Von: ka
Eggental – Derzeit findet der Unternehmerempfang 2025 bei der X Timber AG im Eggental statt. Es spricht der Präsident des Unternehmerverbandes Südtirol, Heiner Oberrauch.
Geschätzte Unternehmerkolleginnen und – kollegen, Liebe Festgäste, es ist eine große Freude, euch alle hier an diesem besonderen Abend begrüßen zu dürfen. Danke Familie Gilli, dass wir heute bei euch zu Gast sein dürfen. Ein Ort, an dem man die Innovationskraft der Unternehmen spürt, zugleich aber die enge Verwurzelung zu unserem Land erlebbar wird. Es sind Unternehmen wie X-Timber, von denen Impulse für die erfolgreiche Entwicklung unseres Landes ausgegangen sind und die mit dem Beitrag zum klimaneutralen Bauen die richtigen Antworten auf die neuen Themen unserer Zeit geben.
Wir dürfen für Wirtschaft und Industrie auf ein gutes Jahr zurückschauen. Wir dürfen dankbar sein, in einem Land zu leben, wo Frieden herrscht, wo es eine gute Verwaltung und Sicherheit gibt, wo sich Menschen für das Allgemeinwohl und den sozialen Ausgleich einsetzen. Nur durch ein gutes Miteinander kann gute Wirtschaft gelingen, und nur bei einer verantwortungsvollen, gesunden Wirtschaft kann Gesellschaft sich entwickeln.
Aber erlauben Sie mir, auf ein paar kritische Faktoren hinzuweisen.
Wenn ich auf meine Antrittsrede inmitten der Pandemie vor vier Jahren zurückschaue, dann befassen wir uns heute in vielen Bereichen immer noch mit den gleichen Themen. Ich stellte die Präsidentschaft unter das Motto „Enkeltaugliches Wirtschaften“ und stelle fest, dass wir in unserem Land hier sehr träge agieren.
Wir denken viel zu sehr an das Hier und Jetzt und zu wenig an die Zukunftssicherung. Die zentrale Frage muss sein: Was müssen wir heute tun und entscheiden, damit es in der nächsten Generation positive Auswirkungen hat?
Zukunftsangst lähmt Entwicklung
Vor 70 Jahren war Südtirol eine der ärmsten Regionen Europas, heute zählen wir zu den reichsten. Dies ist der arbeitsfreudigen Bevölkerung und dem Schaffensdrang, der Innovations- und der Risikobereitschaft der Unternehmer:innen zu verdanken. Sich ständig neu erfinden, der Wille, etwas zu bewegen – es sind diese Eigenschaften, die die Südtiroler Unternehmer:innen auszeichnen. Handschlagqualität, das unternehmerische Denken – ist ein Reichtum Südtirols, weil sich dieses in vielen Familien als Lebensprogramm etabliert hat.
Ohne Leistungsbereitschaft, ohne Menschen, die Risiko übernehmen wollen, wären unser heutiger Wohlstand und unsere Wohlfahrt nicht möglich gewesen. Dazu braucht man Zukunftsfreude und Zuversicht, keine Zukunftsangst und keinen Pessimismus.
Im gleichen Maße waren die Geschlossenheit der Politik nach außen und die gelebte Sozialpartnerschaft ein Grund für diese Erfolgsgeschichte. Sozialpartnerschaft leben wir und dieser Dialog ist von gegenseitigem Respekt gekennzeichnet. Wenn auch nur ein Teil der Unternehmen die IRAP-Reduzierung beanspruchen kann, so ist es doch ein wichtiges Zeichen der gelebten Sozialpartnerschaft. Es ist ein hohes Gut, das es zu erhalten gibt.
