansprüchen zu prüfen. Das Ergebnis daraus “wird mitentscheidend sein für die Angemessenheitsprüfung der angebotenen Sanierungsplanquote”.
Für den beschleunigten Verkauf von Beteiligungen und Vermögen wurde bereits ein Verwertungsplan in Gang gesetzt. Nicht zwingend notwendige Bestandsverträge werden und wurden bereits laut Sanierungsverwalter aufgelöst – so etwa für die Liegenschaft des Firmensitzes im Palais Harrach und Palais Ferstel in der Wiener Innenstadt. Eine Ablöse der getätigten Investitionen in Gebäude und Inventar werde geprüft.
Sämtliche als Repräsentation und Akquise bezeichneten Teilbetriebe – wie etwa Jagd-, Flug und sonstige Repräsentationsaktivitäten – seien “unmittelbar geschlossen” worden. Der Personalstand der Signa Holding sank von 42 auf 8 Beschäftigte. Die Verwertung des Privatjets der Holding des Typs Cessna Citation XLS sei “im Gange”. Ebenfalls abgestoßen werden sollen die Medienbeteiligungen der Immobiliengruppe. Weiters würden Gespräche über die Beteiligung an der Signa RFR US Selection AG geführt, zu der das Chrysler Building in New York gehört.
Allein die insolvente Signa-Dachgesellschaft Signa Holding GmbH verfügt laut Eigenangaben über 53 direkte Beteiligungen an Gesellschaften und mittelbare Beteiligungen an mehreren hundert weiteren Gesellschaften. Das vorläufige Organigramm der Gruppe per Ende September 2023 umfasst laut Stapf insgesamt 46 Seiten im A3-Format. Aufgrund der Komplexität des Firmengeflechts der Signa-Gruppe sie die Aufarbeitung sämtlicher relevanter Informationen “äußerst aufwendig und dauert auch weiterhin an”, so der Gläubigerschutzverband AKV. Auch aus diesem Grund könne “noch keine seriöse Einschätzung zur Angemessenheit oder Erfüllbarkeit des derzeit angebotenen Sanierungsplanes getroffen werden”.
Um sich leichter einen Überblick über die Vorgänge im komplizierten Firmengeflecht zu verschaffen, hat sich der Insolvenzverwalter das Consultingunternehmen Deloitte als unabhängigen Berater an Bord geholt. Die vom Gericht aufgetragene Datensicherung “gestaltet sich als schwierig”, sei aber nunmehr mit erheblicher Verzögerung begonnen worden. Die externen Sachverständigen von Deloitte sollen bei der finanziellen Aufarbeitung des Falles unterstützen und seien mit der ergänzenden Analyse der Liquiditätsplanung, der Analyse des Beteiligungsportfolios und der Unterstützung bei der Abwicklung und Durchführung von Verkaufsprozessen betraut worden.
Peschorn warf der Signa in dem heutigen Radiobeitrag “gelebte Intransparenz” vor. Man müsse nicht nur Transparenz schaffen bei den Signa-Unternehmen untereinander, “sondern vor allem auch gegenüber Beratern und sogenannten Investoren”. “Hier scheint einiges noch im Dunkeln zu sein.” Im Gegensatz zur Kika/Leiner-Pleite, bei der der Staat einer der größten Gläubiger war, sei die Republik bei Signa “nicht in der ersten Reihe”, strich Peschorn hervor. Allerdings könnte durch Signa-Pleite der Immobilienmarkt in Unruhe geraten und dazu führen, “dass der Staat mittelbar hier einschreiten muss”, fast jede Finanzkrise habe mit Immobilienkrisen begonnen.
Es gehe jetzt darum, “die Verantwortlichkeiten aller beteiligten Personen zu prüfen”, insbesondere auch der Berater, die über Jahre eingeschritten sind. Ein Mensch alleine schaffe nicht so ein Firmenkonglomerat. Ein Mensch alleine schaffe es nicht, jahrelang zu verhindern, dass man im Firmenbuch die Abschlüsse vorlegt und Transparenz schafft. Da stünden mehrere dahinter. Und die sollten alle identifiziert werden und entsprechend zur Verantwortung gezogen werden, so Peschorn.
Der Sanierungsverwalter ist indes bemüht, die Stabilisierung der beiden aktuell nicht insolventen Holding-Töchter Signa Development Selection AG und Signa Prime Selection AG zu unterstützen. Die Restrukturierungs- und Sanierungsbemühungen seien im Laufen. Das gelte auch für die Signa Retail GmbH, in der die Handelsbeteiligungen gebündelt sind. Deren Tochtergesellschaften Signa Retail Selection AG und Signa European Invest Holding AG befänden sich in einem schweizerischen Nachlassverfahren.
Da die Organe der Gesellschaft den Angaben zufolge “motiviert und konzentriert” mit dem Sanierungsverwalter zusammenarbeiten, ist nach Auffassung von Stapf “nach heutigem Verfahrensstand keine Veränderung der Verfahrensart notwendig”. Die Signa Holding hatte ein Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung angemeldet. Das bleibt vorerst so. “Ein Entzug der Eigenverwaltung ist jedoch weiterhin in jedem Stadium des Insolvenzverfahrens möglich”, merkte Heinz Götze, Leiter Insolvenz des KSV1870, an.
Die Signa Holding bietet seinen Gläubigern eine Sanierungsquote von 30 Prozent zahlbar binnen zwei Jahren an – das wären rund 1,5 Mrd. Euro der insgesamt 5 Mrd. Euro, die das Unternehmen als potenzielle Passiva angegeben hat. Am 29. Jänner 2024 findet am Handelsgericht Wien die Prüfungstagsatzung statt. Die für die Gläubiger entscheidende Sanierungsplantagsatzung wurde den Gläubigerschutzverbänden zufolge für 12. Februar 2024 anberaumt. “Die Prüfung der Angemessenheit des Sanierungsplanvorschlages innerhalb von 90 Tagen bleibt eine Herkulesaufgabe”, so Götze.
Die Signa Holding hatte die Insolvenz am 29. November beantragt, im Anschluss daran sind auch einige Signa-Töchter in Österreich und Deutschland – darunter SportScheck und die Informationstechnologie GmbH – bereits in die Zahlungsunfähigkeit geschlittert. Der stark verschachtelte Signa-Konzern mit seinen rund 1.000 Gesellschaften ist das bisher größte Opfer der Turbulenzen am Immobilienmarkt. Neben gestiegenen Zinsen machen Immobilienunternehmen auch höhere Baukosten und das Ausbleiben großer Immobilientransaktionen zu schaffen. Bei Signa kamen hausgemachte Probleme in der Unternehmensstrategie hinzu.