Von: apa
Wirtschaftsverbände aus Bayern, Tirol und Südtirol haben eine Aufhebung des Nachtfahrverbots für Lkw über den Brenner gefordert. Zeitgleich mit der anstehenden Sanierung der Luegbrücke auf der Tiroler Brennerautobahn (A13) könnte eine solche Aufhebung für Lkw der besten Schadstoffklasse Euro 6 “eine zusätzliche Umweltbelastung durch Stau und stockenden Verkehr erheblich reduzieren”, hieß es in einer Erklärung. Von Tirols Regierung kam ein klares “Nein”.
Der Präsident der Tiroler Industriellenvereinigung, Max Kloger, unterzeichnete die gemeinsame Erklärung am Montag mit Vertretern des Unternehmerverbandes Südtirol (UVS) und der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) in München. Für Nachtfahrten von Lkw können sich die Wirtschaftsverbände eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 60 oder 70 km/h vorstellen. Unmittelbar würde bereits eine Verkürzung des bestehenden Nachtfahrverbots etwa bis 3.00 Uhr eine spürbare Verbesserung bringen, hieß es weiter.
Als “große Belastung für die Wirtschaft in Südtirol und Bayern” wurden die von Tirol praktizierten Dosierungen für Lkw und das Nachtfahrverbot bezeichnet. Aber auch die Tiroler Industrieunternehmen seien betroffen, sagte IV Tirol-Präsident Kloger bei einem Pressegespräch im Rahmen der Unterzeichnung: “Die aktuellen Beschränkungen stellen eine ernsthafte Herausforderung dar. Blockabfertigungen und andere Verkehrsbeschränkungen erschwerten den Güterverkehr “erheblich”. UVS-Präsident Heiner Oberrauch bezeichnete das Nachtfahrverbot als “Umweltfrevel”, weil in der Folge unnötig Schadstoffe durch Lkw-Staus am Tage produziert würden.
Die aktuellen Beschränkungen stellten “eine ernsthafte Herausforderung” dar, unterstrich Kloger. Es müssten Lösungen gefunden werden, die sowohl die Lebensqualität der Tiroler Bürger schützen wie auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhalten. Der Brenner sei die “Lebensader der europäischen Wirtschaft” und ein “Symbol für die wirtschaftliche Zusammenarbeit und Integration innerhalb der EU.
Die Verbände setzten indes geringe Erwartungen in die von Tirol, Bayern und Südtirol politisch paktierte Lkw-“Slot”-Lösung” mit buchbaren Fahrten zur Auflösung der Lkw-Staus an Tagen mit Blockabfertigung. Eine solche Maßnahme werde “am Grundproblem nichts ändern”, sagte vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Das “Slotsystem” sei “nicht ausgereift”, ergänzte UVS-Präsident Oberrauch. Kloger sprach von “Skepsis”.
In der gemeinsamen Erklärung forderten die Wirtschaftsverbände einen “zügigen Ausbau der Schieneninfrastruktur” ein. vbw-Hauptgeschäftsführer Brossardt kritisierte das langsame Tempo bei Planung und Realisierung des Eisenbahn-Nordzulaufs für den Brennerbasistunnel (BBT) in Oberbayern. Bei den Planungs- und Genehmigungsverfahren müssten “alle Register” gezogen werden, damit die Strecke früher fertig wird, sagte Brossardt: “Der Kleinkrieg um den Trassenverlauf muss beendet werden.” Bis zur Inbetriebnahme des Tunnels müsse die Ist-Situation der Brennerroute auf Schiene und Straße so schnell wie möglich verbessert werden.