Investitionen sind der Sauerstoff für eine gute Zukunft
Der diesjährige Rekordhaushalt des Landes Südtirol umfasst 7,9 Milliarden Euro und ist in den letzten zehn Jahren um 50%, ich wiederhole mich, um 50%, von 5,3 auf 7,9 Milliarden Euro angestiegen, durch die große Leistung der Unternehmen, aber auch durch das Verhandlungsgeschick der politischen Leistungsträger. Die meisten Mittel sind jedoch für laufende Aufgaben gebunden, in einem beeindruckenden Ausmaß von 80%! Damit gibt es kaum Spielraum für Zukunftssicherung. Der für Investitionen verfügbare Anteil ist in den letzten zehn Jahren um 50% gesunken, was die Gestaltungsmöglichkeiten enorm einschränkt. Die Gefahr ist offensichtlich, dass wir am Alten festhalten, Privilegien verteidigen, Angst vor Veränderung haben. Dabei ist ein Gebot der Stunde, nicht alles zu binden, sondern uns mit mutigen Investitionen für die Zukunft zu wappnen. Auf die sieben fetten Jahre folgen normalerweise die mageren. Es wird nicht so bleiben wie es heute ist: die gesellschaftspolitischen Veränderungen werden neue Notwendigkeiten zeigen, die wir heute antizipieren müssen. Dazu nur ein gravierendes Beispiel des Wandels: Uns muss bewusst sein, dass wir in zehn Jahren mit 30% weniger verfügbaren Arbeitskräften eine ähnliche Wirtschaftsleistung schaffen müssen, um die Wohlfahrt zu erhalten. Das gilt auch für die öffentliche Verwaltung: mit 30% weniger Personal ist die gleiche Verwaltungsleistung zu schaffen.
Zukunftsgestaltung erfordert neue Denkansätze
Was ist zu tun? … Die Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind, sind groß und komplex. Kriegerische Konflikte, Klimawandel, demographischer Wandel, Digitalisierung, die Automotivkrise in Europa, die negative wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Die Angst, dass Trump die Staatengemeinschaft nicht zusammenführt, sondern spaltet, und in der Bekämpfung der Klimakrise passiv bleibt. Diese Fakten bereiten uns große Sorge und verlangen nach erhöhter Aufmerksamkeit.
Ein Unbehagen bereitet mir auch, dass unsere Gesellschaft immer gespaltener zu sein scheint. Es gibt jene, die sich ausgeschlossen fühlen und meinen, ihr Beitrag zähle nicht genug, und andere, die alles in Frage stellen und jede Initiative mit schneller Kritik überschütten, – leider gibt es davon immer mehr. Das Vertrauen in politische Institutionen und demokratische Vertretungen ist oft gebeutelt. Die Ereignisse der letzten Wochen haben uns alle schockiert und bewirken zusätzliche Verunsicherung. Dies ist der Nährboden für Radikalisierung und das Phänomen der anonymisierten sozialen Medien dafür ein Verstärker.
Was tun wir für die Zukunftssicherung? Wir müssen uns Gestaltungsräume für das Übermorgen sichern. Olympia- und PNRR- Gelder stehen uns morgen nicht mehr zur Verfügung. Es geht um die Effizienzsteigerung und das Prüfen, wo sinnvoll Freiräume für Investitionen geschaffen werden können, es geht nicht nur um das Einsparen und Kürzen von verschiedenen Stellen und überflüssiger Bürokratie:
Ich wiederhole mich seit vier Jahren: Wir brauchen eine „Spending-Review“ der öffentlichen Haushalte. Dafür schlage ich eine einfache Frage vor, die für alle Bereiche Anwendung finden kann: „Was würden wir heute nicht mehr so machen wie wir es derzeit tun?“
Um Fehlentwicklungen geradezubiegen, braucht es Mut und Entschlossenheit.
Es braucht Mut für ein neues Denken: Welche strategischen Dienste muss die öffentliche Hand künftig noch garantieren, welche können hingegen abgesetzt werden, muss der Gesetzgeber überall eingreifen?
Wir brauchen Geld für Investitionen in strategische Bereiche. Denken wir an die Energiewende: Ohne dringende Investitionen werden wir das angepeilte Ziel nicht erreichen. Dasselbe gilt für die Digitalisierung und das Ermöglichen von leistbarem Mietwohnen.
Neben finanziellen Ressourcen braucht es in diesen – ebenso wie in vielen anderen Bereichen – zugleich und umgehend eine Vereinfachung und Beschleunigung der Abläufe. Dies ist die beste und kostengünstigste Förderung. Wenn dies nicht geschieht, dann will man Bestände zementieren anstatt Zukunft gestalten.
