„50 Jahre Sozialautonomie. Gestern, heute, morgen!“

Tagung zum Thema Grundsicherung an der Freien Universität Brixen

Dienstag, 03. Dezember 2024 | 11:04 Uhr

Von: mk

Brixen – Das zweite Autonomiestatut hat für Südtirol ein Sozialwesen mit europäischem Standard ermöglicht. Das gilt insbesondere für den Bereich der Grundsicherung, wie die Referenten und Teilnehmer des zweiten Tages der Tagungsreihe, welche von SOPHIA-Sozialgenossenschaft für Forschung und soziale Innovation und der Fakultät für Bildungswissenschaften der Freien Universität in Brixen am 29. November organisiert wurde.

Karl Tragust von SOPHIA stellte in seinem Referat dar, wie bereits 1973 mit dem Landesgesetz 69/73 der Grundfürsorgedienst mit der Leistung zum Lebensminimum eingeführt wurde und mit dem LG 46/78 die Renten für Zivilinvaliden, Blinde und Gehörlose vom Staat ans Land kamen. Das Lebensminimum garantierte ein Auskommen für alle, welche es aus eigener Kraft nicht schafften und bündelte die vielen unkoordiniert ausbezahlten Fürsorgeleistungen zu einem universellen bedarfsgerechten Leistungssystem mit Rechtsanspruch.

Daniela Mesini – vom IRS (Istituto di Ricerca sociale) Mailand – stellte den langen Weg Italiens zu einer universellen Mindestsicherungsleistung dar. Zuletzt hat die Regierung Meloni das von der Regierung Conte im Jahr 2021 eingerichtete „Reddito di cittadinanza“ wieder auf ein geringeres Niveau gekürzt mit dem Ergebnis, dass die absolute Armut in Italien wieder im Steigen ist.

KaI Leichsenring vom Europäischen Zentrum für Sozialpolitik und Wohlfahrt zeichnete ein Bild der Grundsicherung in Europa. Im modernen Sozialstaat ist die steuerfinanzierte Grundsicherung, welche ein adäquates Niveau der Absicherung mit gleichzeitiger Begleitung hin zu Selbständigkeit und Integration zur Verfügung stellt, ein Grundpfeiler, welche mit unterschiedlichem Nuancen in allen Staaten Anwendung findet.

Am Runden Tisch und in der Diskussion wurden als Herausforderungen für die Zukunft vor allem genannt: Vermeidung von zersplitterten parallel laufenden Grundsicherungsleistungen; Vermeidung von mangelnder und wenig abgestimmter Sozialberatung und Begleitung in Selbständigkeit; Notwendigkeit der Einheitsschalter zur Erleichterung des Zuganges und Vermeidung von Hürden in einem Bereich, der häufig mit Unwissen und Scham der Betroffenen zu kämpfen hat; Flexibilität bei den Bedingungen für die Inanspruchnahme der Leistungen wegen der hohen Mobilität der modernen Berufskarrieren und immer wieder sich wandelnder Arbeitsrealität. Armut trifft immer mehr auch Personen in Arbeit (working poors). Es gibt eine Schieflage in der Verteilung der Einkommen und die übermäßigen Wohnkosten sind verantwortlich für eine steigende Verarmung von Familien, Alleinerziehern und Senioren. Grundsicherungsleistungen kommen aus genannten Gründen immer mehr unter Druck. Grundsicherung muss Anliegen aller Politikbereich sein.

Walter Lorenz – Professor i.R. und ehemaliger Rektor der Freien Universität Bozen – zeichnete ein Bild der Dynamik von individueller und solidarischer auf das Gemeinwohl bezogener Autonomie und Verantwortung. Sie sind Grundpfeiler des Sozialstaates, die immer wieder neu auszuhandeln sind. Nur in diesem Prozess der Verantwortungsübernahme aller für die Schwachen der Gesellschaft, und somit für alle, kann der Sozialstaat weiter bestehen.

Bezirk: Eisacktal

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