Von: luk
Bozen – Südtirol leidet seit Jahrzehnten unter einer hohen Suizidrate, jetzt in Phase 2 der Coronakrise besonders. Es sind die unsichere Gesundheit, die wirtschaftliche Einbuße und vor allem die nicht mehr mögliche menschliche Nähe, das früher beruhigende Berühren vieler Personen, die jetzt zu Buche schlagen. Die persönlichen Krisen, die schon vorher bestanden haben, wachsen in solcher Atmosphäre. Aus Krisen können unmerklich Krankheiten werden, am häufigsten Depressionen. Ihr Nährboden sind Einsamkeit und Erschöpfung. Ihr Gefahrenmoment ist die Verzweiflung. Das schreibt Dr. Roger Pycha in einer Aussendung des Sanitätsdienstes.
Doch was kann man tun? “In der Coronaphase 2 sind Selbsthilfegruppen gegen Einsamkeit gefragt, virtuelle und reale, die in großen Räumen zusammen kommen. Es sind einfache Tätigkeiten in der Gruppe notwendig, die unsere Vorfahren vor 300.000 Jahren bereits entwickelt haben, damals zum Überleben. Es sind Tätigkeiten, die wir können, und die uns beruhigen: gemeinsam planen, wandern, besichtigen, gemeinsam essen und trinken, musizieren, jetzt immer unter Einhaltung der Sicherheitsvorkehrungen. Also in sehr kleinen Gruppen mit sehr großen Abständen. Mit telefonischer Abmachung, die aufwendig ist, aber hilft. Für Kinder: spielerisch den Umgang mit verhülltem unterem Gesicht und Abstand einführen, arabische Länder machen es vor. Gefühle erraten, ohne den Mund zu sehen. Für alte Leute: Wenige gut geplante Besuche einzelner Verwandter oder Freunde erleben können. Längerer Verbleib, Vermittlung menschlicher Wärme durch Worte, statt durch Umarmungen. Das müssen wir erst üben, aber es geht”, so Dr. Pycha.
“Den Ernstfall müssen wir aber auch ernst nehmen. Die große allgemeine Krise befördert viele persönliche, die auch groß werden können. Was tun, wenn die Verzweiflung wächst und der Lebenswille schwindet? Die erste große Hilfe ist Kontakt. Sprechen sie Ihre Familie an, rufen Sie Freunde und Nachbarn an, machen Sie sich in Ihrem Zustand bitte bemerkbar, verheimlichen Sie nichts. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Erkanntes Leid verspricht Hilfe, und die kommt vor allem von anderen Menschen. Anonyme Hilfe über Gespräche kommt von Telefonberatungsdiensten, wir haben drei sehr gute im Land. Konkrete fachliche Hilfe kommt von der Notfallpsychologie, 24 Stunden auf 24 gesprächsbereit. Die Gespräche dienen vor allem der Klärung des Kopfes gegen die Überschwemmung durch Gefühle. Sie helfen, Pläne zu schmieden und umzusetzen, die zunächst Überlebenspläne sind, und später Pläne für ein besseres Leben”, rät Pycha.
“Wenn all das nicht reicht, wenn Panik aufkommt und Handlungsdruck: Rufen Sie bitte 112 an, die Mitarbeiterinnen der Notrufzentrale gehen jedem noch so kleinen Zeichen nach, das sie bemerken. Wenn Sie dann mitten im Satz auflegen, werden Sie zurückgerufen. Wenn Sie angeben, wo Sie sind, kann eine Rettungsbesatzung Sie erreichen. Das sind Menschen, die sich mit Notfällen auskennen”, heißt es in der Aussendung.
“Sie fühlen sich in Suizidgefahr? Suchen Sie bitte Ihren Hausarzt oder die Erste Hilfe Station des nächstgelegenen Krankenhauses auf. An den Krankenhäusern von Bozen, Meran, Brixen und Bruneck stehen Psychiater, also Fachärzte für Seelenheilkunde, in Rufbereitschaft. Innerhalb von 20 Minuten können sie an Ort und Stelle sein. Dieser Dauerdienst ist für Notfälle, auch für Sie in Notfällen, da. Es ist keine Schande, Hilfe zu suchen, sondern ein Zeichen von Klugheit. Es kann Ihnen unmännlich vorkommen, Schwäche zu zeigen, aber der männlichste Auftrag ist das Überleben. Dasselbe gilt natürlich für Frauen”, so Psychiater Roger Pycha.
“Wir kämpfen im Land um jedes gefährdete Menschenleben, seit 1990 mit verschiedenen Netzwerken der Suizidprävention. Seit 2004 auch mit der Europäischen Allianz gegen Depression. Seit 5. März 2020 mit der Psychohilfe Covid 19, die auf der website „dubistnichtallein“ eine Flut an möglichen Hilfen bietet, 15 öffentliche Gesundheitsdienste und 20 private Organisationen sind dabei. Aber jede Hilfe ist nur so gut wie der Ruf, der sie erreicht”, heißt es abschließend.
Wichtige Telefonnummern:
Notfalldienste
Notrufnummer 112
Notfallpsychologie: rund um die Uhr
366 6209403
Bei psychischen Krankheiten oder schwersten Krisen: Psychiater vom Dienst, telefonisch über die Telefonzentralen der KH von BZ 0471 908111, Meran 0473 263333, Brixen 0472 812111 und Bruneck 0474 581111 verlangen.
Niederschwellige Beratungsdienste:
Telefonseelsorge 0471 052052 tgl. 10.00-22.00, onlineberatung www.telefonseelsorge-online.bz.it, deutschsprachig
Telefono amico 02 23272327 tutti i giorni 10.00-24.00, whatsApp 345 0361628 dalle 18.00 alle 21.00, www.telefonoamico.it, Italienischsprachig
Young and direct 0471/1551551 email online@young-direct.it; whatsapp 3450817056, für Jugendliche