Von: apa
Die EU-Staaten können sich beim EU-Lieferkettengesetz nach wie vor nicht einigen. Bereits vergangene Woche wurde eine Abstimmung im Ausschuss der EU-Botschafter verschoben. Auf der Tagesordnung der für morgen, Mittwoch, geplanten Sitzung ist das Lieferkettengesetz nun nicht mehr zu finden. Noch gebe es keinen Termin, an dem die belgische Ratspräsidentschaft das Thema erneut zur Abstimmung bringen könnte, hieß es aus EU-Kreisen zur APA.
Eigentlich haben sich die EU-Mitgliedstaaten zusammen mit dem Europaparlament bereits auf einen gemeinsamen Kompromisstext geeinigt. Beide Institutionen müssen diesen aber noch final absegnen. Jüngst hatte sich aber die deutsche Regierungspartei FDP quergelegt und eine Zustimmung Deutschlands blockiert. Österreichs Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) erklärte später, dass Österreich sich bei der Abstimmung enthalten werde. Auch Italien dürfte laut Medienberichten Vorbehalte gegen den Text haben.
Damit der Text im Rat (in dem die EU-Staaten vertreten sind) verabschiedet werden kann, wäre eine qualifizierte Mehrheit (55 Prozent – also 15 von 27 Mitgliedstaaten, die mindestens 65 Prozent der Bevölkerung abbilden) im Ausschuss der EU-Botschafter nötig. Zudem kann es sein, dass die belgische Ratspräsidentschaft ein solches Vorhaben trotz einer theoretischen Mehrheit nicht gegen den Willen eines großen Landes wie Deutschland durchboxen will.
Allerdings drängt die Zeit, um eine Einigung zu finden: Es reicht nicht, dass die EU-Länder sich untereinander auf eine Änderung einigen. Nachdem der Text bereits mit dem EU-Parlament ausverhandelt wurde, muss jede Änderung auch mit diesem abgesprochen werden. Nach einer erneuten Einigung mit dem Parlament muss diese dann juristisch korrekt ausformuliert werden und in alle EU-Sprachen übersetzt werden, bevor nochmals EU-Staaten und -Parlament ihren finalen Segen geben müssen. Nachdem das Parlament im April zum letzten Mal vor der EU-Wahl zusammenkommt und möglicherweise auch noch andere Texte in dieser Zeit verhandelt und übersetzt werden müssen, ist davon auszugehen, dass allerspätestens Anfang März – wenn nicht früher – eine Einigung gefunden werden muss.
Während der deutsche Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner laut Aussagen vom Dienstag überhaupt erst nach der EU-Wahl im Frühsommer weiter reden will, drängt der aus Österreich stammende UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, auf ein “Ja” zum EU-Lieferkettengesetz. Mit der Annahme des umstrittenen Gesetzes würde die EU “eine historische Führungsrolle zeigen”, erklärte der Leiter des UN-Menschenrechtsbüros am Dienstag. “Ich fordere die EU-Mitgliedstaaten dringend auf, bei diesem wegweisenden Rechtstext Führungsstärke zu zeigen und es über die Ziellinie zu bringen.”
In den vergangenen vier Jahren hätten sich zahlreiche Interessensgruppen in beispiellosem Maße an der Erarbeitung der Richtlinie beteiligt, sagte Türk. Der Prozess habe Hoffnungen erweckt, dass ein wirksames Management von Menschenrechtsrisiken durch große Unternehmen gewährleistet werden kann. “Wenn die Richtlinie jetzt scheitern würde, wäre das ein massiver Rückschlag.”
Das EU-Lieferkettengesetz soll große Unternehmen – mit mehr als 500 Mitarbeitern bzw. in Risikosektoren mit mehr als 250 Mitarbeiterinnen – zur Rechenschaft ziehen, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Größere Unternehmen müssen zudem einen Plan erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit der Einhaltung der Pariser Klimaziele zur Begrenzung der Erderwärmung vereinbar sind.