Von: luk
Bozen – „Wohnen für den Grundwohnbedarf leistbar machen, den sozialen Wohnbau stärken, den Mietmarkt ausbauen: Das sind die wichtigsten Eckpfeiler, an denen sich die Wohnpolitik in Südtirol in Zukunft ausrichten sollte“, umreißt AFI-Direktor Stefan Perini die Hauptanliegen des Instituts. Wichtig sei, dass „bei Umwidmungen in neues Bauland der überwiegende Teil des Wertzuwachses bei der öffentlichen Hand bleibt“. Ob der im Gesetzentwurf eingeführte ‚gedeckelte Preis‘ wirklich zu leistbarem Wohnen und zu weniger Flächenverbrauch führe, müsse sich erst zeigen, so das AFI.
Leistbares Wohnen ist eine der Hauptsorgen in Südtirols Arbeitnehmerhaushalten. Das ist vom AFI-Barometer klar mit Zahlen belegt. Noch in dieser Legislaturperiode will die Landesregierung die Weichen neu stellen – sowohl für die Raumordnung als auch für die Wohnbauförderung. „Weil 2017 damit ein Schlüsseljahr für die Wohnpolitik in Südtirol ist, hat das AFI das Thema Wohnen gründlich analysiert und aus Arbeitnehmersicht bewertet“, so AFI-Direktor Stefan Perini. Welche Entwicklungen gesellschaftlicher Art in Südtirol absehbar sind, unter welchen Voraussetzungen leistbares Wohnen gelingen und wie all das auch sozialgerecht gestaltet werden kann, darüber will nun die AFI-Studie Auskunft geben.
Die Neufassung des gesetzlichen Rahmens für das Wohnen müsse neue Entwicklungen in der Gesellschaft unbedingt berücksichtigen, ist das AFI überzeugt. Aber wie wird Südtirol 2030 aussehen? Einige Trends sind unverkennbar, stellt das AFI fest: Die Lebenserwartung steigt weiter, die älteren Jahrgänge werden zahlreicher. Familienbiografien werden brüchiger, die kleinen Haushalte nehmen weiter zu. Das Rollenbild der arbeitsaktiven Frau festigt sich. Der Bedarf an Fachkräften steigt und damit auch die Zuwanderung und die Mobilität am Arbeitsmarkt. Beruf und Wohnort werden öfter gewechselt. In einer ‚sharing economy‘ weicht das Prinzip ‚Eigentum‘ schrittweise der ‚Nutzung‘.
Neue Perspektiven für Südtirols Wohnpolitik erfordern laut AFI folgende Fixpunkte:
· ‚Jeder und jedem ein Dach über dem Kopf‘. Vorrangig ist die Sicherung des Grundwohnbedarfs. Deshalb müssen die sozialen Elemente der Wohnpolitik erhalten und ausgebaut werden. Die Sozialbindung sollte auf ewig gelten, aber mit Ablösemöglichkeit. Das Kriterium der Ansässigkeit muss aufgeweicht werden, um den Zuzug von Fachkräften für den Südtiroler Arbeitsmarkt sowie die Südtirol-interne Mobilität zuzulassen.
· Der ‚gedeckelte Preis‘ ist nur eine Teillösung. Das Prinzip von Wohnungen mit Preisobergrenze kann dazu dienen, mit marktwirtschaftlichen Mitteln den Immobilienmarkt zu beleben. Das Instrument führt allerdings nicht zwangsläufig zu ‚leistbarem Wohnen zu heutiger Bauqualität‘, sondern nur unter ganz bestimmten Bedingungen – im Wesentlichen, indem Druck auf die Kosten für die Baulandbeschaffung oder auf die Baukosten aufgebaut wird. Aber auch unabhängig vom ‚gedeckelten Preis‘ wird es immer noch Gesellschaftssichten geben, die auf den sozialen Wohnbau angewiesen sind.
· Die Landes-Beobachtungsstelle Wohnen ist unerlässlich, um Transparenz in den Immobilienmarkt zu bringen. Für die öffentliche Hand ist sie die Voraussetzung, um die ´Preisdeckelung´ und die Schätzwerte für Enteignungen festlegen zu können.
· ‚Grau vor Grün‘ nicht nur in Worten. In den Leitlinien der neuen Raumordnung liegt das Hauptaugenmerk auf bestehende Bauzonen und der Aufwertung des Altbaubestandes. Neues Bauland soll nur sparsam ausgewiesen werden. Es darf kein weiterer Anreiz entstehen, Grundstücke als neue Erweiterungszonen auf den Markt zu bringen.
· Umwidmungen sind kein Spekulationsobjekt. Die Umwidmung ist ein politischer Akt, der allein aus öffentlichem Interesse erfolgt. Um Baugrund preisgünstig weiterzugeben und um Infrastrukturprojekte finanzieren zu können, sollten zwei Drittel des Wertzuwachses bei einer Umwidmung in Bauland den Gemeinden zufließen.
· Mieten attraktiver machen. Der Mietmarkt in Südtirol muss mit Augenmerk auf Jugend, Zuwanderer und untere Mittelschicht vergrößert und für beide Seiten – Mieter und Vermieter – attraktiver werden. In diesem Zusammenhang kommt dem WOBI auch die Bedeutung zu, die kommende gesellschaftliche Durchmischung in Südtirol zu begleiten. Neue Einrichtungen sollen sicheres Mieten gewährleisten und leerstehende Wohnungen zu günstigen Konditionen dem Mietmarkt zuführen.
· Freiraum für neue Wohnmodelle. Die Alterung der Gesellschaft einerseits (Stichwort ‚betreutes Wohnen‘) und die neuen Bedürfnisse von Jugendlichen andererseits, schaffen Gestaltungsspielraum für innovative Wohnmodelle wie ‚cohousing‘ und ‚coworking‘ und unterstützen gleichzeitig jenen gesellschaftlichen Mix, der für die soziale Mobilität so entscheidend ist.
· Weg von der Nachfrageförderung, hin zu mehr Wohnraumangebot. In Südtirol muss ausreichend Wohnraum für den Grundwohnbedarf geschaffen werden. Neben der Privatwirtschaft kommt dem sozialen Wohnbau eine ganz entscheidende Rolle zu. Die Militärareale, die vom Staat schrittwiese an das Land übergehen sollen, schaffen zusätzlichen Wohnraum im Siedlungsgebiet. Ein ausreichendes Angebot ist die Voraussetzung, um den Südtiroler Immobilienmarkt preislich zu entspannen. Mittelfristig ist sogar denkbar, die heutige Wohnbauförderung zurückzufahren.