Von: mk
Bozen – Die Bedeutung der Arbeit für eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben steht im Mittelpunkt des Tages der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember.
Arbeits- und Soziallandesrätin Martha Stocker unterstreicht zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung die Bedeutung der Arbeit für eine aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. “Arbeit schafft Anerkennung, bedeutet Wertschätzung und stärkt das Selbstwertgefühl”, so die Landesrätin. “Neben dem Gefühl des Gebrauchtwerdens trägt eine regelmäßige Arbeit zu einem strukturierten Tagesablauf bei”, betont Stocker.
Etwa 170 Menschen mit Behinderungen pro Jahr finden durch gezielte Vermittlung eine Arbeit
In Südtirol sind sei es in der Privatwirtschaft als in öffentlichen Körperschaften insgesamt 3.667 Arbeitsstellen den Menschen mit Behinderung vorbehalten. Dies geht aus der aktuellen Ausgabe der Arbeitsmarkt News hervor, welche die Beobachtungsstelle für den Arbeitsmarkt zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember veröffentlicht hat. 1.863 Menschen waren zum 31. Dezember 2015 in privaten Betrieben und öffentlichen Körperschaften angestellt. Hinzu kommen rund 350 Mitarbeiter, die über ein Anvertrauensabkommen bei privaten Betrieben beschäftigt waren. In den vergangenen zehn Jahren konnten jährlich rund 170 Menschen mit Behinderung durch Maßnahmen der gezielten Arbeitsvermittlung vonseiten der Landesabteilung Arbeit angestellt werden, 26 Prozent davon sind mit einem Anvertrauungsabkommen auf die Beschäftigung vorbereitet worden.
Anvertrauungsabkommen schaffen stabilere Arbeitsverhältnisse
Die Analyse der Beobachtungsstelle für den Arbeitsmarkt zeigt auf, dass sich die Vorbereitung eines Eintrittes in die Arbeitswelt durch ein Anvertrauungsabkommen positiv auf die Dauer und die Stabilität des anschließenden Beschäftigungsverhältnisses auswirkt: Ein Jahr nach ihrer Anstellung sind nur mehr 71 Prozent der Menschen mit Behinderung beim selben Arbeitgeber beschäftigt. Bei jenen, die vorher mit einem Anvertrauensabkommen beschäftigt waren, liegt dieser Anteil jedoch deutlich höher bei nahezu 94 Prozent. Menschen mit Behinderung finden vor allem Arbeit als allgemeine Hilfsarbeiter, Verkäufer, Reinigungskräfte oder Magazinarbeiter.
Neue Formen der Arbeitseingliederung und längerfristige Betreuung
Um angesichts des großen Interesses für einen Arbeitsplatz – Ende Dezember 2015 führten die Arbeitsvermittlungszentren insgesamt 772 Menschen mit Behinderung in den entsprechenden Listen – mehr betroffenen Menschen die Möglichkeit eines Eintrittes in die Arbeitswelt zu bieten, haben das Landesamt für Menschen mit Behinderung, der Arbeitsservice, der Dachverband für Soziales und Gesundheit sowie die Sozialdienste in den vergangenen Monaten an den entsprechenden Durchführungsbestimmungen zum Inklusionsgesetz vom Juli 2015 gearbeitet. Diese sehen neue Formen der Arbeitseingliederung sowie eine Betreuung der Menschen mit Behinderung und der Unternehmen auch nach der Anstellung vor. Durch einen strukturierten, geplanten und begleiteten Übergang von der Schule zum Arbeitsplatz soll eine schnellere und reibungslosere Eingliederung in die Arbeitswelt ermöglicht werden: Dabei wird bereits zwei Jahre vor Schulabschluss mit entsprechenden Gesprächen und Vorbereitungen wie die Feststellung der Arbeitsfähigkeit begonnen. Mithilfe individueller Vereinbarungen zwischen dem Arbeitsservice, der betreffenden Person und einem Betrieb (privater oder öffentlicher Natur, Vereinigung oder Sozialgenossenschaft) können Menschen mit Behinderung nach dem Schulabschluss ihre Fähigkeiten und Kompetenzen stärken, konkrete Arbeitserfahrungen sammeln und in der Folge gezielter vermittelt werden. Diese Vereinbarungen werden für drei bis zwölf Monate geschlossen und sind bis zu einer Gesamtdauer von fünf Jahren erneuerbar. Im Falle einer Anstellung ist die Möglichkeit einer Arbeitsplatzbegleitung durch das so genannte “Jobcoaching” möglich, mit dem Menschen mit Behinderung und ihre Arbeitgeber bei Schwierigkeiten unterstützt und somit stabile Arbeitsverhältnisse gefördert werden. Die Durchführungsbestimmungen sollen noch innerhalb Mitte Dezember der Landesregierung zur Genehmigung vorgelegt werden.
