AFI im Dialog

Wohnen: Gemeinnützigkeit als Gamechanger

Mittwoch, 12. Februar 2025 | 17:18 Uhr

Von: mk

Bozen – Leistbares Wohnen ist in Südtirol seit einiger Zeit eine große Herausforderung. Viele Familien, Single-Haushalte und Rentner können sich die hohen Miet- und Immobilienpreise kaum noch leisten. Obwohl das Problem bekannt ist, scheint es der Politik schwerzufallen, wirksame Strategien zu finden. Eine mögliche Lösung wurde heute in einem Webinar der Reihe AFI im Dialog mit vier Experten diskutiert: Könnte der gemeinnützige Wohnbau nach österreichischem Vorbild den Wohnungsmarkt in Südtirol revolutionieren?

In den ersten beiden Webinaren hat das AFI | Arbeitsförderungsinstitut den „Gemeinde-Mindestlohn“ und den „Digitalstress“ in den Blick genommen. Heute stand im Rahmen der Reihe AFI im Dialog das „Gemeinnützige Wohnen“ nach österreichischem Vorbild im Fokus. Nachgegangen wurde insbesondere der Frage, inwiefern dieser Ansatz in Südtirol marktverändernd bzw. preisdämpfend wirken könnte.

Gemeinnütziges Wohnen als wirksamer Preisdämpfer

In Österreich gibt es seit 1979 das sogenannte Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, das den rechtlichen Rahmen für die Tätigkeit von gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften absteckt. Konkret geht es darum, dass Genossenschaften, Stiftungen oder Kapitalgesellschaften leistbaren und sozialverträglichen Wohnraum errichten und nach dem Kostendeckungsprinzip bereitstellen. Wie im Webinar deutlich wurde, trägt dieses Modell seit Jahrzehnten Früchte: In Österreich lebt rund ein Viertel aller Haushalte in Wohnungen von gemeinnützigen Bauvereinigungen, in denen die Mieten etwa 20 Prozent unter denen von gewinnorientierten Anbietern liegen. Doch der ökonomische Vorteil geht über die betroffenen Mieter hinaus. „Wir haben herausgefunden, dass ein höherer Anteil gemeinnütziger Bauvereinigungen nachweislich zu einer Preisdämpfung auch auf dem privaten Mietmarkt führt. Eine Steigerung des ‚Gemeinnützigen-Anteils‘ um zehn Prozent kann die Mieten auf dem freien Markt durchschnittlich bereits um 30 bis 40 Euro-Cent pro Quadratmeter senken“, erklärte Michael Klien, Ökonom am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung und einer der Referenten des Webinars. Mit dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz wird außerdem sichergestellt, dass das Kostendeckungsprinzip gewahrt wird, der Veräußerung enge Grenzen gesetzt werden und die öffentliche Verwaltung auch die notwendigen Kontrollen durchführt. Im Gegenzug erhalten die gemeinnützigen Bauträger steuerliche Vorteile und einen erleichterten Zugang zu öffentlichen Förderungen.

Gerald Kössl, Experte vom Österreichischen Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen, ging auf ebendiese rechtlichen Rahmenbedingungen ein, mahnte jedoch auch: „In Österreich ist der gemeinnützige Wohnbau zu einer zentralen Säule auf dem Wohnungsmarkt geworden. Doch es braucht einen langen Atem. Eine nachhaltige Wohnversorgung kann nicht von heute auf morgen erreicht werden, sondern es sind langfristige Anstrengungen von verschiedenen Akteuren notwendig.“

Blaupause für Südtirol?

Der zweite Teil des Webinars ging der Frage nach, ob das österreichische Modell des gemeinnützigen Wohnbaus auch auf Südtirol umgemünzt werden könne. Gottfried Tappeiner, Professor an der Universität Innsbruck, meinte hierzu: „Südtirol braucht neue Ideen, insbesondere um leistbare Mietwohnungen auf den Markt zu bringen. Der gemeinnützige Wohnbau kann hier, neben anderen Maßnahmen, durchaus die notwendigen Impulse setzen.“ Selbstverständlich wären bei der Umsetzung aber lokale Rahmenbedingungen mitzudenken und gegebenenfalls anzupassen. Tappeiner hebt vor allem die Rolle der Gemeinden in der Umsetzung künftiger Wohnbauprojekte hervor: Diese könnten Projekte unterstützen, indem sie kostengünstigen oder kostenlosen Baugrund zur Verfügung stellen.

Leonhard Resch, Referatsleiter der Arche im KVW, berichtete hingegen aus der Praxis – konkret über ein möglicherweise zukunftsweisendes Pilotprojekt in Brixen: „Wir versuchen, mit unserem Projekt in eine ähnliche Richtung zu gehen wie in Österreich und gleichzeitig das Potential des gemeinnützigen Wohnbaus in Südtirol auszuloten. Doch wie wir wissen: Aller Anfang ist schwer. Auf unserem Weg mussten wir viele Hürden überwinden, haben aber auch immer die Unterstützung der Gemeinde erhalten.“ Für die Zukunft wünscht sich Resch, dass auch andere Gemeinden mitziehen und vielleicht auch bei der Finanzierung noch stärker mithelfen – etwa indem sie den Erlös für die Vergabe des geförderten Baulandes wieder in die Stiftung einbringen. Schon einmal positiv hervorzuheben sei, dass die geplanten Förderungen für gemeinnützige Bauträger im erwarteten Sammelgesetz zum Wohnbau in die richtige Richtung weisen würden.

Statement von AFI-Präsident Andreas Dorigoni

„Bezahlbares Wohnen in Südtirol möglich machen ist das Gebot der Stunde. Die Stoßrichtung der Trägerorganisationen des AFI ist unverändert: Wohnen darf einer Familie nicht mehr als ein Drittel des Haushaltseinkommens kosten: maximal ein Drittel fürs Wohnen, mindestens zwei Drittel fürs Leben – das bleibt unsere Maxime. Die Form des gemeinnützigen Wohnungsbaus trägt direkt zur Entlastung der Nutznießer-Familien und indirekt zur Beruhigung des Wohnungsmarktes bei. Genau deshalb muss er forciert werden.“

Bezirk: Bozen

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