Wollen wir für die Zukunft gerüstet sein, müssen wir weg vom Mehr, hin zum Besser. Wir werden wir nicht darum herumkommen, uns auf jene Unternehmen zu stützen, die einen hohen Mehrwert und dadurch ein hohes Steueraufkommen schaffen, gute Löhne garantieren, zugleich aber wenig Ressourcen und Grund verbrauchen, umweltverträglich wirtschaften. Das gilt gleichermaßen für alle Wirtschaftsbereiche. Die Industrie bringt dafür gute Voraussetzungen mit.
Die Personalkosten, somit auch die Entlohnungen liegen rund 40% über dem Südtiroler Durchschnitt. Auf nur drei Tausendstel der Gesamtfläche Südtirols, oder auf knapp 4 Hundertstel der nutzbaren Fläche werden 25% des Südtiroler Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet. Der CO2 -Ausstoß der Industrie ist im Verhältnis zum produzierten Mehrwert in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken, um 48% allein in den Jahren von 1990 bis 2020, auch wenn hier noch Verbesserungspotential besteht.
Unsere Jugend glaubt an den Wert von Europa
Was müssen wir tun, um das auch in Zukunft zu gewährleisten? Wir müssen alles unternehmen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, im großen Europa genauso wie im kleinen Südtirol. Dies bedeutet, offen zu sein für Veränderung, schnelle Entscheidungen zu treffen, Rechtssicherheit zu gewährleisten, eine innovative und schlanke Verwaltung zu gestalten, Innovation zu unterstützen. Dies alles braucht eine Geisteshaltung, die offen für Veränderung ist.
Wir brauchen mehr denn je ein starkes Europa, ein Europa, das die strategische Rolle der Industrie anerkennt, das die Produktion in strategischen Bereichen wieder zurückholt, um auch Unabhängigkeit zu gewährleisten. Nur so können wir unsere Wohlfahrt sichern. Es gibt keine Alternative für ein Europa, das die Deregulierung und nicht die Regulierung ins Zentrum ihrer Tätigkeit rücken muss. Wir haben das Glück, dass sich Stefan Pan, als Vizepräsident der Confindustria Italien für die europäische Angelegenheit und als Vizepräsident von Business Europe mit großem Einsatz für ein starkes, wettbewerbsfähiges Europa einbringt.
Bei all den politischen Wirren gibt es doch ein positives Zeichen für Europa: die mutige Unterstützung des europäischen Gedankens durch die Jugend. In der Eurobarometer-Umfrage vom Herbst 2024 zeigt sich, dass das Interesse für Europa steigt. 51% der Europäer:innen vertrauen auf Europa – es ist dies das höchste Ergebnis seit 2007. 69% der Europäer glauben, dass Europa ein Ort der Stabilität in einer unruhigen Welt ist. 81% der Europäer:innen freuen sich über den Euro, die höchste Zustimmung aller Zeiten. Mit dem Green-Deal nimmt Europa eine weltweite Vorreiterrolle ein. Wenn Europa mit 6% der Weltbevölkerung 20% der weltweiten Wertschöpfung und 40% der Sozialleistungen erwirtschaftet, dann sind dies gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche und sinnstiftende Zukunft. Diese müssen wir aber nutzen und dafür sorgen, dass Europa auch für eine Wirtschaft mit hohem Umweltstandard wieder attraktiver wird.
Wir können es uns nicht erlauben, dass Unternehmen abwandern, weil sie anderswo vorteilhaftere Bedingungen finden – das sind wir unserer Jugend schuldig – auch das ist enkeltaugliches Wirtschaften. Wir müssen heute die Weichen für die Zukunft unserer Jugend stellen, nicht nur auf europäischer Ebene, sondern dank unserer Autonomie haben wir viel Spielraum auch auf lokaler Ebene.
Das leistbare Wohnen, auch in Miete, hatte ich schon bei meiner Antrittsrede vor vier Jahren als zentrales Thema angesprochen, jetzt kommt Gott sei Dank etwas in die Gänge, aber vier Jahre ist ein zu langes Warten. Danke an die jetzige Landesregierung, erste gute Ansätze sind erkennbar.