Internationaler Tag der Menschen mit Behinderungen
Auch Martin Telser, Präsident des Dachverbandes für Soziales und Gesundheit, nimmt zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung Stellung: „Es ist vieles erreicht worden, um die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen zu verbessern. Aber auch in Anerkennung aller Leistungen und Fortschritte der letzten Jahre, sind wir dennoch weit entfernt von einer inklusiven Gesellschaft. Sicher, es gibt viele Gesetze und Regelungen um Menschen mit Behinderungen (dazu gehören auch Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung oder chronisch Kranke) stärker ins gesellschaftliche Leben einzubinden. Manchmal habe ich jedoch den Eindruck, dass diese Schutzbestimmungen zunehmend als „Sonderrechte“ und Privilegien empfunden werden. Dabei geht es gar nicht um Sonderrechte, sondern einfach darum, dass Menschen mit Behinderungen dieselben Rechte und Möglichkeiten haben wie alle anderen.“
„Bei der Förderung von Menschen mit Behinderungen geht es nicht um deren Besserstellung, sondern um Nachteilausgleich und die gerechte Verteilung von Lebenschancen. Natürlich fließt Steuergeld in den Bereich. Diese Transferleistungen an die Betroffenen decken jedoch nur Grundbedürfnisse aufgrund der Behinderung, wie Begleitung, Betreuung, Pflege. Und aufgrund der demographischen und medizinischen Entwicklung steigt die Anzahl der Betroffenen. Um den Menschen mit Behinderungen beizustehen, gibt es in Südtirol eine Reihe von Betroffenen-organisationen. Dieses Netzwerk bemüht sich redlich, die Probleme von Menschen mit Behinderungen aufzuzeigen und ihnen zu helfen wo es geht. Es stößt aber auch auf Grenzen, denn die Arbeit der Organisationen stützt sich im Wesentlichen auf die Hilfe von Freiwilligen und Betroffenen“, so Telser.
Nicht zuletzt deshalb seien große Hoffnungen mit dem 2015 verabschiedeten Landesgesetz Nr. 7 zur Teilhabe und Inklusion von Menschen mit Behinderungen verbunden – besonders auch mit dem dort vorgesehenen Monitoringausschuss.
„Seine Bestellung wurde heuer im Sommer auf den Weg gebracht. Dieses Kontrollorgan wird beobachten, ob in Südtirol die Rechte der Menschen mit Behinderungen gewahrt werden, Gutachten und Empfehlungen für Verbesserungen abgeben. Damit die beim Landtag angesiedelte Stelle aber operativ werden kann, müssen zuerst noch die zwei dafür vorgesehenen angestellten Mitarbeiter genehmigt werden. Dies muss ehest möglich geschehen! In jedem Fall wird der Monitoringausschuss einen intensiven Dialog beginnen. Er wird sich intensiv und kontinuierlich mit Fragen, Problemen, Anliegen von Menschen mit Behinderungen auseinandersetzen. Er wird ein wichtiger Impulsgeber werden und zur Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung zum Thema Behinderung beitragen. Und er wird sichtbar machen, dass es in Südtirol noch einige große Baustellen gibt, bei der Inklusion in die Arbeitswelt, beim selbstbestimmten Wohnen, bei Freizeitgestaltung und Mobilität“, erklärt Telser.