Von: mk
Bozen – Das Umweltinstitut München kritisiert den Südtiroler Beratungsring für Obst- und Weinbau, weil er seinen Mitgliedern zum Kauf von Chlorpyrifos-methyl rät. Das Insektizid hat in der Europäischen Union seine Zulassung verloren. Restbestände sind bis 16. April aufzubrauchen oder zu entsorgen. Doch auch das Umweltinstitut ist kein unbeschriebenes Blatt in Südtirol. Der private Verein ist unter anderem für das umstrittene Pestizid-Plakat verantwortlich.
Das Insektizid Chlorpyrifos-methyl, das bisher auch in Südtirol eingesetzt wird, hat in der Europäischen Union seine Zulassung verloren. Restbestände sind bis 16. April aufzubrauchen oder zu entsorgen. „Es gibt starke Hinweise darauf, dass der Wirkstoff die Gehirnentwicklung von Kindern im Mutterleib schädigt. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit sieht daher die Zulassungskriterien nicht als erfüllt an“, erklärt das Umweltinstitut München.
Der Südtiroler Beratungsring für Obst- und Weinbau rät seinen Mitgliedern trotzdem dazu, das Mittel kurz vor dem Inkrafttreten des Verbots noch einmal zu kaufen und zu benutzen. In einem Rundschreiben vom 6. Februar 2020 schreibt der Beratungsring: „Wir empfehlen noch für eine Behandlung Chlorpyrifos-methyl anzukaufen bzw. eventuelle Restbestände bis spätestens zum Grüne Knospen-Stadium zur Blutlaus- und Blattsaugerbekämpfung einzusetzen.“
Karl Bär, Referent für Agrarpolitik beim Umweltinstitut, erklärt dazu: „Wir halten es für absolut unverantwortlich, die Empfehlung auszugeben, jetzt noch schnell vor Eintritt des Verbots Chlorpyrifos-methyl einzukaufen und anzuwenden, obwohl der Stoff durch die EU gerade wegen seiner Gefahren für Kinder verboten wurde.“ Eine solche Empfehlung mitten im Winter zu geben, bevor über die Notwendigkeit der Behandlung überhaupt ein Urteil gefällt werden kann, sei nach Einschätzung des Umweltinstituts zudem nicht mit den Grundsätzen des integrierten Anbaus vereinbar.
Das Umweltinstitut München fordert den Beratungsring deshalb in einem offenen Brief auf, seine Empfehlung zu korrigieren, die Mitglieder über die Gefahren des Insektengifts aufzuklären und zu empfehlen, Reste davon gegebenenfalls fachgerecht zu entsorgen. „Das ist die einzige richtige Entscheidung im Sinne der Familien in der Südtiroler Landwirtschaft und ihrer Umgebung“, erklärt Karl Bär.
Das Umweltinstitut hatte im Sommer 2017 am S-Bahnhof Karlsplatz in München ein Plakat im Stil einer IDM-Werbeanzeige veröffentlicht, das die offizielle Südtirol-Dachmarke aufs Korn nahm. Ziel sei es gewesen, auf die Gefahren des intensiven Pestizideinsatzes und der riesigen Apfel-Monokulturen aufmerksam zu machen, wie der Verein über Pressemitteilungen wissen ließ.
Das Plakat zeigte eine Obstplantage, durch die ein Traktor fährt und Pflanzen bespritzt. „Südtirol sucht saubere Luft.“ stand in großen Buchstaben vor dem Foto. Das Plakat verwies auf die eigens eingerichtete Homepage www.pestizidtirol.info.
Nach einer „rechtlichen Androhung“ wurde das Pestizidtirol-Plakat abgedeckt. Das Land Südtirol hatte von einem Imageschaden gesprochen.
Das Plakat sorgte damals allerdings nicht nur für Ärger, sondern auch für Spott: Auf dem Bild sah man kurioserweise nämlich keinen Apfelbauern beim Spritzen von Pestiziden, sondern einen Weinbauern, der Kalk ausbrachte und zudem noch als Vorbild-Betrieb im Bereich der biologischen Landwirtschaft in Südtirol gilt.
Der Südtiroler Beratungsring für Obst- und Weinbau ist die weltweit größte privatrechtliche Beratungsorganisation im Obst- und Weinbau. Von den 6.829 Mitgliedern sind 6.152 “ordentliche” (gemeldeter Kulturgrund in Südtirol) und 677 “korrespondierende” (ohne Kulturgrund in Südtirol). Ziel sei eine unabhängige und objektive Beratung zur wirtschaftlichen und umweltgerechten Produktion von Apfel, Weinbau, Marille und Kirsche, heißt es auf der Homepage.