Von: luk
Bozen – Die allmähliche Rückkehr zur Normalität flößt den Südtiroler Unternehmen neue Zuversicht ein: Es wird mit einem wachsenden Geschäftsvolumen gerechnet und mehr als drei Viertel der Unternehmer sind zuversichtlich, im Jahr 2021 eine (zumindest) befriedigende Ertragslage zu erreichen. Angesichts dieser positiven Anzeichen und trotz Berücksichtigung der starken Ungewissheit in einigen Sektoren, der hohen Rohstoffpreise und der Risiken im Zusammenhang mit der Ausbreitung der Delta-Variante, revidiert das WIFO − Institut für Wirtschaftsforschung der Handelskammer Bozen seine Schätzung zur Dynamik des Südtiroler Bruttoinlandsprodukts nach oben. Für das Jahr 2021 wird demnach ein etwas stärkerer Aufschwung prognostiziert, zwischen +3,0 und +5,0 Prozent.
Südtiroler Wirtschaft: Unternehmer mit vorsichtigen Erwartungen
Die Sommerumfrage des WIFO-Wirtschaftsbarometers zeigt eine Verbesserung des Geschäftsklimas bei den Südtiroler Unternehmen. 76 Prozent davon erwarten heuer eine befriedigende Rentabilität. Die Erwartungen zur Ertragslage haben sich somit im Vergleich zur letzten Umfrage im Februar deutlich verbessert. Die Unternehmer sind aber immer noch verhaltener als im vergangenen Herbst, als mehr als achtzig Prozent der Befragten positive Erwartungen für 2021 äußerten. Die Lage bleibt für viele Unternehmen ungewiss und dies spiegelt sich auch in den Investitionsentscheidungen wider. In vielen Bereichen der Wirtschaft scheint der Abwärtstrend, der schon vor der Pandemie begonnen hatte, gestoppt zu sein, aber es gibt nur wenige Bereiche, in denen ein echter Aufschwung bei den Investitionen zu erwarten ist, insbesondere was Gebäudeinvestitionen oder die Anschaffung von Fahrzeugen betrifft.
An positiven Zeichen mangelt es jedoch nicht, angefangen bei der Umsatzentwicklung. Nachdem das Jahr 2020 mit einem durchschnittlichen Rückgang von 13 Prozent abgeschlossen wurde und die ersten beiden Monate des Jahres 2021 einen Rückgang von 17 bzw. 18 Prozent im Vergleich zu den Vorjahresmonaten aufwiesen, ist seit März in den meisten Branchen eine Erholung zu verzeichnen. Aktuell rechnen mehr als vier von zehn Unternehmen mit einer Umsatzsteigerung im Jahr 2021. Der Anstieg der wirtschaftlichen Aktivität spiegelt sich auch im Energieverbrauch der Unternehmen wider, der im April und Mai um 26 Prozent bzw. 15 Prozent höher war als in den Vorjahresmonaten.
Auch die Bewertungen zur Zahlungsmoral der Kunden und zum Kreditzugang haben sich im Vergleich zur vorherigen Umfrage im Februar verbessert. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmer berichtet jedoch von einer drastischen Steigerung der Betriebskosten, die vor allem auf den Anstieg der Preise vieler Rohstoffe und Energiegüter auf den internationalen Märkten zurückzuführen ist. Um dieser Kostendynamik gerecht zu werden, beabsichtigen viele Unternehmen, ihre Verkaufspreise zu erhöhen. Die Einschätzungen der betrieblichen Wettbewerbsfähigkeit sind in etwa einem Fünftel der Fälle negativ, haben sich aber im Vergleich zur vorherigen Erhebung leicht verbessert.
Die Erholung des Arbeitsmarktes scheint eher langsam zu verlaufen. Im Mai 2021 stieg zwar die unselbstständige Beschäftigung in Südtirol um 4,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat, im Vergleich zum Stand von Mai 2019 gibt es aber immer noch über 4.700 Arbeitsverträge weniger. Die Unternehmen erwarten Neueinstellungen innerhalb des Jahres.
Betrachtet man die einzelnen Wirtschaftssektoren, so zeigt sich der größte Optimismus im Dienstleistungssektor, im Verarbeitenden Gewerbe sowie im Bereich Fahrzeughandel und -reparatur. Auf der anderen Seite sind die Unternehmer im Tourismussektor, angesichts der großen Ungewissheit über die Entwicklung der Pandemie, noch sehr vorsichtig.
