Von: luk
Bozen – Die Frühjahrsumfrage des Wirtschaftsbarometers zeigt eine leichte Verschlechterung des Geschäftsklimas in Südtirol im Vergleich zur vorherigen Erhebung im Herbst, was unter anderem auf die Schwäche der deutschen Wirtschaft und die erwarteten US-Zölle zurückzuführen ist. Das WIFO – Institut für Wirtschaftsforschung der Handelskammer Bozen bestätigt seine Schätzung eines Anstiegs des Südtiroler Bruttoinlandproduktes von 0,8 Prozent im Jahr 2024 und prognostiziert für 2025 ein Wachstum von 0,9 Prozent.
Südtiroler Wirtschaft: zunehmende Ungewissheit
Das Geschäftsklima in Südtirol hat sich im letzten Quartal 2024 leicht verschlechtert, insgesamt bewerten aber 88 Prozent der Unternehmerinnen und Unternehmer die Ertragslage im vergangenen Jahr weiterhin als befriedigend. Das Umsatzwachstum war hauptsächlich auf höhere Verkaufspreise zurückzuführen und betraf vor allem die größeren Unternehmen. Was die einzelnen Wirtschaftssektoren betrifft, so stagnierte das Geschäftsvolumen im Verarbeitenden Gewerbe, im Bausektor und im Handel, während es im Verkehrswesen, im Tourismus und bei den Dienstleistungen leicht zunahm. Die Produktionskosten sind gestiegen, was unter anderem auf die höheren Energiepreise der letzten Monate zurückzuführen ist. Der Arbeitsmarkt entwickelte sich weiterhin positiv: 2024 gab es in Südtirol durchschnittlich über 230.000 Arbeitnehmer/innen, was einem Anstieg von 1,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.
Im Vergleich zur vorherigen Umfrage im Herbst haben die Südtiroler Unternehmen auch ihre Rentabilitätserwartungen für 2025 leicht nach unten korrigiert. Dies ist hauptsächlich auf die große Ungewissheit über den Zeitpunkt der Erholung der deutschen Wirtschaft und die erwartete Einführung von US-Zöllen gegen Europa zurückzuführen. Dennoch sind 90 Prozent der Unternehmen zuversichtlich, auch heuer ein (zumindest) befriedigendes Betriebsergebnis zu erzielen. Generell wird weiterhin mit einem steigenden Geschäftsvolumen sowohl in Südtirol, Italien als auch im Ausland gerechnet. Allerdings erwarten mittlere und große Unternehmen eine deutlich bessere Umsatzdynamik als die kleineren, die oft sogar von einem Rückgang ausgehen. Die Investitionstätigkeit wird voraussichtlich auf dem Niveau des vergangenen Jahres bleiben.
Betrachtet man die einzelnen Sektoren, so ist vor allem bei den unternehmensorientierten Dienstleistungen eine Verschlechterung der Rentabilitätsaussichten im Vergleich zur Herbstumfrage festzustellen. Die Erwartungen der landwirtschaftlichen Genossenschaften und der Unternehmen des Großhandels, des Verarbeitenden Gewerbes und des Baugewerbes sind hingegen von mehr Optimismus geprägt.
Weltwirtschaft: Die neue US-Regierung bringt große Verunsicherung
Nach den jüngsten Schätzungen des Internationalen Währungsfonds wuchs die Weltwirtschaft im Jahr 2024 um 3,2 Prozent. Die Wirtschaftsentwicklung übertraf die Erwartungen in den USA, wo das Bruttoinlandsprodukt um 2,7 Prozent zunahm. Die schwache Industrieproduktion bremste dagegen weiterhin das europäische Wachstum. Insgesamt stieg das BIP der Eurozone im vergangenen Jahr um 0,8 Prozent, wobei die deutsche Wirtschaft das zweite Jahr in Folge ein negatives Wachstum verzeichnete (-0,2 Prozent). Der Amtsantritt von Donald Trump als Präsident der Vereinigten Staaten wird 2025 zu einer Neudefinition der internationalen Beziehungen führen, insbesondere was den Handel und die Geopolitik betrifft. In diesem Zusammenhang ist Europa einerseits gefordert, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen, um den Rückzug der USA zu kompensieren. Andererseits braucht es industrie- und handelspolitische Maßnahmen, um die Auswirkungen der amerikanischen Zölle einzudämmen, deren Folgen gerade die zwei wichtigsten Exportländer Deutschland und Italien besonders hart treffen könnten. Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds wird das Wachstum der Eurozone heuer von niedrigeren Finanzierungskosten und einer stärkeren Binnennachfrage profitieren und +1,0 Prozent erreichen. Deutschland wird aber voraussichtlich nur +0,3 Prozent erreichen.
Italiens Wirtschaft kam in der zweiten Hälfte 2024 zum Stillstand
In der zweiten Hälfte 2024 verzeichnete das italienische BIP nahezu ein Nullwachstum. Für das gesamte Jahr schätzt Istat eine Veränderung von +0,7 Prozent. Die größten Schwierigkeiten betreffen den Industriesektor, der seit zwei Jahren einen kontinuierlichen Produktionsrückgang verzeichnet und von den erwarteten US-Zöllen weiter gefährdet wäre. Auch die Investitionsdynamik hat sich aufgrund der Verringerung der steuerlichen Anreize für das Baugewerbe und der Ungewissheit der Unternehmen verlangsamt. Die Inflation, die bei 1,3 Prozent liegt, und der Arbeitsmarkt, auf dem die Arbeitslosenquote auf 6,5 Prozent gesunken ist, scheinen sich besser zu entwickeln. Dem Internationalen Währungsfonds zufolge wird das Wachstum der italienischen Wirtschaft auch 2025 unter einem Prozentpunkt bleiben.
Südtiroler BIP: +0,8 Prozent im Jahr 2024 und +0,9 Prozent im Jahr 2025
Die Vollbeschäftigung und die positive Entwicklung des Tourismus stützten auch 2024 das Wachstum der Südtiroler Wirtschaft. Die hohe Ungewissheit belastet aber die Aussichten für 2025. Das WIFO bestätigt die Schätzung eines Wachstums des Südtiroler BIP von 0,8 Prozent im Jahr 2024 und erwartet für 2025 einen Anstieg von 0,9 Prozent.
Der Präsident der Handelskammer Bozen, Michl Ebner, kommentiert: „Die Konjunkturabschwächung bei unseren wichtigsten Handelspartnern Deutschland und Österreich und die Ungewissheit über die zukünftigen Handelsbeziehungen mit den Vereinigten Staaten wirken sich negativ auf die Wachstumsaussichten unserer Unternehmen aus und unterstreichen die Bedeutung der Erschließung neuer Märkte. Der Bereich Internationalisierung der Handelskammer unterstützt und berät die Südtiroler Unternehmen bei der Erschließung neuer Märkte.“
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