Von: Ivd
Kaltern – Die Bürgervereinigung Stop Pestizide Südtirol informierz über eine geplante Wanderung um den Kalterer See. “Am 1. Mai 2024 findet am Kalterer See die alljährliche ‘Wanderung für eine nachhaltigere Landwirtschaft’ statt – als Alternative zur Apfel-Monokultur, die einen massiven Einsatz chemischer Pestizide mit sich bringt.“
„Im Trentino (insbesondere im Nonstal) und in Südtirol wird seit mehreren Jahrzehnten intensiver Apfelanbau betrieben. jedes Jahr werden 1.500.000 Tonnen Äpfel in unserer Region produziert, was 70 Prozent der italienischen Produktion entspricht. Ungefähr neun von zehn dieser Äpfel stammen aus dem ‘integrierten Obstanbau’, welcher große Mengen an chemisch-synthetischen Fungiziden, Akariziden, Insektiziden, Herbiziden und Hormone erlaubt (siehe dazu die AGRIOS-Liste der 570 im Jahr 2024 im Südtiroler Obstbau zugelassenen Pflanzenschutzmittel)“, heißt es.
Die Vereinigung betont weiter: „Die Istat-Daten für das Jahr 2021 zeigen, dass in der Region Trentino-Südtirol 4.602.311 Kilogramm Pflanzenschutzmittel verkauft wurden (Quelle). Viele der darin enthaltenen Wirkstoffe seien giftig und somit schädlich für die menschliche Gesundheit und die Umwelt, wie beispielsweise:
– Captano Arysta 80 WG mit dem Fungizid-Wirkstoff Captan kann im Laufe eines Jahres zehn Mal verwendet werden. Captan verursacht laut Gefahrenhinweisblatt schwere Augenschäden, steht im Verdacht Krebs zu erregen und ist sehr giftig für Wasserorganismen.
– DELAN 70 WG mit dem Fungizid-Wirkstoff Dithianon darf im Laufe eines Jahres 6-mal verwendet werden. Laut Gefahrenhinweisblatt verursacht Dithianon schwere Augenschäden, ist giftig bei Verschlucken; steht im Verdacht, Krebs zu erregen, und ist sehr giftig für Wasserorganismen.
– ERBITOX M Pro mit Herbizid-Wirkstoff MCPA ist laut Gefahrenhinweisblatt gesundheitsschädlich bei Verschlucken, verursacht Hautreizungen, schwere Augenverletzungen und ist sehr giftig für Wasserorganismen.
– JUVINAL GOLD mit dem Insektizid-Wirkstoff Pyriproxyfen kann laut Gefahrenhinweisblatt bei Verschlucken und Eindringen in die Atemwege tödlich sein; verursacht Hautreizungen und ist sehr giftig für Wasserorganismen.
– BANJO, FLUAZINOVA und NANDO MAXI mit dem Fungizid-Wirkstoff Fluazinam; letzteres kann im Laufe eines Jahres viermal verwendet werden. Laut Gefahrenhinweisblatt verursacht es Hautreizungen, steht im Verdacht den Fötus zu schädigen und ist sehr giftig für Wasserorganismen.“
„Durch die Abdrift gelangen die in Apfelplantagen und Rebanlagen versprühten chemisch-synthetischen Pestizide auch in die Häuser, öffentliche und private Gärten, Gemüsegärten und auf Spiel- und Sportplätze; auch Rad- Spazier- und Wanderwege sind von Pestizid-Abdrift betroffen. Die negativen Auswirkungen des industriellen Apfelanbaus, der um jeden Preis eine maximale Produktion anstrebt, sind vielfältig:
• Risiken für die menschliche Gesundheit. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass die PestizidExposition mit einer Reihe schwerwiegender Gesundheitsprobleme verbunden ist, darunter neurologische Störungen, Atemwegserkrankungen und Krebs.
• Verlust der Artenvielfalt. Um Platz für Apfelmonokulturen zu schaffen, wurden wichtige Tier- und Pflanzenlebensräume zerstört. Laut der „Roten Liste gefährdeter Tierarten“ sind in Südtirol rund 1.100 Arten aufgrund intensiver Bewirtschaftung bedroht.