Generell scheint das Geschäftsklima bei größeren Betrieben besser zu sein: Bei den Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeiter erwarten heuer fast neun von zehn eine befriedigende Ertragslage und viele rechnen mit einem Wachstum von Umsatz, Investitionen und Beschäftigung. Die Erwartungen der kleineren Firmen sind hingegen deutlich vorsichtiger.
Im internationalen Szenario überwiegen die positiven Anzeichen
Der Beginn des Sommers und der Fortschritt der Impfkampagnen in den USA und Europa haben dazu beigetragen, die Letalität des Coronavirus zu verringern, was eine schrittweise Lockerung der restriktiven Maßnahmen ermöglichte. Dies verlieh dem weltweiten BIP-Wachstum neuen Schwung. Nach Angaben der Europäischen Kommission soll dies heuer 5,6 Prozent betragen. Insbesondere China hat sich bereits von der Rezession des letzten Jahres erholt und wird 2021 voraussichtlich um rund acht Prozent wachsen. Auch in den USA gibt es einen robusten Aufschwung: Das Bruttoinlandsprodukt soll heuer um 6,3 Prozent zunehmen, unter anderem dank des massiven Konjunkturpakets im Wert von 1.900 Milliarden Dollar der Biden-Regierung. Dieses Szenario wird jedoch vom Schreckgespenst einer möglichen neuen Pandemiewelle überschattet, aufgrund der Ausbreitung der sogenannten „Delta-Variante“. Ein weiteres Element, das die globale Erholung bremsen könnte, ist der rasche Anstieg der Preise für Rohstoffe und Energiegüter, der in der ersten Jahreshälfte zu verzeichnen war.
In Europa wird das Wachstum verhaltener ausfallen, aber die EU-Kommission hat ihre BIP-Prognose für die Eurozone für das laufende Jahr auf +4,8 Prozent nach oben korrigiert. Dies auch aufgrund der positiven Auswirkungen auf die Investitionen, die durch den „Recovery and Resilience Plan“ erwartet werden. Die kürzlich erfolgte Genehmigung der von den Mitgliedsstaaten vorgelegten Projekte ermöglicht die Freigabe der ersten Tranche an Mitteln.
In Italien wuchs das BIP im ersten Quartal 2021 im Vergleich zum Vorquartal um 0,1 Prozent. Die Wirtschaft profitierte von der Erholung des Welthandels und der Industrieproduktion, die ab April wieder das Vorkrisenniveau erreicht hat. In der zweiten Jahreshälfte wird dank der Lockerung der sozialen Distanzierungsmaßnahmen auch im tertiären Sektor eine Erholung erwartet. Das Vertrauen der Haushalte und der Unternehmen liegt wieder über dem Vorkrisenniveau und auch die Investitionstätigkeit zeigte bereits im ersten Quartal Anzeichen einer Erholung. Für 2021 schätzt die EU-Kommission ein Wachstum des italienischen Bruttoinlandsprodukts von 5,0 Prozent, während für 2022 ein Wachstum von +4,2 Prozent erwartet wird, auch dank der ersten Auswirkungen des Nationalen Wiederherstellungs- und Resilienzplans. Auf dem Arbeitsmarkt gibt es leichte Anzeichen für eine Erholung. Die Beschäftigungsquote begann ab Februar − wenn auch schwach − zu wachsen und lag im Mai bei 57,2 Prozent. Gleichzeitig ist ein Rückgang der Nichterwerbsquote zu verzeichnen, die derzeit bei 36,0 Prozent liegt. Die Arbeitslosenquote ist jedoch auf 10,5 Prozent angestiegen.
Wirtschaftswachstum in Südtirol
Angesichts der sich abzeichnenden Besserung des Geschäfts- und Konsumklimas sowie der derzeit vorliegenden Informationen revidiert das WIFO seine Wachstumsschätzungen nach oben. Das Südtiroler BIP soll 2021 zwischen +3,0 und +5,0 Prozent zunehmen, je nach Entwicklung der Pandemie.
Der Präsident der Handelskammer Bozen, Michl Ebner, betont die Bedeutung der Investitionsbelebung in dieser Wirtschaftsphase: „Ohne Investitionen gibt es keinen technologischen Fortschritt, keine Steigerung der Produktivität und der Wettbewerbsfähigkeit. Investitionen müssen unterstützt und angekurbelt werden, da sie den Aufschwung vorantreiben und positive Effekte auf Nachfrage und Beschäftigung auslösen.“