Umweltorganisationen fordern Umdenken

“Urlauber treffen in Südtirol auf alpines Disneyland”

Freitag, 12. Januar 2024 | 18:06 Uhr

Von: luk

Bozen – Nach dem Rekordwinter 2022/2023 bahnt sich für den Südtiroler Tourismus ein neuer Rekord an, wie die rund eine Million Besucher beim Bozner Weihnachtsmarkt zeigen. “Ein gut funktionierender Wirtschaftsmotor könnte auch für den Umwelt- und Klimaschutz positiv sein, wenn Nachhaltigkeit nicht nur zu einer bloßen Floskel verkommt”, so der Dachverband für Natur- und Umweltschutz. Der Verband fordert daher gemeinsam mit der Organisation Protect Our Winters (POW) Italy die Energie des Tourismussektors für eine nachhaltige Entwicklung des Landes zu nutzen.

Südtirol sei Sehnsuchtsland. Dies werde auch von der mit Millionen Euro finanzierten Gesellschaft IDM den Menschen weltweit mitgeteilt und damit deren Besuch in Südtirol beworben. “So konnte das kleine Gästeloch im Jänner mit Besuchern aus dem fernen Osten gefüllt werden und damit die Gästeanzahl im Monat Jänner an die zwei Monate Dezember und Februar angepasst werden. Dieses Winterloch ermöglichte es aber den Südtirolern die Wintersportangebote auch selbst gut zu nutzen. Die Steigerung der Gästeanzahl geht daher direkt auf Kosten der hier lebenden Bevölkerung.”

Für Sofia Farina, Präsidentin von Protect Our Winters Italy und Josef Oberhofer, Präsident des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz, ist es wichtig, den Winter auch für die Südtiroler zu bewahren: „Die Entwicklung des Landes darf nicht immer und ausschließlich zum Nutzen der Gäste erfolgen, sondern muss auch die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung berücksichtigen, diese schützen, den hier wohnenden Menschen Gehör schenken und ihre Probleme und Herausforderungen wahrnehmen.“

“Südtirol ist ein Sehnsuchtsland, da es bei uns noch intakte Natur und Ruheoasen gibt. Durch den aktuellen Übertourismus werden diese aber immer gefährdeter. Selbst Orte, die bereits auf Massentourismus ausgelegt sind, wie viele große Skiorte aber auch unsere Städte konnten den riesigen Ansturm in der ‘ruhigen’ Vor- und Weihnachtszeit und rund um den Jahreswechsel mehr schlecht als recht ertragen, wie die täglichen kilometerlangen Staus auf Südtirols Straßen, die Warteschlangen vor Aufstiegsanlagen, Geschäften und Gasthäusern zeigten. Dennoch herrscht noch immer der Glaubenssatz vor ‘zuviel ist nicht genug’. Daher bietet Südtirol immer neue, noch ‘tollere’ Events an, wie romantisches Dinner in der Gondel, Helikopterrundflüge im Winter, spektakuläre Feuerwerke und andere”, so die beiden Organisationen.

Und weiter: “Auf diese Weise finden sich unsere Gäste immer mehr in einem echten alpinen Disneyland wieder. Wir riskieren das Kernelement unseres Sehnsuchtslandes, die kulturelle Authentizität, zu verlieren. Die Kraft der Natur wird zu bloßem Kitsch, wenn sie vom Heli aus betrachtet wird. Die Landschaften werden austauschbar, wenn sie mit Parkplätzen bedeckt werden und der gastfreundliche Südtiroler wird unfreundlich, wenn er durch Massen von Gästen überfordert wird. Wir fordern daher, dem Bekenntnis zu einem nachhaltigen Tourismus endlich effektive Taten folgen zu lassen und diese nicht durch Ausnahmen und Vorschüsse sogleich wieder nichtig zu machen.”

“Wir brauchen mehr Ruhezonen anstatt Helikopterflüge und funktionierende Tourismuskonzepte anstatt neuer Parkplätze, wie etwa für die Seiser Alm. Unsere Umwelt und unsere Heimat für uns und für unsere Kinder und Enkel zu bewahren ist das Ziel des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz und von Protect Our Winters Italy (POW IT). Wir fordern die Förderung der Tourismuswerbung zu überdenken”, heißt es weiter.

Linda Schwarz, Geschäftsführerin von POW IT führt aus: „Mit einer weltweit bereits so ausgeprägten Markenbekanntheit – ‘brand awareness’ wie Südtirol existiert keine weitere Notwendigkeit Werbung für unsere Landschaft und unsere Angebote zu machen. Die proaktive Werbung darf nicht mehr auf die Bekanntmachung bereits jetzt überfüllter Orte abzielen. Auch die sogenannten Nebensaisonen sollten nicht massiv beworben werden. Wir, die hier aufgewachsen sind, hier leben und arbeiten brauchen auch unsere Ruhepausen, genauso wie die Tiere und die Natur. Die Tourismuswerbung kann und muss eine wichtige Rolle in der Tourismuslenkung spielen und helfen, die Gepflogenheiten unserer Gäste, allem voran den Respekt den Einheimischen, der Natur und der Umwelt gegenüber, zu verändern. Nach dem Landesplan für nachhaltige Mobilität soll die Nutzung der Eisenbahn für die Anreise der Gäste von derzeit sieben auf 35 Prozent bis 2037 angehoben werden. Dies kann nur durch eine klare Kommunikation und geeigneten Sensibilisierungsmaßnahmen erreicht werden.“

In diesem Sinne fordert der Dachverband für Natur- und Umweltschutz und POW IT “die Kraft, die derzeit im Tourismus steckt, aktiv für eine nachhaltige Entwicklung unseres Landes Südtirol einzusetzen.”

Bezirk: Bozen