• Das Bienensterben betrifft seit Jahren auch das Trentino-Südtirol. Insbesondere Wildbienen und andere Insekten sind aufgrund des Verschwindens ihrer Lebensräume (artenreiche Wiesen …) und durch den Einsatz schädlicher chemisch synthetischer Herbizide und Insektizide bedroht.
• Die Apfelmonokultur hat zu einer Degenerierung der Agrarlandschaft geführt: Wälder im Talboden wurden gerodet; Wiesen, Hecken, Trockenmauern und einzelne Bäume aber auch andere Nutzpflanzen sind verschwunden. zehntausende von Apfelbäumchen, die von Betonsäulen gestützt und mit Polyethylennetzen vor Hagelschlag geschützt werden (müssen), charakterisieren unsere aktuelle, monotone Landwirtschaft.
• Qualitative Verschlechterung der Böden, der Gewässer und der Luft durch den Einsatz von chemischsynthetischen Insektiziden, Herbiziden, Fungiziden und Düngemitteln.
• Anstieg des Energieverbrauchs und der Treibhausgasemissionen. Die meisten in Trentino-Südtirol produzierten Äpfel müssen über viele Monate in Kühlhäusern gelagert und anschließend über weite Strecken in andere EU-Länder und andere Kontinente transportiert werden, was zu einem hohen Verbrauch nicht erneuerbarer Energie (Erdöl) und einem Anstieg des Straßenverkehrs, der Umweltbelastung und CO2-Emissionen führt“, so die Bürgervereinigung.
„Der Wunsch der Vereine und Bürger, die am 1. Mai 2024 an der Rundwanderung am Kalterer See teilnehmen, ist eine Veränderung der Landwirtschaft. Als Alternative zur aktuellen Agroindustrie unterstützen wir die biologische und biodynamische Landwirtschaft und kurze Lieferketten. Viele praktische Beispiele konnten in den letzten Jahren beweisen, dass es möglich ist, Gesundheit und Umwelt zu respektieren durch:
• Herstellung gesunder Lebensmittel und Schaffung von Arbeitsplätzen,
• Verbesserung der Vielfalt lokaler Produkte,
• Förderung der Artenvielfalt, der Boden- und Wasserqualität,
• Resilienz gegenüber dem Klimawandel
• Schutz der Gesundheit und des Wohlbefindens unserer Kinder und der Lebewesen“, meint die Vereinigung.
Abschließend fordert Stop Pestizide Folgendes: „Für die Veränderung der Landwirtschaft braucht es kleine, bäuerliche Betriebe, eine finanzielle und technische Unterstützung für die ökologische Umstellung, eine Politik der Entglobalisierung, die dem gegenwärtigen frenetischen Wettbewerb, der für Menschen, Landschaft und Ökosysteme schädlich ist, ein Ende setzt.”
Konkret fordert die Vereinigung:
- “Die Anwendung des Vorsorgeprinzips, d.h. das Verbot der Verwendung der gefährlichsten chemischsynthetischen Pestizide und die Aktivierung von gesetzlich bereits vorgesehenen Kontrollen und entsprechende Sanktionen;
- die wissenschaftliche Erforschung von möglichen Zusammenhängen zwischen der Pestizid-Exposition und Unfruchtbarkeit und Krankheiten, wie Parkinson, Tumore und Demenz;
- den Schutz der (landwirtschaftlichen) Arbeiter*innen, aller Bürger*innen und der Tierwelt vor den Auswirkungen des Einsatzes von chemisch-synthetischen Pestiziden. Konkret bedeutet dies, die Umsetzung des Beschlussantrages Nr. 657/2022 „Pestizidmonitoring auf Spielplätzen – weil Gesundheit immer Vorrang hat“ und die Information der Bürger*innen über die Ergebnisse.
- die Verhinderung der Ausbreitung von Monokulturen, insbesondere von Obst- und Rebanlagen im gesamten Gebiet, unabhängig davon, ob diese konventionell, integriert oder biologisch wirtschaften. Dafür braucht es die gezielte Förderung einer diversifizierten, lokalen und biologischen Landwirtschaft.
- Schutz der Artenvielfalt und der natürlichen Lebensräume: Wiesen, Wälder, Biotope, Gewässer und Seen;
- ein vollständiges Verbot chemisch-synthetischer Pestizide in Europa bis 2035.“