Die Südtiroler Industrie-Unternehmen führen in Italien das Produktivitäts-Ranking an
Wir müssen attraktive, gut bezahlte Arbeitsplätze mit Perspektiven bieten können – nur so halten wir Talente bei uns im Land und werden neue anziehen können. Die Forderung nach mehr Netto vom Brutto ist aktueller denn je. Aber auch Lohnerhöhungen sind kein Selbstläufer, sie sind engstens mit der Erhöhung der Produktivität verknüpft. Südtirols Industriebetriebe verzeichnen italienweit die höchste Produktivität und können deshalb auch durchschnittlich weit höhere Löhne garantieren. Wir verstehen, dass Mitarbeiter:innen sich ein besseres Einkommen wünschen. Es kann aber nicht sein, dass Überstunden übermäßig besteuert werden. Wenn ich mehr leiste als ich muss, dann müsste das belohnt und nicht bestraft werden, es kann nicht sein, dass eine Lohnerhöhung von 200 Euro dem Arbeitgeber mehr als 400 Euro kostet. Es müssen in Zeiten des Fachkräftemangels schleunigst Wege gefunden werden, dass Leute nach ihrer Pensionierung mit wenig finanziellen Abzügen weiterarbeiten dürfen und nicht einen steuerlichen Nachteil für ihre Arbeitsbereitschaft erleiden. Das ist eine Win-win-win-Situation, das tut den Unternehmen, dem Sozialsystem und den Mitarbeitenden gut.
Südtirol muss ein begehrter, lebenswerter Ort in den Alpen bleiben, ein Sehnsuchtsort – diesen gilt es noch stärker zu schützen und zu erhalten. Wir brauchen neben der einzigartigen Landschaft funktionierende öffentliche Dienstleistungen, ein hervorragendes Bildungswesen, Kultur- und Freizeitangebote und, wie gesagt, vor allen Dingen leistbaren Wohnraum. Dies sind die Voraussetzungen, die unser Land für junge Talente interessant macht, damit wir uns im Wettbewerb mit den umliegenden Regionen messen können.
Mit der neu eröffneten Ingenieurfakultät in Bozen Süd hat die Freie Universität Bozen ein weiteres attraktives Angebot geschaffen. Als Industrie werden wir unseren Beitrag leisten.
Pragmatismus gehört zu einer guten Verwaltung dazu
Trotz Sorge und Bewältigung mancher Herausforderungen können wir mit Zuversicht in die Zukunft schauen. Wenn wir in Südtirol das Gemeinsame und nicht das Trennende in den Vordergrund stellen, wenn wir auf Vertrauen und nicht auf Misstrauen aufbauen, wenn man sich auf Handschlagqualität verlassen kann, wenn der gute Wille zählt.
Wenn Opposition und Regierung sich nicht um politisches Kleinholz im Jetzt streiten, sondern sich langfristigen Zielen und Verantwortungen widmen.
Etwas mehr Pragmatismus würde ebenfalls guttun. Pragmatismus heißt nicht Grundsätze und Regeln außer Kraft zu setzen, sondern mehr Entscheidungs-Spielraum für Situationen zu schaffen, die einen solchen erfordern. Die Antwort: „Leider geht dies nicht, auch wenn es sinnvoll wäre“ darf keinen Platz mehr haben, wenn es um Ermöglichen anstatt Verhindern geht. Verantwortungsträger müssen entscheiden dürfen. Verantwortungsträger müssen aber auch geschützt werden, – die Angst vor dem Rechnungshof darf nicht lähmen. Die gute Absicht zählt.
„Bock haben“ auf Zukunftsgestaltung
Wir alle gestalten mit unseren Entscheidungen von heute die Zukunft für uns und unsere Nachkommen. Das bedeutet eine große Verantwortung und gleichzeitig ist es auch eine große Möglichkeit, die in unseren Händen liegt. Wir müssen weg vom Mehr hin zum Besser, darauf müssen wir „Bock haben“ – so würde es die Generation der Jungen formulieren.
Zuversicht ist dafür die entscheidende Zutat, damit dies gelingt – Blauäugigkeit, Zweifel und Zukunftsangst das Gift. Ich wünsche euch allen und unserem Land diese gute Zuversicht und den Glauben in die eigene Leistungskraft, trotz aller widrigen Umstände und aller großen Herausforderungen rund um uns herum.
2025 sei das Jahr der Zuversicht – und der Beginn für positive Veränderungen über dieses Jahr hinaus. Dies wünsche ich aus Überzeugung und von Herzen den Unternehmern:innen, den politischen Entscheidungsträgern:innen und unseren Mitarbeiter:innen! Allen ein erfolgreiches, glückliches und gesundes neues Jahr. Prosit Neujahr!
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