Von: ka
Bozen – Nebenprodukte aus der Lebensmittelproduktion weiterverwenden und durch Fermentation in richtige Geschmacksstars für das Würzen verwandeln: Das ist die Idee hinter dem Garum-Projekt. Das Start-up mit Sitz in Bozen ist Gewinner des CEFoodCycle Award, mit dem die besten Unternehmen in der Lebensmittelkreislaufwirtschaft ausgezeichnet werden. Vergeben wurde der Award insgesamt fünf Mal – einer in jedem Partnerland des EU-Projekts CEFoodCycle, das den Wettbewerb ausgeschrieben hatte. Ziel des EU-Projekts, an dem zehn Organisationen aus Italien, Deutschland, Frankreich, Österreich und Slowenien teilnehmen, ist es, der Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken und den CO₂-Ausstoß zu reduzieren. Für Südtirol ist IDM als Treiber der Nachhaltigkeit Partner dieses internationalen Projekts. Mit dem Award, der heute in der Brixner Hofburg von Landeshauptmann Arno Kompatscher an die Gewinner überreicht wurde, will man Vorreitern bzw. innovativen Lebensmittelunternehmen, die sich für eine Reduzierung oder Vermeidung von Lebensmittelabfällen engagieren, Sichtbarkeit geben und die Öffentlichkeit für dieses Thema sensibilisieren.
Mehr als eine Milliarde Tonnen Lebensmittel landen weltweit pro Jahr auf dem Müll, so rechnet eine Studie der Vereinten Nationen vor. Das ist fast ein Fünftel der globalen Produktion. Diese Dynamik hat vielerlei Auswirkungen – nicht zuletzt auf die weltweiten Treibhausgasemissionen, an denen die Lebensmittelverschwendung schätzungsweise einen Anteil von 8 bis 10 % hat. Deshalb hat sich die UN auch zum Ziel gesetzt, diese Verschwendung bis 2030 um 50 % zu reduzieren. „Es braucht aktive Maßnahmen, um gegen die Lebensmittelverschwendung anzugehen und damit einhergehend CO₂-Ausstöße zu reduzieren. Das EU-Projekt CEFoodCycle, an dem IDM als Partner teilnimmt, ist eine davon“, sagt Landeshauptmann Kompatscher. „Eine sehr wichtige Komponente auf dem Weg Richtung Abfallvermeidung ist die sogenannte Kreislaufwirtschaft, die wir auch in Südtirol stärker etablieren wollen – eine Wirtschaftsform, bei der Ressourcen so lange wie möglich im Wirtschaftskreislauf gehalten werden, um Abfälle zu verringern oder ganz zu vermeiden.“ Gerade in der Lebensmittelproduktion gebe es hohes Potenzial für Reduktion, sei diese doch mit 39 % Anteil der zweitgrößte Faktor bei der Verschwendung – gleich nach den Haushalten mit einem Beitrag von 42 %.
In den fünf Ländern, die sich am EU-Projekt beteiligen, wurden im Rahmen des Projekts Kreislaufwirtschaftszentren etabliert, sogenannte „Circular Food Hubs“. Dort werden die Bemühungen um Kreislaufwirtschaft im Lebensmittelsektor gebündelt, Potenziale identifiziert, wo man bei der Reduktion am besten ansetzen kann und nachhaltige Praktiken im Lebensmittelsektor gefördert. „Strategischer Fokus für IDM ist eine nachhaltige Entwicklung aller Sektoren in Südtirol. Die Kreislaufwirtschaft in allen Bereichen voranzutreiben, ist dabei eines unserer Kernthemen. CEFoodCycle ist deshalb ein sehr wichtiges Projekt für uns“, erklärt IDM-CEO Erwin Hinteregger. „Wir setzen sehr viel auf Beispielwirkung und Sensibilisierung. Der Wettbewerb, der im Rahmen des internationalen Projekts ausgeschrieben wurde, geht genau in diese Richtung.“ Teilnehmen konnten Unternehmen, Start-ups und Initiativen, die ein Projekt im Lebensmittelsektor zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen planen oder es sogar schon umgesetzt haben. „Wir freuen uns sehr, dass insgesamt 35 sehr interessante Projekte in den fünf Partnerländern präsentiert wurden. Diese rege Teilnahme unterstreicht das wachsende Interesse und Engagement für die Förderung der Kreislaufwirtschaft im Lebensmittelsektor“, so Hinteregger.
In einem sorgfältigen Prozess wurden nun die Gewinner ermittelt – einer aus jedem Land. Das Rennen für Italien machte das Garum-Projekt aus Südtirol. Gegründet von den drei Partnern Gregor Wenter, Mattia Baroni und Stephanie Lüpold war das ehrgeizige Ziel des Start-ups, durch Fermentation eine nachhaltige, gesunde Würzzutat für Gastronomie und Industrie herzustellen, die in großem Maßstab Kochsalz, industrielle Brühen und Zucker ersetzt und als natürlicher Geschmacksverstärker wirkt. Verwendet werden dafür Nebenprodukte aus der Lebensmittelproduktion wie Molke, die bei der Herstellung von Käse anfällt, oder auch Gemüse, das wegen seines Aussehens nicht dem Standard entspricht und daher nicht verkauft werden kann. Insgesamt fünf Garum-Produkte werden angeboten, von Milch und Gemüse bis zu Fisch, Geflügel und Rindfleisch. Für die Produktion verwendet das Garum-Projekt jährlich bis zu 250.000 Kilogramm Nebenprodukte, die sonst im Abfall landen würden.
Um zu diesem schmackhaften Endergebnis zu kommen, hat das Start-up sechs Jahre in die Produktentwicklung investiert und umfangreiche Tests in seinem Forschungslabor im NOI Techpark in Bozen absolviert. Seit 2018 arbeitet das Garum-Projekt auch mit dem Versuchszentrum Laimburg zusammen, um das Konzept und die Produktpalette zu erweitern. „Unser ‚Transformationswerkzeug‘ ist die Fermentation, durch die es uns gelungen ist, Nebenprodukte in leckere neue Produkte zu veredeln. Dabei setzen wir auf die Kombination von Fermentation mit Skalierbarkeit und Kreislaufwirtschaft“, erklärt Gregor Wenter, einer der Ideatoren des Garum-Projekts. “Wir sind der Überzeugung, dass wir durch einen verantwortungsvollen Umgang mit unseren Ressourcen und die Neubewertung von Lebensmitteln, die derzeit nicht genutzt werden, einen bedeutenden Einfluss ausüben und die Welt durch kulinarische Innovationen und Geschmack bereichern können.” Die Pläne des Start-ups sehen eine europaweite Expansion vor, bei der man regionale Varianten von Garum kreieren will, die jeweils typisch für ihre Region sind, indem man auf lokale Nebenprodukte zurückgreift.