Unterschiedliche Ansichten bestanden zwischen den Unternehmerverbänden Bayerns und Südtirol in der Frage der Brenner-Maut. “Von Südtiroler Seite können wir auch einer Erhöhung der Maut zustimmen, um Umgehungsverkehr zu minimieren”, sagte Oberrauch. Zwischen Bayern und Italien gebe es “keine echten Alternativrouten”, betonte hingegen vbw-Geschäftsführer Brossardt: “Daher darf es auch keine Mauterhöhung geben”, wohl aber Mautsenkungen für besonders umweltfreundliche Lkw. Oberrauch konnte sich hingegen eine “höhere Maut für umweltbelastende Lkw” vorstellen. “Weltweit und europaweit”, so der Südtiroler Verbandschef, müssten Transporte von Gütern und Menschen sowieso teurer werden.
Zu der von Italien gegen Österreich wegen der Tiroler Anti-Transitmaßnahmen, darunter das Nachtfahrverbot, ankündigten Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) äußerten sich die Wirtschaftsverbände der drei Länder in der gemeinsamen Erklärung nicht. “Besser wäre es, wenn es ohne Klage ginge”, sagte Brossardt: “Ich mag Klagen gar nicht.” Die Tiroler Landesregierung aus ÖVP und SPÖ machte bisher – mit Unterstützung durch den Bund – klar, dass man an den “Notmaßnahmen” festhalten werde, solange es keine große europäische Transit-Lösung gebe. Und mahnte gleichzeitig die Umsetzung von Schritten wie ebenjenes “Slotsystem”, also ein “intelligentes Verkehrsmanagement”, ein.
Ein klares und wenig überraschendes “Njet” kam indes von Tiroler Regierungsseite zu der Forderung nach Aufhebung des Nachtfahrverbots sowie hinsichtlich Änderungen der Maßnahmen. “Tirol kann und will nicht mehr Lkw aufnehmen. Ein Aufweichen oder eine Abschaffung der Tiroler Anti-Transitmaßnahmen kommt für mich nicht in Frage. Das Nachtfahrverbot bleibt in der jetzigen Form bestehen”, erklärte Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) gegenüber der APA.
Ins selbe Horn stieß Verkehrslandesrat René Zumtobel (SPÖ). Eine Aufhebung würde “noch mehr Lkw-Verkehr anziehen, die Luftqualität in Tirol erheblich belasten und zu einer erhöhten Lärmbelastung für die Bevölkerung führen”, führte Zumtobel auf APA-Anfrage aus. “Zudem hat die EU die Luftgrenzwerte erst unlängst gesenkt, eine Aufhebung des Nachtfahrverbotes würde diese Entscheidung konterkarieren”, argumentierte der Landesrat überdies. Vielmehr müssten “die vorhandenen Kapazitäten auf der Schiene insbesondere auch in den Nachtstunden maximal genutzt werden.” Um diese notwendige Verlagerung zu erreichen, brauche es Unterstützung für die verladende Wirtschaft.
Hinsichtlich der aktuellen und künftigen Baustellen auf der Brennerstrecke machte Zumtobel klar, dass diese die Kapazitäten für den Verkehr einschränken würden. Dies habe eine riesige Herausforderung zur Folge. Die unter der Leitung des Autobahnbetreibers Asfinag eingerichtete Arbeitsgruppe habe schon viele Maßnahmen erarbeitet, die nun abgestimmt und umgesetzt werden müssten. Es brauche dahingehend auch eine “frühzeitige und flächendeckende Kommunikation seitens des Autobahnbetreibers in Richtung Nachbarregionen, internationale Transportwirtschaft und Tourismus”, ließ der SPÖ-Politiker wissen.
“Das könnte denen so passen” – so reagierte indes Grünen-Klubobmann Gebi Mair auf die Forderung der Wirtschaftsverbände, die er als vereinte “Transportlobby” bezeichnete. “Wir brauchen mehr Ruhe in der Nacht und nicht noch mehr Verkehr”, wollte Mair keine dröhnenden Lkw-Motoren. Die Einspurigkeit der Luegbrücke sei eine “Chance für die Verkehrsberuhigung in Tirol und nicht eine Gelegenheit dafür, 24 Stunden durch unser Land zu brausen.”