Von: mk
Bozen – Seit Monaten warten nun schon drei französische Familien auf eine Rückerstattung von jeweils 3.500 Euro, die ihnen ein italienisches Reisebüro, bei welchem sie einen Sardinienurlaub gebucht hatten, schuldet: Das Reisebüro hatte nämlich die Reise kurz vor Antritt annulliert, ohne den bereits bezahlten Preis zu erstatten. Die Verbraucher haben sich daraufhin an das Netzwerk der Europäischen Verbraucherzentren (ECC-Net) gewandt, um auf außergerichtlichem Wege eine Rückerstattung zu erwirken. Bis zum heutigen Zeitpunkt ist es dem Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ) Italien – Büro Bozen, welches den Fall betreut, jedoch nicht gelungen, den Fall zu lösen, da sich das Reisebüro weiterhin weigert, die Rückzahlung vorzunehmen. Ab dem 14. Juli 2017 könnte dieser Fall eine Wende nehmen: Ab diesem Datum treten nämlich die Änderungen zum sogenannten Europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen in Kraft.
Dabei handelt es sich um ein in allen Staaten der Europäischen Union (außer Dänemark) bereits seit 1. Jänner 2009 anwendbares gerichtliches Instrument. Ziel dieses Verfahrens ist es, den Zugang zum Recht für Verbraucher zu verbessern und zu vereinfachen, die Geltendmachung ihrer Rechte in grenzüberschreitenden Prozessen sicherzustellen, und die Erwirkung eines Urteils im Heimatstaat zu ermöglichen, das im gesamten EU-Raum ohne Rechtsbeistand durchsetzbar ist.
In den vergangenen Jahren jedoch hat sich herausgestellt, dass dieses Verfahren einiger Nachbesserungen bedarf und es ist somit überarbeitet worden. Diese Änderungen treten am 14. Juli 2017 in Kraft und sehen als wichtigsten Punkt die Erhöhung des Streitwertes auf maximal 5.000 Euro (im Moment liegt dieser bei 2.000 Euro) vor. Auf diese Weise wird das Verfahren nicht nur für sogenannte b2c-Verträge (zwischen Unternehmen und Verbraucher), sondern auch für b2b-Verträge (zwischen zwei Unternehmen) interessant.
Zur Überbrückung der Entfernungen zwischen den Parteien und zur weiteren Reduzierung der Verfahrenskosten und -dauer unterstreicht die europäische Verordnung, welche die Änderungen zum Verfahren enthält, die Wichtigkeit der Verwendung moderner Kommunikationstechnologien. So sollten bei der Beweisaufnahme durch Anhörung von Zeugen, Sachverständigen oder der Parteien beispielsweise Fernkommunkationsmittel zur Hilfe genommen werden.
Auch wenn es bei diesen Verfahren keinen Anwaltszwang gibt, wird der europäische Bürger nicht allein gelassen, wenn er sich für ein solches Verfahren zur Durchsetzung seiner Rechte entscheiden sollte. Alle Mitgliedsstaaten sind nämlich dazu verpflichtet, den Parteien beim Ausfüllen der Standardformulare, die in der sogenannten European small claims procedure vorgesehen sind, eine konkrete Hilfestellung zu leisten. In Italien ist das Europäische Verbraucherzentrum Italien mit dieser Aufgabe beauftragt worden und bietet somit kostenlose Unterstützung für Verbraucher.
Aus einer Studie, die 2012 von eben dem EVZ Italien in Zusammenarbeit mit anderen EVZ des Netzwerkes durchgeführt wurde, ging hervor, dass dieses Verfahren – obgleich es auf dem Papier perfekt schien – nicht nur bei den Verbrauchern eher unbekannt war sondern auch die Gerichtsorgane nur wenig davon wussten. Aus genau diesem Grund ist das Europäische Verbraucherzentrum Italien – Büro Bozen nun dabei, in Zusammenarbeit mit der Autonomen Region Trentino Südtirol eine Fortbildungsveranstaltung für Richter, Rechtsanwälte, Interessensvertretungen und für die Presse zu organisieren. Ziel dieser Veranstaltung ist es, das theoretische und praktische Wissen in Bezug auf das Verfahren für geringfügige Forderungen zu verbessern.
Weitere Informationen erteilt das Europäische Verbraucherzentrum unter der Telefonnummer 0471/980939 sowie unter info@euroconsumatori.org