Von: luk
Bozen – Zum Internationalen Tag der Artenvielfalt beginnen Wissenschaftler von Eurac Research flächendeckend für ganz Südtirol mit der systematischen Langzeiterfassung der Biodiversität. Die Ergebnisse werden Zusammenhänge zwischen Klima, menschlichem Einfluss und der Südtiroler Flora und Fauna aufzeigen.
Biodiversität ist die Grundlage unserer Nahrung, sie ist die Voraussetzung für intakte Ökosysteme und gleichzeitig die wirtschaftliche Grundlage für die kommenden Generationen. Unter der Leitung von Eurac Research startet Südtirol ein langfristiges, flächendeckendes Biodiversitäts-Monitoring, das zeigen soll, wie rasch sich die Artenvielfalt ändert und wo die Änderungen besonders schwerwiegend sind. Es dient nicht nur der Grundlagenforschung, sondern soll auch die wissenschaftliche Basis für politische Entscheidungen liefern, besonders in Bezug auf Raumplanung, Landwirtschaft und Natur- und Umweltschutz. Anlässlich des Internationalen Tags der Biodiversität am 22. Mai stellten die Forscher das Projekt vor und zeigten, wie sie verschiedene Pflanzen- und Tierarten erheben. Finanziert wird das Forschungsvorhaben von der Südtiroler Landesregierung.
320 Erhebungspunkte, verteilt über ganz Südtirol, werden in den kommenden Jahren untersucht. Alle fünf Jahre werden die Erhebungen an den einzelnen Punkten wiederholt. Erfasst werden vor allem Arten und Artengruppen, die sensibel auf Umwelt- und Landnutzungsänderungen reagieren. So stehen neben Vögeln und Gefäßpflanzen auch verschiedene Insektengruppen im Fokus der Erhebungen, etwa Heuschrecken und Tagfalter, aber auch Fledermäuse. „Wir legen ein dichtes Netz an Erhebungspunkten über Südtirol, das regelmäßig beprobt wird. So decken wir alle Lebensräume ab, von der Stadt bis zum Hochgebirge“, erklärt die Ökologin Ulrike Tappeiner, Leiterin des Instituts für Alpine Umwelt von Eurac Research. „Neben den Arten werden auch Umweltparameter und die Landschaftsstruktur aufgenommen. Denn das Langzeit-Monitoring soll uns Zusammenhänge aufzeigen, die wir sonst nicht erkennen würden.“ Mit diesem systematischen und kontinuierlichen Monitoring könne man endlich den Zustand und die Entwicklung der biologischen Vielfalt für ganz Südtirol erfassen, so Tappeiner.
Besonderes Augenmerk legen die Forscher auf Lebensräume der Kulturlandschaft, also Weinberge, Obstanlagen oder Wiesen. So liegt einer der ersten Erhebungspunkte am Reiterhof oberhalb Bozen, in einem typischen Weinberg. Auf der abgesteckten Fläche begeben sich die Forscher auf die Such nach typischen Weinbergpflanzen wie etwa der Traubenhyazinthe, der Taubnessel oder dem Persischen Ehrenpreis und schätzen ihre Häufigkeit ab. Um die Fledermausarten zu erfassen, installieren die Experten im Weinberg für drei Nächte lang ein Gerät – in der Fachsprache Batlogger genannt –, das die Fledermausrufe aufzeichnet. Für die Bodenerhebung schneiden die Forscher Bodenziegel aus und bestimmen zum einen die Körnung, den Nährstoff- und Humusgehalt, zum anderen die vorhandenen Bodentierchen. Für die Erhebung von Tagfaltern und Heuschrecken hingegen ist das Streifnetz das wichtigste Hilfsmittel. „Jede Organismengruppe braucht unterschiedliche Methoden und Instrumente. Das Entscheidende ist jedoch die menschliche Kompetenz. Denn beim Bestimmen der Vogelarten ist das wichtigste Messgerät das menschliche Ohr. Das Bestimmen der Schmetterlinge ist Handarbeit, ebenso die botanische Erfassung. Die Technik ist hier sekundär“, erklärt Andreas Hilpold, Forscher von Eurac Research, die Vorgangsweise. Die Eingriffe der Forscher in die Erhebungsflächen sind gering. „Wir betreten die Flächen jeweils für zwei bis drei Stunden. Die Erhebung wird für einige Tiergruppen im Laufe des Jahres wiederholt, um ein vollständiges Bild über ihre Vorkommen zu erhalten“, so Hilpold, der unterstreicht: „Alle Besitzer der landwirtschaftlichen Flächen, die wir beproben, haben natürlich ihr Einverständnis gegeben.“
Wichtiger Partner im Projekt ist das Naturmuseum Südtirol. Hier, in der zentralen Dokumentationsstelle für Flora und Fauna in Südtirol, laufen sowohl die gesammelten Belege als auch die Daten zusammen. „Auf europäischer Ebene gibt es ein so engmaschiges Biodiversitäts-Monitoring bislang nur in der Schweiz. Ich bin mir sicher, dass wir in Südtirol von Jahr zu Jahr äußerst wertvolle Erkenntnisse aus den gesammelten Daten ziehen werden“, resümiert David Gruber, Direktor des Naturmuseums.
Landesrat Arnold Schuler, der gemeinsam mit den Wissenschaftlern den ersten Spatenstich für das Forschungsvorhaben setzte, unterstrich: „Ich werde das Thema Artenvielfalt in den Mittelpunkt meiner Legislaturperiode stellen. Die Landesregierung wird deshalb in den nächsten Wochen ein Konzept zum Thema Artenvielfalt in Südtirol vorstellen. Dabei sind die wissenschaftliche Begleitung und Kontrolle besonders wichtig, und diese werden mit dem Biodiversitäts-Monitoring sichergestellt.“