Von: ka
Barcelona/Bozen – Wenige Artikel haben die letzte Woche die Leser und Kommentatoren so sehr aufgewühlt wie jener, der vom Protest wütender Einwohner Barcelonas gegen den ausufernden Tourismus handelt. Das Bespritzen der ahnungslosen Touristen mag zwar diskutabel und kritikwürdig sein, aber die heiße Diskussion bedeutet nichts anderes, dass die Problematik um einen angeblich vorhandenen Overtourism auch in Südtirol einen wunden Punkt trifft.
Dass für die immer häufigeren Demonstrationen vor allem die steigenden Wohnkosten in Barcelona verantwortlich seien, sollte auch in Südtirol aufhorchen lassen. In der Tat sind in der katalanischen Hauptstadt die Mieten und Kaufpreise für Wohnungen explodiert, was die Einheimischen zu immer größeren Einschränkungen oder zur Abwanderung zwingt. Das Zugeständnis des Bürgermeisters, alle Kurzzeitvermietungen bis zum Jahr 2028 schrittweise abzuschaffen, ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, dürfte den Mietmarkt aber kaum entschärfen.
Aber das ist nicht alles. Den Einwohnern von Barcelona stört, dass eine gesamte Stadt fast nur mehr auf die Bedürfnisse der Touristen zugeschnitten ist. Wo früher kleine Ladeninhaber für die Stadtbewohner Artikel des täglichen Bedarfs feilgeboten haben, machen sich nun Souvenirläden, Kaffees und Restaurants breit, die nur mehr nach Urlaubern schielen.
Südtirol ist von solchen Protesten noch nicht betroffen, aber gerade die auch bei uns horrenden Wohnkosten deuten darauf hin, dass die Schmerzgrenze längst erreicht ist. Davon, dass die Landesregierung zum Gegensteuern gewillt ist, ist noch wenig zu spüren. Ein Einlenken beim freien Zugang zum Kalterer See böte den Verantwortlichen des Landes zudem die Gelegenheit zu zeigen, dass sie nicht nur die Interessen der Mächtigen und Wohlhabenden, sondern auch jene der einfachen Südtiroler Bevölkerung im Blickfeld hat.
Der Tourismus ist eine sehr wertvolle Stütze der einheimischen Wirtschaft, was aber nicht bedeutet, dass die Bedürfnisse von Frau und Herr Südtiroler zu kurz kommen sollen. Keinesfalls sollte damit gerechnet werden, dass die Südtiroler „braver“ und „leidensfähiger“ als Barcelonas Katalanen seien, denn dieser Schuss könnte sehr schnell nach hinten losgehen. Darum gilt es, ein gesundes Gleichgewicht zu finden, bevor auch hierzulande Demonstranten zu den Wasserpistolen greifen.